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Pressestimmen von Dienstag, 29. Januar 2008

Eleonore Uhlich28. Januar 2008

Ausgang der Landtagswahl in Hessen

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Die Landtagswahl steht weiter im Blickpunkt der deutschen Tageszeitungen. Die Kommentare beschäftigen sich dabei vor allem mit Hessen. Nach dem knappen Ergebnis kommt dort ein langwieriger Koalitionspoker auf CDU und SPD zu. Denn ebenso wie in Niedersachsen ist nunmehr auch die Linke als fünfte Kraft im Wiesbadener Landtag vertreten.

Das in Düsseldorf erscheinende HANDELSBLATT fordert:

"Deutschland muss neu vermessen werden. Das Erdbeben der beiden Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen hat die politische Tektonik verschoben. Von links gab es einen kräftigen Schub. Nun stolpert die SPD umher und sucht mühsam als linke Volkspartei wieder einen festen Stand. Die Union dagegen macht sich auf die Suche nach der verlassenen Mitte Deutschlands. Abgesehen vom Abwatschen des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch ist das wohl das frappierendste Ergebnis der Wahlen: Erstmals ist die Linke in gleich zwei westdeutschen Flächenländern ins Parlament eingerückt. Damit ist das einst geeinte linke Lager endgültig in drei Parteien zerfallen: SPD, Grüne und Linkspartei."

Das Kölner Boulevardblatt EXPRESS konstatiert "Katerstimmung in Hessen" und führt aus:

"Wer das Land künftig regieren wird, ist völlig unklar. Noch bestimmen gegenseitige Animositäten und parteitaktische Spielchen das durch den Wahlkampf vergiftete politische Klima. Neinsager geben den Ton an - und man hat den Eindruck, als wären die Wahllokale schon wieder geöffnet.Hessen wirkt momentan wie ein großes Schlachtfeld, auf dem auch die Bundesspitzen der Parteien ihre Geschütze in Stellung gebracht haben. Hier wird schon kräftig geübt für den Bundestagwahlkampf im nächsten Jahr. Deswegen traut sich vorerst keiner aus der Deckung. Aber sie werden sich bewegen müssen. Das Wahlergebnis ist nun einmal so, wie es ist. Die demokratischen Parteien - gleich welcher Schattierung - sollten schließlich nicht nur sich selbst, sondern in erster Linie ihrem Land verpflichtet sein."

Der NORDBAYERISCHE KURIER aus Bayreuth merkt an:

"Hessen unregierbar? Kaum. Rein rechnerisch ist vieles möglich. Und wir wollen Findungsreichtum und Ideenkraft der Politik nicht unterschätzen. Mit dem Hinweis auf die große staatsbürgerliche Verantwortung und die Erwartungen der Wähler, aus deren Votum eine handlungsfähige Regierung abzuleiten, wird schließlich ein Regierungsbündnis zustande kommen, in dem die eine oder andere harte Wortwahl vergangener Tage relativiert wird. Politik ist eben auch die Suche nach Mehrheiten, nicht der schnelle Ruf nach Neuwahlen. Und dauerndem Liebeswerben konnte sich schon bislang mancher spätere Koalitionspartner nicht entziehen."

Die STUTTGARTER ZEITUNG beleuchtet die Haltung der FDP:

"Wer wie die Liberalen Rot-Rot-Grün für Teufelswerk hält, der muss sich mit dem Gedanken anfreunden, auch einmal neue Konstellationen als nur die schwarz-gelbe zu wagen. Und das hieße in einem Fünfparteiensystem: die Koalitionsfrage muss offener bleiben. Das gilt umgekehrt auch für die Grünen, wenn sie nicht regelmäßig die womöglich stärkste Partei wie nun in Hessen von der Macht ausschließen wollten. Denn käme es so, nähme mit Sicherheit die Demokratie in Deutschland langfristig Schaden. Die Parlamente werden offensichtlich auch in Deutschland bunter, das erfordert neue politische Farbenspiele. Andere europäische Demokratien mit langer Tradition haben es vorgemacht, und der Blick dahin zeigt, dass nicht alles gleich im Chaos enden muss, wenn sich überraschende Bündnisse bilden."

Auch die FRANKFURTER RUNDSCHAU blickt auf die Liberalen und befasst sich mit der so genannten Ampel-Koalition:

"SPD und Grüne setzen zu Recht auf diese Variante, die FDP täte gut daran, sie nicht zu verwerfen. Inhaltlich wäre auf dem Felde der Kochschen Unanständigkeit, der Innenpolitik, eine Wende zu mehr Liberalität gesichert. Bleibt die FDP hart, dann sieht die Alternative für Hessen traurig aus. Koch wird am Amt kleben und Ypsilanti vor sich hertreiben nach dem Motto: Entweder du kommst in die große Koalition, oder du brichst dein Wort und lässt dich von den Linken wählen. Ist es denkbar, dass eine liberale Partei da monatelang mitspielt, um der Partei eines Illiberalen zu gefallen?"

Der TAGESSPIEGEL schließlich glaubt:

"Verfahren, wie die Lage in Hessen ist, wird das übliche Pokern nicht weiter führen. Um das Land vor einem ermüdenden, die Bürger abstoßenden Spiel zu bewahren und den Blick nach vorn zu richten, braucht es einen gewagten, großen Zug. Die CDU könnte ihn tun. Kein Bauernopfer, sondern die Großmeister-Variante: Sie muss Roland Koch zurückziehen und mit einem neuen Mann eine große Koalition anbieten. Mit dem Ziel, aus der Selbstfesselung, in die sich Parteien und Wähler gebracht haben, auszubrechen. Denn: Das Land, eines der wirtschaftlichen und finanziellen Kraftzentren der Republik, muss regiert werden. Es darf seine Potenz nicht verspielen."