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Presseschau von Mittwoch, 23. Oktober 2002

zusammengestellt von Bernhard Schatz22. Oktober 2002

Neue Regierung / Herbstgutachten

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Gerhard Schröder und die rot-grüne Koalitionsregierung haben ihre zweite Amtszeit angetreten. Dies und das zeitgleich veröffentlichte Herbstgutachten der führenden Wirtschaftsforschungs-Institute sind die beherrschenden Kommentar-Themen der deutschen Tageszeitungen am Mittwoch.

Zur neuen Regierung schreibt die FRANKFURTER RUNDSCHAU:

'Die Kanzlermehrheit steht, aber das Aufatmen nach Gerhard Schröders Wiederwahl fällt reichlich gequält aus. Mit Grund: Rot-Grün erlebt gerade, dass eine Wiederwahl etwas völlig anderes ist als ein Neuanfang. War der Start 1998 noch von wohlwollender Neugierde begleitet, so hagelt es zu Beginn der zweiten Amtszeit Widerspruch aus vielen Ecken. Die Stimmung im Land ist, gelinde gesagt, gedämpft bis besorgt. Bislang mangelt es sträflich an öffentlichen Begründungen und Erklärungen dafür, wohin die Koalition das Land mit ihren Subventionskürzungen, Sparmaßnahmen und staatlichen Einnahmenerhöhungen führen will. Es müsste zumindest ein Staats- und Gesellschaftsbild erkennbar werden, für das es sich lohnt, genau diese finanziellen Prioritäten zu setzen. Da ist bisher zu viel reines Handwerk, zu viel Flickschusterei und zu wenig Philosophie.'

Ähnlich sieht es die ESSLINGER ZEITUNG:

'Schröder zum Zweiten. Die Kanzlerwahl ist reibungslos über die Bühne gegangen, Gerhard Schröder kann weitere vier Jahre regieren. Doch weit und breit nichts von Jubel und Heiterkeit. Die Stimmung ist trübe wie lang nicht mehr, selbst dem Regierungslager ist die Euphorie des Wahlsieges längst abhanden gekommen. Was den Regierenden zu schaffen macht, sind nicht zuletzt die schroffen Reaktionen auf den 88 Seiten umfassenden Koalitionsvertrag. Unmut und Kritik allenthalben, sogar im Regierungslager wachsen mittlerweile die Zweifel an dem Vertragswerk, macht das böse Wort vom zweiten Fehlstart die Runde.'

DIE WELT sieht es so:

'1998 war Schröders Wahl vor allem ein Affekt gegen 16 Jahre Helmut Kohl. Diesmal war der Kanzler das wichtigste Argument für ein bewusstes Ja zu Rot-Grün. Die Wähler wollten ihm eine zweite Chance geben. Die hat er jetzt, und während er vor vier Jahren noch ein Wagnis einging, ist der Koalitionspartner inzwischen außen- wie wirtschaftspolitisch auf SPD-Kurs dressiert worden. Das verbessert die Ausgangsposition für Schröders zweite Legislatur. Aber er nutzt das nicht: Den Vertrauensvorschuss der Bevölkerung scheint der Kanzler einen Monat nach dem Wahlabend fast atomisiert zu haben.'

In der FULDAER ZEITUNG lesen wir:

'Das war kein guter Start in des Kanzlers zweite Runde. Doch dürfte das Wahlergebnis nur ein Vorgeschmack auf künftige Abstimmungen sein. Wenn es erst richtig ums rot-grüne Eingemachte geht, werden die Koalitionäre noch ganz anders mit den Zähnen klappern; und zwar so heftig, dass es das übliche Begleitgetöse der Lobbyisten und Interessengruppen deutlich übertönt.'

Die in Gera erscheinende OSTTHÜRINGER ZEITUNG gibt sich optimistischer:

'Wenngleich die äußeren Bedingungen eher pessimistisch stimmen, so sind doch Kanzler, seine Partei und Koalition besser gewappnet als 1998. Einige Anfangsfehler von damals werden sich nicht mehr wiederholen, weil Grüne und SPD den Regierungsapparat im Griff haben; weil das Kabinett stärker als damals besetzt ist; weil die Fraktionsdisziplin im rot-grünen Lager größer denn je ist; weil die Machtfrage in beiden Parteien geklärt ist. Die Aufgabe bleibt, DGB und Verbände an einen Tisch und den Dialog mit der Wirtschaft in Gang zu bringen.'

Themenwechsel und damit zum Herbstgutachten.

Dazu heisst es im Berliner TAGESSPIEGEL:

'Nur wenige Wege führen aus diesem Teufelskreis heraus. Eine Leitzinssenkung durch die Europäische Zentralbank könnte Käufe wie Firmen-Investitionen und damit das schwache Wachstum beleben. Doch noch sperren sich die Währungshüter, weil nur in Deutschland die Deflationsgefahr so groß ist und sie durch eine vorschnelle Zinssenkung die Stabilität des Euro gefährdet sehen. Bleibt die Bundesregierung. Sie könnte die Staatskasse öffnen und mit mehr Ausgaben die Wirtschaft wieder auf Touren bringen. Mit genau diesem Ziel werben Schröder und Fischer für eine Abkehr von der Sparpolitik. Doch dabei vergessen sie, dass sie selbst einen Großteil der Probleme erst verschuldet haben, die jetzt zu einer Deflation führen könnten.'

Zum Schluss die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG, die so kommentiert:

'Er habe, sagte einst Hermann Josef Abs, mit seinen Wirtschaftsprognosen stets Recht behalten. Und zwar durch ein einfaches Rezept: Er habe nie welche gemacht. Deshalb würde der frühere Chef der Deutschen Bank das gestern vorgelegte Herbstgutachten der Wirtschaftsforscher mit einer gehörigen Portion Skepsis bewerten. Tatsächlich ist zu befürchten, dass in einigen Wochen das jetzt für 2003 hochgerechnete Wachstum von 1,4 Prozent erneut korrigiert werden muss - und zwar nach unten.'