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Presseschau von Freitag, 20. Dezember

Bernhard Schatz19. Dezember 2002

Schlichtungsverfahren im Öffentlicher Dienst / Freispruch für Wuppertaler OB

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Die Kommentatoren der deutschen Tageszeitungen befassen sich am Freitag vor allem mit den gescheiterten Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst. Ein weiteres Thema ist der Freispruch des Wuppertaler Oberbürgermeister Kremendahl vom Vorwurf der Vorteilsnahme.

Zu den Tarifverhandlungen schreibt die Münchener SÜDDEUTSCHE ZEITUNG:

'Es ist ein Drama. Zwar nehmen etliche Menschen Tarifschlachten wie im Öffentliche Dienst nicht mehr ernst. Immer die gleichen Rituale, so lautet ihr Standardvorwurf. Tatsächlich ist da viel Schauspiel: Die Aufmärsche der Arbeiterkämpfer mit wehenden roten Fahnen ebenso wie die Trauerreden demonstrativ gramzerfurchter staatlicher Kassenwarte, auch die unendlichen Verhandlungen in der Nacht der Entscheidung. Doch dies alles ist die symbolische Verdichtung sehr realer Konflikte - die nun, da die Tarifgespräche zwischen der Gewerkschaft Verdi und Bund, Ländern und Gemeinden gescheitert sind, die Republik fast zerreißen könnten.'

In der B.Z. aus Berlin heisst es:

'Friedliche Weihnachten - nach dem Scheitern der Tarifverhandlungen im Öffentlichen Dienst herrscht wenigstens über die Feiertage Friedenspflicht. Aber danach droht ein 'heißer Winter'. Kaum vorstellbar, dass die Schlichtung gelingt. Zu weit liegen Gewerkschaftsforderungen und Arbeitgeberangebot auseinander. Frank Bsirske weiß das. Aber der ver.di-Vormann pokert hoch. Immerhin ist es sein erster Arbeitskampf. Da vergisst der Staats-'Diener' schon mal, dass sein Arbeitsplatz sicherer ist als alle anderen.'

Auch die BERLINER ZEITUNG findet wenig Gefallen an verdi:

'Bei den Bürgern kann ver.di auf wenig Verständnis rechnen. Zum einen steht der Öffentliche Dienst für ein Maß an Arbeitsplatzsicherheit, von dem Beschäftigte anderer Branchen nur träumen. Solch vermindertes Risiko rechtfertigt Abstriche bei der Einkommensentwicklung. Zum anderen geht es der Bevölkerung schnell auf die Nerven, wenn Bus- und Müllfahrer streiken. Man ist geneigt, dem ver.di-Chef Bsirske zu empfehlen, er möge die Festtage nutzen, um nachzulesen, wie 1974 der damalige Chef der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr, Heinz Kluncker, eine Lohnerhöhung von elf Prozent durchsetzte - und wie er damit den Niedergang des SPD-Kanzlers Willy Brandt vorbereitete.'

Im MANNHEIMER MORGEN lesen wir:

'Ver.di-Chef Frank Bsirske will seine Position in der Gewerkschaft festigen und der Mammutorganisation neues Leben einhauchen. Dazu braucht er ein vorzeigbares Ergebnis in der Nähe des Abschlusses bei Metall oder Chemie. Dass Bund, Länder und Kommunen dies nur über Stellenabbau finanzieren können, ist für ihn zweitrangig. Nun bewegen sich beide Seiten auf dünnem Eis.'


Kritik an Bund, Ländern und Gemeinden übt das in Berlin erscheinende NEUES DEUTSCHLAND:

'Die Taktik der öffentlichen Arbeitgeber beim Tarifkonflikt ist kaum nachvollziehbar. Offenbar setzen sie auf eine Zuspitzung. Ihr Angebot konnte von den Gewerkschaftern nur als glatte Provokation verstanden werden. Für die Beschäftigten im Osten muss das Angebot darüber hinaus wie ein Schlag ins Gesicht gewirkt haben. Offenbar wird die Kampfbereitschaft der Gewerkschafter im Osten geringer eingeschätzt.'

In der in Frankfurt/Oder erscheinenden MÄRKISCHE ODERZEITUNG heisst es:

'Diesmal liegen die Dinge anders beim Tarifstreit im öffentlichen Dienst. Da ist zum einen die katastrophale Finanzlage von Bund, Ländern und Kommunen. Für sie ist selbst eine Lohnerhöhung von einem Prozent kaum tragbar. Das andere Sonderproblem ist die Verfassung der Arbeitnehmervertreter. Für die neue Supergewerkschaft ver.di ist die Tarifrunde 2002 der erste große Härtetest. Man muss Macht demonstrieren. Deshalb die schnellen Warnstreiks und die peinlichen Politisierungsversuche Bsirskes, der das Feindbild der 'Reichen' beschwört.'

Themenwechsel und damit zu dem Wuppertaler OB Kremendahl. Im Vorfeld des Kommunalwahlkampfes 1999 hatte er von einem Bauunternehmer rund 500.000 als Spende erhalten. Kremendahl wurde jetzt frei gesprochen, der Unternehmer verurteilt. Dazu die WESTDEUTSCHE ZEITUNG aus Düsseldorf:

'Der Investor hat den Vorteil gewährt, der Oberbürgermeister hat ihn angenommen. Der Baulöwe wird verurteilt, der Amtsträger frei gesprochen. Ein Aufsehen erregendes Urteil haben gestern die Richter in Wuppertal gesprochen und den Finger in die Wunde gelegt: In der Grauzone von Parteienfinanzierung und strafbaren Akten besteht dringender Handlungsbedarf.'

Das war die Presseschau.