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Presseschau von Donnerstag, 24. Oktober 2002

zusammengestellt von Hanns E.Petrik23. Oktober 2002

Steuern / Zuwanderungsgesetz / Becker-Prozess

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Die von der Regierung angekündigten Steuererhöhungen beschäftigen weiterhin die Kommentatoren der Zeitungen. Ausserdem beleuchten sie die Verfassungs-Klage gegen das neue Zuwanderungsgesetz und analysieren den Steuer-Prozess gegen Ex-Tennis-Profi Boris Becker. Zunächst zu den Steuern - dazu die FRANKFURTER ALGEMEINE ZEITUNG:

'Dass diese Regierung, gegen die Ratschläge aller Fachleute ... ein massives Programm der Abgaben- und Steuererhöhungen verkündet, dem einzig die Gewerkschaften applaudieren, zeigt, welche Klientel in den kommenden vier Jahren bedient werden soll. Schröders Image als Modernisierer bleibt dabei zwar auf der Strecke (von der notwendigen Modernisierung des Landes zu schweigen). Aber das entspricht der machtpolitischen Lehre, die Schröder aus dem Wahlkampf gezogen hat: Von den Verbänden der Wirtschaft fühlte er sich bekämpft; von... den Erzbösewichtern der Republik, den so genannten Besserverdienenden, erwartet er auch nichts mehr. Es ist eine volle Kehrtwendung: Gerhard Schröder...gegen den Rest der Welt.'

Der KÖLNER STADT-ANZEIGER kommentiert die Pläne, Spenden von den Steuervergünstigungen auszunehmen:

'Die Eichel-Idee ist einseitig und unausgegoren: Das gemeinnützige Spenden wird bestraft. Sponsorengaben dagegen, die Event- und Mainstream-Kultur begünstigen und bekanntlich nicht uneigennützig sind ...sollen weiterhin vom Fiskus begünstigt bleiben. Finanzielle Einschnitte kommen stets zur Unzeit, aber dieser wirkt, als hätte ihr Urheber seit Jahr und Tag weggehört, wenn es um die Künste und Wissenschaften ging. Kultur...taugt für unsere Politiker in erster Linie zur Repräsentation.'

Die NEUE WESTFÄLISCHE in Bielefeld meint:

'Keine Frage, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen lassen der rot-grünen Koalition zur Zeit wenig Spielraum. Daraus zu folgern, Steuerzahler und Versicherungspflichtige weiter schröpfen zu müssen, ist in der aktuellen Konsumflaute der falsche Weg. Wenn der Staat weniger Geld zur Verfügung hat, kann er sich zusätzlichen Luxus einfach nicht leisten - auch wenn für viele Eltern zum Beispiel die Ganztagsbetreuung ihrer Kinder durchaus wünschenswert wäre. Hans Eichels stete Devise des Sparens sollte auch 2003 noch Gültigkeit haben.'

Das Bundesverfassungsgericht prüft derzeit das neue Zuwanderungsgesetz. Anlass für die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG zu einer Analyse:

'Der Bundesrat hat ... eine bösartige Metamorphose hinter sich: Aus der Repräsentanz des deutschen Förderalismus ist ein Kampfplatz zur Blockade von Reformprojekten geworden. Es wird dort nicht, wie es sein sollte, nach Länderinteressen, sondern nach partei- und koalitionspolitischen Interessen entschieden. In seiner gegenwärtigen Gestalt stärkt also der Bundesrat nicht den Föderalismus, sondern er dient der Verdoppelung der Parteiendemokratie. Wenn es dem Bundesverfassungsgericht gelingt, diese Entwicklung zu korrigieren - dann hätte der 22. März, der schwarze Freitag im Bundesrat, doch noch zu einem guten Ende geführt.'

Themenwechsel und zum Steuer-Prozess gegen Boris Becker. Die LÜBECKER NACHRICHTEN sehen den Fall so:

'Gewiss: Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt. Würden alle ihre Steuerschuld ordnungsgemäß bezahlen, hätten wir keine Steuererhöhungs-Diskussionen, sondern die deutschen Haushaltsverwalter wüssten, wie sie Aufträge erteilen und somit Arbeitsplätze sichern könnten. Insofern ist es richtig, wenn Becker keine Extrawurst gebraten, sondern eine spürbare Strafe aufgebrummt bekommt. Warum kommt trotzdem ein unbehagliches Gefühl auf? Vielleicht, weil Becker den falschen Beruf hat? Wäre er Politiker, müsste er sich vermutlich sehr viel weniger Sorgen machen - oder kann sich jemand erinnern, dass irgendeiner aus dieser Branche mit mehr als einer Geldstrafe behelligt wurde?'

Zum Abschluss dazu noch ein Wort der Berliner Zeitung DIE WELT:

'Sollte das Gericht - wie der Staatsanwalt das fordert - Becker für Jahre hinter Gitter schicken, zerfällt ein viel bejubeltes Vorbild des deutschen Sports in der öffentlichen Wahrnehmung in zwei Teile: das Sportidol von gestern und die wenig ehrenhafte Existenz von heute. Wir können mit Becker nur hoffen, dass er im täglichen Endspiel des Lebens wieder lernt, mit Anstand ein Idol zu sein - er ist es den vielen, die ihm nacheiferten, schuldig.'