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Pressestimmen von Dienstag, 5. Dezember 2006

Ulrike Quast 5. Dezember 2006

Proteste gegen Gesundheitsreform / Forderungen nach mehr Lohn

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Mit bundesweiten Aktionen haben Ärzte, Apotheker und Pflegekräfte gegen die geplante Gesundheitsreform der großen Koalition protestiert. Die Tagespresse kommentiert die Geduldsprobe für die Patienten und die vermuteten Motive der Reformgegner.

Zunächst ein Blick in die WESTDEUTSCHE ZEITUNG aus Düsseldorf:

"Den Protest gegen die Gesundheitsreform auf dem Rücken der Kranken, also der Schwächsten, auszutragen, dürften die meisten Menschen als wenig honorig empfinden, zumal es vor allem um eins geht: Mehr Geld. Natürlich ist die Gesundheitsreform verkorkst. Die Kassenbeiträge steigen. Und wenn sie das eines Tages nicht mehr tun, weil der Staat dirigistisch die Sätze festlegt, könnte sich die Versorgung verschlechtern. Niemand weiß, ob aus dem Gesundheitsfonds langfristig eine Kopfpauschale gezimmert wird oder eine Bürger- Zwangsversicherung. Dass Ärzte und Apotheker das laut und deutlich sagen, ist legitim. Doch geht es ihnen dabei wirklich in erster Linie um die Patienten?"

Die LANDSHUTER ZEITUNG fragt: "Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte? Nicht, wenn es um die Gesundheitsreform geht. Wenn Arztpraxen und Apotheken aus Protest gegen die Pläne der großen Koalition geschlossen bleiben, trifft es wieder einmal die Patienten. Dennoch dürfte es bei ihnen gestern viel Verständnis für die Streiks gegeben haben. Denn dass mit der Gesundheitsreform etwas nicht stimmt, hat außerhalb von Regierung und Koalition mittlerweile jeder begriffen."

Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG ist der Ansicht:

"Sicher ist, dass diese Reform nicht in den Untergang führen wird. Sie wird dem Patienten weh tun - der sich übrigens noch kaum zu Wort gemeldet hat - sowie Ärzten, Apothekern, Krankenhausbetreibern. Sie wird die Macht der Kassen beschneiden. Aber Kassen und Ärzte- vereinigungen haben es leider auch nicht vermocht, einen substanziellen Reformbeitrag zu leisten."

Das MAIN-ECHO aus Aschaffenburg kommentiert: "Bevor Ärzte und Apotheker weiter die Patienten in Geiselhaft nehmen, sollten sie sich mal selber an die Nase fassen. Jeder weiß von der Bevorzugung von Privatpatienten, unnötigen und überflüssigen Behandlungen oder von der Pharma-Industrie finanzierten Lustreisen, die als Seminare getarnt sind. Auch für Ärzte und Apotheker gibt es kein Grundrecht auf ständig steigende Einkommen."

Im Berliner TAGESSPIEGEL heißt es:

"Im Grunde ist es ein gutes Zeichen, wenn beide Seiten schreien, die Leistungserbringer und die, die sie bezahlen. Gleichzeitig sollte man keinem Arzt unterstellen, dass er jetzt nur protestiert, weil es nicht mehr für den Porsche reicht. Da ist ebenso viel echte Existenzangst wie Sorge ums Patientenwohl. Dabei sind die jetzigen Verteilungskämpfe nur ein Vorspiel. Nach der Reform ist vor der Reform. Bisher wagt keiner wirklich zu sagen, was demografischer Wandel und medizinischer Fortschritt bedeuten werden. Die Debatte darüber, welches Gesundheitssystem wir uns künftig leisten können, wollen und müssen, hat noch nicht begonnen."

Die Rufe, vor allem aus der SPD, nach höheren Löhnen sind ein weiteres Thema der Kommentare der deutschen Tagespresse.

Die LÜBECKER NACHRICHTEN schreiben hierzu:

"Wer will, dass unsere heimische konjunkturelle Klimaerwärmung anhält, muss für hiesigen Brennstoff sorgen sprich, Otto Normalverbraucher seinen Anteil am Aufschwung zugestehen. Der Staat könnte das, indem er zumindest auf einen Teil seiner Belastungspläne verzichtet was er nicht will. Die Wirtschaft könnte es durch spürbar höhere Löhne die sie ablehnt. Aber Moment: Was stand noch mal am Anfang dieses Aufschwungjahres, das den Unternehmen Supergewinne brachte und Staat und Sozialversicherungen vollere Kassen? Ach ja: Deutlich höhere Löhne sowie der Verzicht auf staatliche Mehrbelastungen. Lernt jemand daraus? Offenbar nicht und so bleibt der Aufschwung eine Zitterpartie."

In der KÖLNISCHEN RUNDSCHAU lesen wir:

"Angemessen sollen die Löhne steigen. Das fordern Gewerkschafter, und das findet die Zustimmung von SPD-Chef Kurt Beck über Finanz- minister Peer Steinbrück bis hin zum Arbeitgeberlager. Spannend wird es allerdings, wenn definiert werden muss, was unter angemessen verstanden werden soll. Das geschieht demnächst in Tarif- verhandlungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, so dass Beck und Steinbrück gut daran getan haben, vage zu bleiben. Eine Hausnummer hat bislang nur die IG-Metall genannt. Fünf bis sieben Prozent mehr Lohn will sie fordern. Das klingt nach einem kräftigen Schluck aus der Pulle."

Die ABENDZEITUNG aus München meint:

"Die vorgezogenen Käufe wegen der höheren Mehrwertsteuer zeigen, wie der Konsum die Wirtschaft ins Laufen bringen kann. Schlecht können höhere Löhne daher nicht sein. Und selbst wenn man sich über ihre Wirkung auf den Aufschwung streiten kann: Gerecht wären kräftige Lohnsteigerungen allemal. Die Beschäftigten haben lange genug darauf verzichtet."

Die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG sieht einen Schaukampf nach dem Motto:

"Wer vertritt die Arbeitnehmerinteressen besser? Muss das, was sie fordern, noch nicht falsch sein. Zum Beispiel der Ruf nach höheren Löhnen. Nur wird Lohnpolitik natürlich nicht im SPD-Präsidium, sondern von den Tarifparteien gemacht. Was ja auch einen Sinn ergibt. Denn was die boomende Exportindustrie derzeit ohne Probleme verkraften kann, könnte dem Handel, aber auch dem Gewerbe die Existenzfrage stellen. Wie immer natürlich zuerst die der beruflichen Existenz vieler Beschäftigten. Differenzierung ist daher angesagt."

Abschließend ein Auszug aus der NÜRNBERGER ZEITUNG:

"Die Forderungen der Gewerkschaften, die Löhne um fünf bis sieben Prozent anzuheben, sind vor allem Tarifpolitik. Aber das, was letztlich in den Lohntüten hängen bleibt, sollte nicht den Anschein erwecken, ein Almosen zu sein. Nur so jedenfalls würden die Unternehmer die richtigen Signale aussenden: Dass man langfristig an eine günstige Entwicklung glaubt und so die Kaufkraft weiter stärkt. Dass die Vorstände nicht nur an sich selbst denken. Und dass es nicht aus der Mode gekommen ist, Versprechen zu halten."