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Pressestimmen von Dienstag, 12. Juni 2007

Eleonore Uhlich11. Juni 2007

Ärger in der Koalition / Parlamentswahl in Frankreich

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Die deutschen Tageszeitungen befassen sich mit dem Sieg der Konservativen von Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy bei der ersten Etappe zur Wahl einer neuen Nationalversammlung. Ein weiteres Thema ist nochmals der Vorwurf von SPD-Chef Kurt Beck, die CDU betreibe eine neoliberale Politik.

Die Zeitung DIE WELT schreibt:

'Es stimmt, dass die Globalisierung viele Menschen verunsichert und neue Zuversicht nur dann entstehen kann, wenn es Perspektiven von Teilhabe und Tätigkeit gibt. Und doch ist Kurt Becks Vorstoß von trauriger Kraftlosigkeit. Das kommt zum einen daher, dass er wieder - und wider besseres Wissen - die alte bundesdeutsche Politklamotte, das Links-rechts-Spiel spielt: die CDU als die Partei eines bodenlosen, zutiefst asozialen 'Neoliberalismus'. Wo lebt ein Mann, der mit derlei glaubt Profil gewinnen zu können?'

Der KÖLNER STADT-ANZEIGER stellt fest:

'Der Pfälzer redet, als befinde sich seine Partei in der Opposition. Macht er so weiter, wird die SPD genau dort landen. Wenn es aufwärts geht, wenn Erfolge sichtbar und halb leere Gläser zu halb vollen werden, dann läuft Genörgel ins Leere. Oskar Lafontaine hat das 1990 als Kanzlerkandidat schmerzlich erfahren. Von Oskar lernen, heißt verlieren lernen.'

Mit Lafontaine beschäftigt sich auch die NEUE WESTFÄLISCHE aus Bielefeld und diagnostiziert:

'Die SPD ist nervös. Nicht nur wegen Merkel, sondern weil sich am kommenden Wochenende in Berlin eine vereinigte Linke mit Genossenen-Schreck Lafontaine an der Spitze bildet. Die Gefahr zwischen Union und der Linken zerrieben zu werden, treibt die Sozialdemokraten um. Die Unruhe mag verständlich sein. Aber ist es klug, sie der ganzen Welt so deutlich auf die Nase binden?'

Die in Heidelberg erscheinende RHEIN-NECKAR-ZEITUNG sieht die SPD in der Klemme ...

'zwischen einer Kanzlerin, die ihr Terrain zielstrebig ausbaut und einer linken Konkurrenz mit destruktivem Potenzial. Doch Becks Flucht in die Pöbelei löst nicht eines seiner Probleme. Die populistischen Forderungen der Linkspartei kann er nicht toppen. Und wenn sich die SPD als Koalitionspartner vom Acker macht, verliert sie auch den Erfolgs-Anteil an der Arbeit dieser Regierung. '

Die HAMBURGER MORGENPOST schließlich interpretiert Becks Absicht:

'Beck scheint die Strategie zu verfolgen, die Union in die rechte Ecke zu drängen und ihr soziale Kompetenz abzusprechen. Die SPD wiederum soll als Partei der sozialen Verantwortung für alle Lebenslagen Abschied nehmen von dem Reformkurs, der unter Schröder begann und von der großen Koalition zunächst fortgesetzt wurde. Statt sich von den erreichten Erfolgen beim Wirtschaftswachstum und dem belebten Arbeitsmarkt beflügeln zu lassen, verlässt die SPD zunehmend der Mut. Mit Verzagtheit hat aber noch kein Vorsitzender für sich und seine Partei Profil gewonnen', konstatiert die HAMBURGER MORGENPOST.

Zum Wahlsieg der Konservativen beim ersten Durchgang der Parlamentswahl in Frankeich lesen wir in der NÜRNBERGER ZEITUNG:

'Wenn die Opposition die fehlende Machtbalance beklagt, die zur Gefahr für das Land werde, so heißt das nur, dass ihr selbst die Trauben zu hoch hängen. Sarkozy hat die Instrumente in der Hand, ob er damit Operationsfehler begeht, wird erst die Zukunft zeigen. Die Partner in der EU können sich jedenfalls auf einiges gefasst machen.'

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU prognostiziert:

'Die Wählerinnen und Wähler werden ihn wohl in der Nationalversammlung mit einer Mehrheit ausstatten, die seit dem Bestehen der V. Republik nahezu einmalig ist. Sarkozys Popularität beruht auf dem politischen Kunststück einer doppelten Botschaft, die er den Franzosen vermittelt: Er will den Sozialstaat reformieren und verspricht zugleich einen starken Staat, nicht nur der Ordnung, sondern auch des nationalen Schutzes in Zeiten der Globalisierung.'

Das COBURGER TAGEBLATT stellt fest:

'Das Engagement und die Tatkraft, die Sarkozy in den ersten fünf Wochen seiner Amtszeit an den Tag gelegt hat, lassen keinen Zweifel daran, dass es der Polit-Manager im Elysée-Palast ernst meint. Und wenn Sarko seinen Job gut macht, dann dürfte das große Wundenlecken nach der offensichtlichen Wahlschlappe bei den Sozialisten noch lange dauern.'

Die Berliner Tageszeitung TAZ glaubt die Gründe für die geringe Wahlbeteiligung ausgemacht zu haben:

'Mehr noch als bei früheren Parlamentswahlen haben Politiker von der UMP, fatalerweise aber auch von der PS, den Wählern schon vor dem Urnengang suggeriert, das Wahlergebnis stünde ohnehin längst fest. Dieser linke Defätismus und der rechte Mangel an Respekt vor dem Parlamentarismus haben dazu geführt, dass vier von zehn Wählern diese Wahlen boykottiert haben.'

Die KÖLNISCHE RUNDSCHAU gibt zu bedenken:

'Wer nun von einer zweiten Schlappe für die Linke spricht, hat Recht, ohne Recht zu haben. Deren Niederl age ist logisch, anderenfalls würden die Franzosen ihren soeben gekürten Präsidenten gleich wieder entzaubern und die Lähmung des Landes fortschreiben. Der Blankoscheck, den die Bürger wohl ausstellen, sollte Sarkozy dennoch nicht übermütig werden lassen.'

Abschließend dazu der MÜNCHNER MERKUR:

'Was nachdenklich stimmen muss, ist, dass die Franzosen mit ihrer Wahlentscheidung bereits im ersten Durchgang eine noch vor kurzem lautstark geforderte Reform des politischen Systems zu Grabe getragen haben. Sie haben Sarkozy alle Macht gegeben, das zu Chirac-Zeiten noch angeprangerte Präsidialsystem weiter zu stärken. Sarkozy wird diese Steilvorlage ausnutzen.'