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Presseschau von Dienstag, 12. November

Stephan Stickelmann11. November 2002

CDU-Parteitag / EU-Russland-Gipfel

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Herausragendes Kommentarthema der Zeitungskollegen ist der CDU-Parteitag. Beachtung findet aber auch der EU-Russland-Gipfel in Brüssel.

Zum Treffen der Christdemokraten in Hannover bemerkt die NEUE WESTFÄLISCHE aus Bielefeld:

"Es war nicht wirklich ein CDU-Parteitag, den die Christdemokraten im wahlumkämpften Niedersachsen abhielten, sondern ein Anti-Schröder-Tag. Angela Merkel und ihr Gast Edmund Stoiber nutzen die Gunst der Stunde, um nach der verlorenen Bundestagswahl mit Rot-Grün abzurechnen. Der Stachel sitzt noch immer tief. Neue Differenzen in der politischen Bewertung aktueller Finanzkrisen haben den Schmerz der Union eher noch verstärkt."

Das NEUE DEUTSCHLAND schreibt:

"Die Union hat die Bundestagswahl verloren und will das gleichwohl noch immer nicht wahrhaben. Auch beim CDU-Parteitag in Hannover war die Meinung weit verbreitet, letztlich durch einen gerissenen Gegner um den Sieg betrogen worden zu sein - verbunden mit der Hoffnung, ihm nun durch Revanche in den Ländern den Erfolg zu vergällen. Also geht der Wahlkampf weiter. Mit dieser Orientierung kommt die CDU nicht nur ihren Wahlkämpfern Roland Koch und Christian Wulff entgegen, sie macht zugleich aus der Not eine Tugend. Denn sowohl die Rede Angela Merkels als auch zahlreiche jüngste Äußerungen aus den Unionsparteien ließen eins vermissen - echte Alternativen zur wahrlich nicht überzeugenden Regierungspolitik."

Noch kritischer ist das Urteil der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, was speziell Angela Merkel betrifft. Das Blatt konstatiert:

"Die CDU-Vorsitzende hat beim Parteitag eine Rede gehalten, die ein Kunststück war; sie war nämlich genauso schlecht wie die Rede von Kanzler Schröder auf dem SPD-Parteitag. Wohlmeinende meinen, das sei Absicht gewesen. Sie habe sich und die Partei nicht festlegen wollen. Man kann freilich den begründeten Verdacht haben, dass sie es nicht besser kann. Es fehlt ihr womöglich nicht der Schneid, sondern die Fähigkeit, Inhalte zu entfalten."

Die AUGSBURGER ALLGEMEINE geht auf Merkels Appell an die Delegierten ein, die konservativen Werte der CDU - die Parteivorsitzende sprach vom 'Tafelsilber' - zu bewahren:

"Auf Dauer wird die CDU an der Debatte um ihre programmatische Stoßrichtung nicht vorbeikommen und den Wählern klarer sagen müssen, wohin sie will und was ihre Rezepte sind. Das konservative Tafelsilber rauszuputzen und zugleich neue, von einem anderen Lebensgefühl geprägte Wählerschichten zu erschließen, das wird eine schwierige, riskante Übung. Die Union braucht einen glaubwürdigen Gegenentwurf zur rot-grünen Politik - nicht nur auf dem weiten Feld der Ökonomie, sondern auch im Streit um die künftige Gestalt unserer Gesellschaft. Davon wird abhängen, ob und wann sich die Union als prägende politische Kraft zurückmelden kann."

Und in der SCHWÄBISCHEN ZEITUNG aus Leutkirch heißt es:

"Die CDU-Chefin putzt heftig das Tafelsilber, nennt die Begriffe Familie als Urmuster der Verantwortungsgemeinschaft, Sinnerfüllung statt Pragmatismus, Heimat als Halt in der Globalisierung, soziale Sicherheit durch Hilfe zur Selbsthilfe statt durch Allmacht des Staates. Diese Werte klingen herüber wie aus alten Zeiten. Darin steckt jedoch der Ansatz auf die viel gestellte Frage nach den Alternativen zu Rot-Grün: Sie folgern aus dem Grundsatz des Bürgers mit Eigenverantwortung gegen den verwalteten und versorgten Untertan. Der Gegensatz ist nicht neu, sein Reiz ist ungebrochen."

Themenwechsel: Angesichts des Treffens von Russlands Präsident Putin mit EU-Vertretern in Brüssel meint die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG:

"Solange Russlands Politik sich darauf beschränkt, den Nordkaukasus 'in Stücke zu bomben', wie es der dänische Ministerpräsident gesagt hat, steht der Partnerschaft mit Europa ein grundsätzliches Missverständnis über die Fundamente dieser Partnerschaft im Wege. Vielleicht verbirgt sich dieses Missverständnis ja auch hinter dem Streit über eine Transitregelung für Kaliningrad/Königsberg. Das wäre, das ist bedauerlich. Denn groß könnte der Nutzen für beide Seiten sein, wenn die russisch-europäische Zusammenarbeit auf breite Füße gestellt und die Kluft zwischen Interessen und Werten eingedämmt würde. Aber dazu gehört das Grundverständnis davon, was erlaubt ist und was nicht."