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Pressestimmen von Dienstag, 20. September 2005

Günther Birkenstock 19. September 2005

Wahlwirren, Regierungskoalition

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Die Kommentatoren der deutschen Tageszeitungen beschäftigen sich auch am Dienstag vor allem mit den durch die Bundestagswahl entstandenen politischen Wirren und Möglichkeiten:

Die WESTFALENPOST aus Hagen schreibt:

"Was war mit Schröder los? Was wird aus Merkel? Die Folgen der Wahl sind in den Familien, in Büros und in Kneipen zum großen Gesprächsthema geworden. Fast jeder hat etwas gesehen oder gelesen, worauf es keine klaren Antworten gibt. Das Besondere an diesem Tag 1 nach dem Tag X: Auch die Politiker in Berlin wissen es nicht genau. ... Das neue Regierungsschiff ist noch nicht in Sicht, wohl aber die schwere See."

Die SÜDWESTSPRESSE aus Ulm empfiehlt Nüchternheit, die Lage sei schwierig, aber nicht unlösbar:

"Die Wahlen haben eine schwierige Situation herbeigeführt, und einige Politiker versuchen, daraus ein Desaster erblühen zu lassen. Der Marktplatz vor den Koalitionsverhandlungen gleicht einem Tollhaus. Die zweitstärkste Kraft besteht darauf, den Kanzler zu stellen, obwohl SPD und Grüne nur weiterregieren können, wenn sie die PDS oder die FDP an Bord holen. Der Glaube an ein Umfallen der FDP muss da sehr groß sein, allein, sie wird diesmal nicht fallen. Auch, weil man nicht weiß, welcher Gerhard Schröder gewählt wurde: der harte Hund von Agenda 2010 und Hartz IV oder der soziale Schmuse- und Bange-mach-Kanzler des Wahlkampfs?"

Die WESTFÄLISCHE RUNDSCHAU aus Dortmund warnt vor der Option Gerhard Schröder könnte sich, um die Macht zu erhalten, an die LinksPartei schmiegen:

"So bliebe Schröder nur noch die Option, sich vom Bundestag im dritten Wahlgang - mit den Stimmen der Linkspartei - zum Kanzler wählen zu lassen. Er hätte dann zwar keine Mehrheit, aber Zeit gewonnen. Und wenn er dann die erste Abstimmung über ein wichtiges Projekt verliert, kann er den Bundespräsidenten, wie gehabt, um die Auflösung des Bundestages und Neuwahlen bitten. Dann wird eben erneut gewählt. Es wäre ein Spiel mit höchstem Risiko. Noch hat die SPD diese Chance. Soll sie sie aufgeben für die vage Hoffnung, Schröder allein werde es schon nochmal packen?"

Die STUTTGARTER NACHRICHTEN widmet sich vor allem Angela Merkel. Von ihr hänge das jetzige Schicksal und die Zukunft der CDU ab:

"Jetzt muss Merkel der Union beweisen, dass sie das Zeug zur Kanzlerin hat. Dass sie nicht schon als Regierungschefin gescheitert ist, ehe sie richtig begonnen hat. Sollte der angeschlagenen Merkel das nicht gelingen, stürzte sie die CDU in eine tiefe Sinn- und Führungskrise, die der SPD in einer großen Koalition wie bei einer Neuwahl weitere Pluspunkte bescheren dürfte."

Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt an der Oder sieht für die Zukunft vor allem schädliche Machtkämpfe der Politiker voraus:

"Die Deutschen haben am Sonntag zwar gewählt, eine klare Entscheidung hingegen haben sie nicht getroffen. ...Zu erwarten ist damit eher Unappetliches: Machtkämpfe, Personalgeschacher, windige Kompromisse."

Die TAZ aus Berlin zieht ein klares Fazit. Wenn sich beide Spitzenkandidaten für das Kanzleramt zurückziehen, hat Politik wieder eine Chance:

"Was Schröder immerhin erreicht hat, ist ein Zustand der gegenseitigen Blockade. In diesem Spiel versuchen beide Seiten, mit kuriosen Planspielen von Ampel bis Schwampel ihre Position zu stärken. Eine Lösung wird es nur geben, wenn beide Aspiranten auf das Kanzleramt am Ende zurückweichen. Dann hat Schröder immerhin Merkel verhindert und damit einen letzten Triumph errungen. Und nicht der Kanzler, sondern die Kandidatin steht als gescheitert da."