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Pressestimmen von Dienstag, 6. Juni 2006

Marko Langer5. Juni 2006

Koalition und Hartz IV / Iran und das Öl

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Der Krach in der großen Koalition ist weiterhin das Kommentarthema Nummer eins. Einige Ministerpräsidenten der Union haben erkennen lassen, dass sie mit den Nachbesserungen am Arbeitsmarktpaket 'Hartz IV' nicht einverstanden sind.

DER TAGESSPIEGEL aus Berlin meint dazu:

"Die Flitterwochen sind längst vorbei und dagegen ist nichts einzuwenden. Doch die politischen Akteure der großen Regierungskoalition führen ein seltsames Schauspiel vor: Wo der Übergang zur handfesten Arbeit - Gesundheit, Föderalismus, Unternehmensteuerreform - fällig und vielleicht auch Krach vonnöten wäre, macht sich dieses Zweckbündnis auf den Weg zurück. Die Koalition führt nicht Szenen einer Ehe auf, sie probt den Rückfall in die Pubertät."

Der GENERAL-ANZEIGER aus Bonn fragt nach den Motiven für den Vorstoß der Ministerpräsidenten. Zitat:

"Politisch entscheidend ist, dass sich die meisten Unionsländer- Ministerpräsidenten erstmals in der großen Koalitions-Geschichte gegen die Regierungspolitik und damit die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende auflehnen. Angela Merkel hat damit vor dem Hintergrund rapide fallender Umfragewerte ein erstes innerparteiliches Autoritätsproblem auch gegenüber jenen Ministerpräsidenten zu lösen, die wie Roland Koch oder Christian Wulff zu ihren Kritikern zählen."

Die LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus fragt schon:

"Wie viel Opposition steckt in der Union? Jedenfalls mehr, als Angela Merkel lieb sein kann. Auch wenn die Botschaften aus einigen schwarzen Provinzen mittlerweile versöhnlicher klingen - über den vom Bundestag beschlossenen Hartz-IV-Korrekturen schwebt das Damoklesschwert der Blockade durch die Länderkammer."

Angesichts dieser Gefahr widmet sich die MITTELBAYERISCHE ZEITUNG aus Regensburg dem Verhältnis zwischen Kanzlerin und Vize-Kanzler.

"Müntefering ist der Unions-Kanzlerin nicht aus lauter Nächstenliebe beigesprungen und hat Respekt für die Unions-Frau eingefordert, sondern aus purer Not. Er weiß, wenn sich die Kritik an der moderaten und moderierenden Kanzlerin verfestigt, könnte dies Merkel noch stärker unter Druck setzen, die Koalition ins Wanken bringen und möglicherweise die SPD die Teilhabe an der Macht kosten."

Die LANDSHUTER ZEITUNG warnt davor, den Vorgang zu unterschätzen:

"Wer das auf die leichte Schulter nimmt und als Reaktion auf persönliche Profilierungsbemühungen einiger CDU-Landesfürsten zu verharmlosen sucht, vergisst den Anfang vom Ende der politischen Karriere des christdemokratischen Wirtschaftswundervaters Ludwig Erhard. Als dem Amtsnachfolger von Bundeskanzler Konrad Adenauer das ökonomische Glück abhanden kam, begannen jene Stänkereien der den Verlust ihrer Macht fürchtenden CDU-Kommandeure, an deren Ende Erhard resignierte."

Themawechsel. Im Atomstreit mit den USA hat die iranische Führung erstmals damit gedroht, den Ölhahn zuzudrehen. Die Äußerungen des geistlichen Oberhaupts des Landes, Ayatollah Chamenei, dämpften die Hoffnungen auf Annäherung. Denn zuvor hatten die Veto-Mächte im UN-Sicherheitsrat und Deutschland dem Iran ein Paket mit Anreizen für den Fall in Aussicht gestellt, dass das Atomprogramm gestoppt werde.

Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt an der Oder schreibt:

"Eigentlich haben die Mullahs nichts Besonderes mitgeteilt, aber es reichte für einen neuerlichen Anstieg des Ölpreises. Natürlich würde ein US-Militärschlag gegen den Iran die weltweite Ölversorgung erheblich beeinträchtigen, übrigens auch ohne Zutun Teherans. Da rund 80 Prozent des iranischen Haushalts vom Erdöl abhängen, besteht ein wechselseitiges Interesse, es nicht zum Äußersten kommen zu lassen. Präsident Ahmadinedschad pocht auf das im Kernwaffensperrvertrag verbriefte Recht auf Urananreicherung zu zivilen Zwecken. Für einen militärischen Missbrauch gibt es nur Indizien, keine Beweise. Entsprechend hoch wird der Preis sein, zu dem die Mullahs einlenken."

Der KÖLNER STADT-ANZEIGER meint:

"Auch wenn iranische Regierungsvertreter bisher stets betont hatten, das Öl nicht als Waffe im Atomstreit einsetzen zu wollen - so völlig überraschend ist die Warnung des Ayatollah Ali Chamenei nicht. Je mehr Teheran sich in die Enge getrieben sieht, desto verzweifelter werden die Versuche, sich gegen den internationalen Druck zur Wehr zu setzen. Glaubhaft wirkt das nicht unbedingt."

Die WESTDEUTSCHE ZEITUNG aus Düsseldorf stellt fest:

"Gewiss richtet sich die Drohung in erster Linie an die USA, die als einzige immer wieder mit einem Militärschlag gegen Irans Atomanlagen kokettieren. Doch es handelt sich wohl eher um psychologische Kriegsführung. Militärische Abenteuer, die sich auf Mutmaßungen gründen, könnte das Weiße Haus in der US-Öffentlichkeit nicht mehr vertreten. Denn letztlich herrscht über den wahren Hintergrund des iranischen Nuklearprogramms ebenso wenig Gewissheit wie seinerzeit über Saddams angebliches Arsenal an Massenvernichtungswaffen."

Der in Hamm erscheinende WESTFÄLISCHE ANZEIGER zweifelt an der Ernsthaftigkeit der Drohung Chameneis:

"Dass die Hardliner ernsthaft einen Stopp der Erdöl-Exporte erwägen, steht kaum zu befürchten. Nicht nur würde in ihrem Land mit den Öllieferungen die wichtigste Einnahmequelle versiegen. Darüber hinaus würde Teheran mit China, dem Hauptabnehmer iranischen Öls, auch einen der letzten Fürsprecher für das iranische Ansinnen ziviler Atomkraft-Nutzung im Weltsicherheitsrat verprellen. Die Gefahr internationaler Wirtschaftssanktionen stiege um ein Vielfaches."