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Pressestimmen von Dienstag, 19. Juni 2007

Eleonore Uhlich18. Juni 2007

Wahlausgang in Frankreich / Streit um EU-Verträge

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Themen dieser Presseschau sind die Haltung Polens im Streit um eine Änderung der EU-Verträge sowie der unerwartet knappe Sieg der Konservativen bei der Parlamentswahl in Frankreich.

Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt/Oder resümiert:

'Am Ende hatte der französische Wahlmarathon dann doch noch seine Überraschung. Der klare Sieg der bürgerlichen Rechten stand zwar nie in Zweifel, aber die Sozialisten schnitten besser ab als erwartet. Aus der 'blauen Welle' Sarkozys ist kein alles verschlingender Tsunami geworden.'

In der Berliner TAGESZEITUNG taz lesen wir:

'Sarkozy hat eine Mehrheit, und er kann durch seinen Freund François Fillon regieren lassen. Doch der wird das nicht mit dem Tempo tun können, das er angekündigt hatte. Und er hat ein Problem mit der parteiinternen Machtbalance: Trotz des demonstrativen Umstiegs aufs Fahrrad ist der designierte Umweltminister Alain Juppé nicht gewählt worden und kann deshalb nicht Superminister werden. Juppé ist der Häuptling des Chirac-Flügels in der Partei. Ohne diesen oder gar gegen diesen kann kein Präsident und kein Premierminister regieren. '

Der Bonner GENERAL-ANZEIGER beleuchtet die Gründe für das Wahlergebnis und kommt zu dem Schluss:

'Ein wenig sind Frankreichs Konservative am Sonntag freilich auch über die eigenen Füße gestolpert. Die Debatte über eine höhere Mehrwertsteuer, die nach deutschem Vorbild dazu dienen soll, die Lohnnebenkosten zu senken, traf die verschreckte Wählerschaft völlig unvorbereitet, bot vor allem den Sozialisten den lang erhofften Hebel, Sarkozys Reformkurs insgesamt als unsozial zu brandmarken. Von oben herab, ohne Debatte und ohne überzeugende Argumente, lässt sich auch im Sarko-euphorischen Frankreich wenig durchsetzen.'

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU hebt einen anderen Aspekt hervor:

'Prinzipieller noch als die soziale Gerechtigkeit, die da an den Urnen eingefordert wurde, ist der Wunsch nach einem starken Gegengewicht. Das französische Präsidialsystem gibt dem Staatschef ohnehin eine Machtfülle, die in Europa einzigartig ist. ... Frankreichs Wähler haben klug entschieden und sich für ein stärkeres Korrektiv ausgesprochen.'

Die MITTELBAYERISCHE ZEITUNG aus Regensburg befasst sich mit den französischen Sozialisten:

'In Wahrheit stehen die Sozialisten vor einem inhaltlichen und organisatorischen Scherbenhaufen. Das Gerangel um den Parteivorsitz, die Grabenkämpfe um die strategische Ausrichtung und der schon fast krankhafte Ehrgeiz der unterlegenen Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal sind nicht gerade dazu angetan, der Partei den Weg in die Zukunft zu weisen. Die Linke muss sich dringend erneuern ideell und personell. Sie muss ihr angestaubtes Denken den Erfordernissen des 21. Jahrhunderts anpassen und beispielsweise endlich anerkennen, dass die Globalisierung nicht mehr abgeschafft werden kann', unterstreicht die MITTELBAYERISCHE ZEITUNG.


Im Streit um die Änderung der EU-Verträge ist weiterhin keine Einigung in Sicht. Ein Regierungssprecher in Berlin sprach sogar von einem ernsten Problem. Die Haltung Polens stößt denn auch bei den meisten Kommentatoren auf Unverständnis.

Die KIELER NACHRICHTEN meinen:

'Warschau gegen den Rest der EU: Das kann nicht gut gehen. Die Polen schaden mit ihrer Brachialpolitik vor allem sich selbst. Und sie bringen Kanzlerin Merkel in eine höchst unangenehme Position. Wie soll sich die Ratspräsidentin für polnische Interessen einsetzen, wenn diese so offensichtlich egoistischen Motiven entspringen? Das Schlimmste wäre, wenn sich die anderen Regierungschefs jetzt von den polnischen Hitzköpfen anstecken ließen. Man kann beiden Seiten nur raten: Haltet den Ball flach.'

Der MANNHEIMER MORGEN konstatiert:

'Mit ihrem Starrsinn sind die Polen völlig isoliert, was ihrem Ego allerdings nicht schadet. Sollten sie jedoch beim Veto bleiben, dann wird nicht nur der europäische Einigungsprozess Schaden nehmen, sondern auch Warschau einen hohen Preis dafür bezahlen: Es manövriert sich selbst an den Rand Europas. Die EU-Gründungsväter hatten aus der europäischen Tragödie gelernt und ein gemeinsames Dach für die Zukunft gezimmert. Solange die Polen aber nur die alten Geister beschwören, werden sie die Kellerkinder bleiben.'

Der WESTFÄLISCHE ANZEIGER aus Hamm merkt an:

'Diplomatie hat ihre Grenzen. ... Wäre es wirklich eine persönliche Niederlage, wenn Angela Merkel eine Einigung über die Stimmrechte in EU an Portugal weiterreichen würde: als Signal, dass diese EU nicht erpressbar ist? Diplomatie darf nicht zum Knebel werden. Und sie muss der europäischen Union die Chance lassen, einen Bremser wie Polen daran zu erinnern, dass Europa sehr wohl offene Türen hat. Nach innen wie nach außen.'

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG schlägt dagegen verschiedene europäische Integrationsmodelle vor:

'Jene EU-Staaten, die das wünschen, müssen sich zu einem solchen Kerneuropa zusammen schließen dürfen. Jene aber, die, wie Polen, möglichst viel Souveränität behalten möchten, sollten nicht genötigt und bestochen werden, mehr aufzugeben, als ihnen lieb ist. Der EU-Grundsatz 'Alle oder keiner' wird den Bedürfnissen der Staaten und Völker offensichtlich nicht länger gerecht. Er hemmt die Erfolgsgeschichte Europas und führt in die Dauerkrise...'

Abschließend das Fazit der Zeitung FRÄNKISCHER TAG aus Bamberg:

'Die EU steht also wieder einmal vor einem Krisengipfel. ... Doch möglicherweise hätte ein Scheitern dieses Gipfels seine positiven Seiten. Dann würde klar, wer in Europa wie viel Europa akzeptiert. Polen könnte sich selbst ausgrenzen und die Schuld den Deutschen geben. Die anderen Staaten werden ihre eigenen Konsequenzen ziehen. Und dann aufbrechen zu anderen Ufern, die bislang niemand wollte: am Horizont steht das Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten und damit die Rückkehr zum alten Kern der EU.'