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Presseschau: Anschläge in Indien

28. November 2008

Die Kommentatoren der internationalen Zeitungen zeigen sich entsetzt von der Terrorserie in Bombay – und verweisen auf die Gefahr, die von den wachsenden Spannungen zwischen Hindus und Muslimen ausgeht.

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Bild: DW

"Il Messaggero" aus Rom

"Was in Bombay geschehen ist, das könnte die Ankündigung einer neuen Offensive und einer neuen Strategie all derer sein, die ein Interesse an einem Scheitern der amerikanischen Politik haben. Und das sind nicht nur die Terroristen von El Kaida. Als Mitglieder der NATO, die nach den Programmen des künftigen US-Präsidenten Barack Obama eine dynamischere Rolle in Afghanistan spielen soll, werden die Länder der EU schon bald aufgerufen sein, ihren Beitrag zu leisten, um die in dem Teil der Welt entstandene komplexe Lage zu entwirren. Wünschenswert wäre es dabei, wenn neben Geld und Ausrüstung auch neue Ideen und neue Strategien von Europa mitgeliefert würden. Vor allem aber, dass sich Europa dem mit einer einheitlichen Position stellt."

"Libération" aus Paris

"In dem Konflikt zwischen Indien und Pakistan, zwei Atommächten, ist es üblich, den historischen Feind zu beschuldigen. Die Inder sollen erst mal beweisen, dass die Terroristen von Bombay tatsächlich aus dem Nachbarland stammen. Doch selbst wenn die Attentäter ausländischer Herkunft sind, dürfen wir den Nährboden nicht vergessen, auf dem dieser Extremismus gedeiht. Indien hat seine laizistischen und toleranten Ideale aus der Zeit der Unabhängigkeit verleugnet. Das Land behandelt seine beeindruckende muslimische Gemeinde wie Bürger der zweiten Klasse - und dies im Namen eines chauvinistischen Hinduismus. Dabei wird die indische Geschichte von einer Kultur geprägt, in der sich die beiden Religionen vermengen."

"Times" aus London

"Wenn sich das Virus des Fanatismus in der indischen muslimischen Minderheit eingenistet haben sollte, sieht die Zukunft des Landes, das auf Toleranz, Säkularismus und multi-ethnischem Gleichgewicht aufgebaut ist, düster aus. Mit über 150 Millionen Muslimen ist Indien die Heimat einer der größten islamischen Gemeinden. Bis vor kurzem schien diese Minderheit dem religiösen Fanatismus, der woanders Muslime in den politischen Extremismus getrieben hat, entkommen zu sein. Aber die Spannungen waren zuletzt gestiegen. Gewalt liegt dicht unter der Oberfläche, und sie brach aus, als fanatische Hindus die Moschee von Ayodhya zerstörten oder bei dem anti-muslimischen Pogrom in Gujarat im Jahr 2002. Und da nationalistische Gruppen der Hindus stärker werden, fühlen sich auch die Muslime zunehmend kampfbereit."

"Neue Zürcher Zeitung" aus Zürich

"In der Wechselwirkung der Extreme liegt (...) die größte Gefahr für Indien. Solange sich die Radikalen einer ethnischen oder religiösen Gruppe, noch dazu in einer Randregion, gegen den Staat wenden, kann dieser damit leben. (...) Sobald aber die Konflikte bürgerkriegsähnliche Züge in den Kerngebieten und Wirtschaftszentren des Landes annehmen, wird das Fundament der aller Gewalt zum Trotz auf Toleranz gebauten Gesellschaft erschüttert. Die Extremisten machen deshalb Mumbai (Bombay) zu ihrem bevorzugten Schlachtfeld. Die Stadt repräsentiert all das, was sie hassen: Sie ist multikulturell, sie ist das Tor zum Ausland, und sie verkörpert die Öffnung des Landes zur westlich geprägten Globalisierung."

"Der Standard" aus Wien

"Sieben Jahre nach 9/11 hat sich der internationale Terrorismus gehäutet. Al-Kaida, das Netzwerk Osama Bin Ladens, exportiert nicht länger nur mehr seine kranken Ideen und Praktiken, es verschmilzt mit neuen Islamistengruppen, fügt sich in nationale Konflikte wie jenen zwischen Muslimen und Hindus in Indien ein, verändert Struktur und Methoden des Terrors auf dem Subkontinent. Ob Bin Laden oder sein Stellvertreter Ayman al-Zawahiri noch eine Rolle im alten Terrornetzwerk spielen, ist unwesentlich: Dass ihre Idee fortlebt, ist entscheidend." (jnl)