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'Amoklauf beginnt im Hirn'

18. April 2007

Viele Kommentatoren der internationalen Presse befassen sich erneut mit dem Schul-Massaker in den USA. Wie zeitgemäß sind die Waffengesetze in den USA noch und wo liegen die Ursachen für die Katastrophe von Blacksburg?

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Themenbild Presseschau
Bild: DW

"Corriere della Sera" aus Mailand: Offene Fragen nach dem Massaker in den USA

"Ein Massaker, das hätte verhindert werden können. Am Tag nach dem Blutbad an der Virginia Tech - das schlimmste, das es je in den USA gab - ist in Amerika ein Streit zwischen der Universitätsführung und den Sicherheitskräften entbrannt. Es gibt Beschuldigungen, durch die Verzögerungen bei der Alarmierung der Studenten sei die Ausführung des Blutbads geradezu erleichtert worden. (...) Aber dies ist nicht das einzige kontroverse Thema, das die USA bewegt. Das Problem des freien Waffenhandels, dies hat auch ein Sprecher im Weißen Haus zugegeben, wird den nächsten Präsidentenwahlkampf beeinflussen. Im Kongress ist die Debatte bereits in Gang."

"Berlingske Tidende": US-Waffengesetze kosten Gesellschaft zu viel

"Das Massaker an der Technischen Universität von Virginia hat 32
Menschenleben gekostet und die USA unter Schock gesetzt. Normalbürger fragen sich, wie es so weit kommen konnte und was zu tun ist, um Verrückte an ähnlichen Massenmorden an Unschuldigen zu hindern. (...) Die Tragödie hat wieder einmal die Debatte um die Verschärfung der liberalen Waffengesetze in Gang gebracht. Die Gegensätze dabei sind scharf, denn des Recht auf Selbstverteidigung mit Waffen ist fest im amerikanischen Weltbild verankert. Dem steht aber der einleuchtende und zutreffende Standpunkt gegenüber, dass Bürger in einer modernen Gesellschaft keinen Bedarf an fast ungehindertem Zugang zu Schusswaffen haben. Die Kosten für die Gesellschaft sind viel zu hoch."

"Tages-Anzeiger": "Schreckenstaten werden sich wiederholen"

"Solange jedem amerikanischen Bürger, gleichgültig wie psychisch instabil er sein mag, das Recht auf Schusswaffenbesitz zusteht und eine Pistole auf einfachste Weise erstanden werden kann, werden sich solche Schreckenstaten wiederholen. Die unselige Kombination von allgemein gefährlichen Tätern und halbautomatischen Schusswaffen wird dafür ebenso sorgen wie das Unvermögen der amerikanischen Politik, den Zugang zu Schusswaffen stärker zu regulieren und das Recht auf den Besitz von Handfeuerwaffen zu beschneiden."

"Independent": USA werden Recht auf Waffenbesitz nicht aufgeben"

Die Teilnahme von Präsident Bush am Gedenkgottesdienst bestätigte, dass das Massaker an der Virginia Tech eine Tragödie von nationaler Bedeutung ist. Es gab jedoch kaum Anzeichen dafür, dass den größeren Fragen, die dieses jüngste Massaker aufwirft, ebenso gründlich nachgegangen wird, wie den kleineren etwa nach der unmittelbaren Reaktion der Behörden. Wir anerkennen, wenngleich mit charakteristischer europäischen Ungläubigkeit, dass Waffenbesitz Teil des American Way of Life ist und ein Recht, das niemals aufgegeben wird. Doch es hat seit vielen Jahren immer wieder Bemühungen gegeben, den Verkauf von Waffen und die Arten von Waffen, die verkauft werden dürfen, zu regulieren. Bedauerlicherweise sind selbst die zahmen Kontrollen, die während der Clinton-Präsidentschaft eingeführt wurden, unter Bush wieder zurückgenommen worden."

"Neue Zürcher Zeitung": Der Amoklauf beginnt im Hirn

"Der gesunde Menschenverstand flüstert einem zu, dass die enorme
Überdosis an Gewalt, die in Bild und Ton, mit Videos und
Computerspielen jungen Heranwachsenden täglich verabreicht wird, eine gefährliche Saat ist, die früher oder später aufgehen wird. Sie
verroht und immunisiert gegen menschliches Leid. Das traditionelle
Mittel, über das in Amerika jeweils nach einem Gemetzel diskutiert
wird - die verschärfte Kontrolle über Schusswaffen -, ist politisch
blockiert und wäre allein offensichtlich ungenügend. Es gibt auch Massaker, die nicht mit Feuerwaffen verübt werden. Es müssten Mittel und Wege gefunden werden, die elektronische Medien aller Art dazu bringen, Gewaltdarstellungen auf ein vernünftiges Maß zu reduzieren. Der Amoklauf beginnt im Hirn."

"Le Monde": Nicht nur ein Problem der Waffenlobby

"Waffen sind in der amerikanischen Ideologie so wichtig, dass auch
die Demokraten, die dazu neigen, den Kult der individuellen Freiheit
gegen das Gemeinwohl abzuwägen, das Thema nur sehr vorsichtig
ansprechen. Dieser Kleinmut erklärt sich hauptsächlich aus dem Druck der National Rifle Association. Diese mächtigste Lobby der USA ist fähig, Kampagnen gegen Abgeordnete oder Senatoren zu organisieren, die ihrem Weltbild feindlich gegenüberstehen. Doch in einem Land, in dem 'das Recht auf Besitz und Tragen von Waffen' in der Verfassung steht und wo es schätzungsweise 192 Millionen Feuerwaffen gibt, liegt das Problem nicht nur in einer besonderen Interessengruppe. Nach der Tragödie wurde die Klage laut, dass die Professoren und Studenten keine Waffen tragen durften, denn einer von ihnen hätte den Mörder neutralisieren können. Mit so einer Argumentation ist Amerika noch weit davon entfernt, seine Gewalt zu meistern." (kas)