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Presseschau: Rolle der USA in Ägypten

2. Februar 2011

Drei Jahrzehnte war Mubarak einer der engsten Verbündeten der USA - nun bricht Washington mit dem ägyptischen Noch-Präsidenten. Wie kommentiert das die internationale Presse?

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Themenbild Presseschau
Bild: DW

Der durch die Massenproteste in Bedrängnis geratene ägyptische Präsident Husni Mubarak will einen Rückzug "auf Raten" - sein US-amerikanischer Amtskollege Barack Obama forderte ihn nun aber zu einem "sofortigen" und "friedlichen" Übergang auf. Ein vorsichtiger, aber ein klarer Bruch in den Beziehungen zu einem jahrelang eng Verbündeten. Wie kommentiert die internationale Presse?

Angesichts der Umwälzungen in Ägypten tut die USA gut daran, ein politisches Vakuum zu verhindern, schreibt die italienische Tageszeitung "La Rebubblica":

"Nicht mehr 'Schuhe aus Blei' wie Friedensnobelpreisträger El Baradei Amerika vorgeworfen hatte, sondern vielmehr Laufschuhe scheinen sich Präsident Barack Obama und Außenministerin Hillary Clinton anlegen zu wollen, um eilig das Ägypten nach Mubarak einzuleiten. Obama kann und will sich nicht in den Strudel ziehen lassen, in dem ein Herrscher und ein Regime dabei sind, unterzugehen. Zudem scheint Ägypten nach 30 Jahren zivilem und wirtschaftlichem Rückstand nun wirklich den Wind der Sehnsucht nach Freiheit einzuatmen - ein Wind, den noch jeder amerikanische Präsident gerne unterstützt hat, vor allem, wenn damit auch der politische Gegner getroffen werden konnte. Doch heißt es aufzupassen am Nil. Applaudiert doch schon der Iran vom weitem in der Hoffnung auf eine weitere 'Republik des Korans'."

Die "Westdeutsche Allgemeine Zeitung" wirft der US-Regierung allerdings Doppelmoral vor:

"Weshalb brauchte es erst den Aufruhr der entrechteten und um ihre wirtschaftlichen Chancen gebrachten Jugend Ägyptens, bis Obama und Clinton sich zu zaghafter Distanz gegen Mubarak bereit fanden? Hat der amerikanische Geheimdienst etwa nichts gewusst über die zunehmend untragbaren Zustände in diesem Land? Kaum zu glauben. Und weshalb hat der Westen wenig bis nichts getan zum Aufbau einer demokratischen Opposition in Ägypten? (…) Fazit: Der Westen, in erster Linie die USA, muss eine neue Außenpolitik erfinden. Eine, die aus Furcht vor dem Islam nicht die Demokratie erstickt, sondern fördert. Damit die Unterdrückten nicht auf den Gedanken kommen, den Islam verlockender zu finden als die Freiheit."

Barack Obama habe gut daran getan, erst einmal abzuwarten, schreibt dagegen die "New York Times":

"Hierzulande und in Ägypten wurde kritisiert, Präsident Obama habe seine Bande mit Mr. Mubarak zu lange aufrecht erhalten. Aber nationale Sicherheitsinteressen gegen moralische Verantwortung abzuwägen, ist nie ein hübscher Job. Die Vereinigten Staaten spielen eine wichtige Rolle bei der Unterstützung eines raschen und friedlichen Übergangs. Präsident Obama tut gut daran, sich zu bemühen, jeglichen Eindruck, Washington wolle hier ein Ereignis für seine Interessen instrumentalisieren, zu vermeiden. Die iranische Revolution hat sich in unserer Erinnerung eingebrannt. Es gibt keine Garantien dafür, dass eine ägyptische Folgeregierung genauso Amerika freundlich agiert wie die jetzige. Und es gibt auch keine Garantie dafür, dass sie ihr Vok besser behandeln wird. Mr. Mubaraks Bestreben, mit aller Kraft an der Macht festzuhalten, wird jedoch zu einer größeren Instabilität und zu mehr Wut führen. Wenn Ägypten ins Chaos stürzt, wird das die radikalen Kräfte in der gesamten Region befördern."

Ägypten fordere die Regierung Obama mehr heraus als anfangs angenommen, schreibt die französische Tageszeitung "Le Figaro":

"Barack Obama hat sich nun offensichtlich von Mubarak distanziert, der zu einem demokratischen Übergang aufgerufen hat. Das hat den alten Präsidenten geschwächt und ihn zu der Erklärung bewogen, dass er nicht mehr zu seiner Wiederwahl antreten wird. Es hat auch den Weg für Verhandlungen mit der Opposition unter Aufsicht der Generäle freigemacht. In Übereinstimmung mit der ägyptischen Armee, die von den USA mit 1,3 Milliarden Dollar jährlich unterstützt wird, besteht das Pentagon darauf, dass ein Blutbad vermieden wird. Es gibt Kontakte mit Mohammed El Baradei und mit den Muslimbrüdern. Der erfahrene Diplomat Frank Wisner ist eingeschaltet. Dass Obama sich derart engagiert, liegt auch daran, dass sich die Fortsetzung seiner eigenen Präsidentschaft in Kairo entscheidet."

Der "Tagesspiegel" aus Berlin weist jedoch daraufhin, dass der Einfluss Washingtons in Ägypten gering sei:

"Barack Obama ist von der Dynamik überrascht worden. Amerika hat dieses Aufbegehren nicht seit Jahren aktiv begleitet wie vor 1989 in Europa. Es hat auch keine engen Kontakte zu einer breiten Palette von Oppositionskräften, die als alternative Regierung bereitstehen. Wie auch? Anders als Polen oder Ungarn damals hat Ägypten keine Erfahrung mit Demokratie und Bürgergesellschaft, auf die es zurückgreifen kann. Es gibt kein aufgefächertes Parteiensystem, das die konkurrierenden Interessen von Arm und Reich, Arbeitern, Wirtschaft und der großen Zahl von Bauern vertreten kann. Es fehlt jene starke Mittelschicht, die gewöhnlich das Rückgrat der Demokratie bildet."

Zusammengestellt von Anne Herrberg
Redaktion: Oliver Pieper