1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Pressestimmen von Dienstag, 6. März 2007

Herbert Peckmann5. März 2007

Neue Töne aus Peking / EU-Streit um Klimapolitik

https://p.dw.com/p/9xjA
Die deutsche Tagespresse geht mit ihren Kommentaren auf die deutschen Bemühungen ein, eine gemeinsame EU-Klimapolitik auf den Weg zu bringen. Ein weiteres Thema sind die neuen Töne, die vom chinesischen Volkskongress in Peking zu hören sind. Ministerpräsident Wen kündigte dort eine größere Beachtung des Umweltschutzes beim Wirtschaftswachstum des Landes an.

Dazu meint der TAGESSPIEGEL aus Berlin:

"Mit Sozialismus hat das schon lange nichts mehr zu tun. China ist eine ideologiefreie Entwicklungsdiktatur, angeführt von einer kleinen Elite. Diese Regierungskader sind gut ausgebildet und lassen sich professionell beraten. Das Problem ist auch nicht,dass die Regierung eine falsche Politik verfolgt – ihre Finanz- und Industriepolitik könnte kaum besser sein. Der Fehler liegt im System: Chinas Gesellschaft ist längst zu vielschichtig, als dass man sie wie einst von oben regieren könnte."

Für das Düsseldorfer HANDELSBLATT hat sich China "mächtig" verändert. Das Blatt stellt fest:

"Mit raubtierartiger Kraft hat sich ein entfesselter Kapitalismus Bahn gebrochen. Die wirtschaftlichen Dogmen von Marx und Lenin haben die Nachfolger des Staatsgründers Mao Zedong schnell über Bord geworfen. Reich zu werden ist nicht Makel, sondern Gebot der Stunde. Doch die neuen Freiheiten enden immer noch an der gleichen Stelle: dort, wo die Kommunistische Partei ihre Macht gefährdet wähnt. Von Gerechtigkeit Grundprinzip einer sozialistischen Marktwirtschaft, die China zu sein vorgibt keine Spur."

Die FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND kommentiert:

"China ergrünt. Nachdem das Wirtschaftswachstum lange fast ohne jede Rücksicht auf Natur und Umwelt vorangetrieben wurde, hat Ministerpräsident Wen Jiabao jetzt bei der Eröffnung des Nationalen Volkskongresses ein deutliches Zeichen gesetzt. Das Gewicht, das er dem Thema Umweltschutz gab, lässt darauf schließen, dass es der Führung ernst ist mit einem neuen Kurs, der die Ressourcen besser schont. ... Von einer aktiven Beteiligung am Klimaschutz ist China allerdings dennoch weit entfernt."

Dem WESTFALEN-BLATT aus Bielefeld fällt auf:

" Nicht ein Wort vom Klimawandel kam gestern Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao über die Lippen, und dennoch warnte er vor übermäßigem Energieverbrauch. Bemerkenswert. Folgt der unseligen Kulturrevolution und dem gigantischen Boom des Staatskapitalismus die Öko-Wende? Wohl kaum. Chinas Energieverzehr steht erst am Anfang. Dennoch ist das selbstkritische Wort aus dem allmächtigen Politbüro ein Hoffnungsschimmer."

Und die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG kritisiert:

"Eine Begrenzung der Emissionen lehnt Peking kategorisch ab, sie könnte die wirtschaftliche Entwicklung Chinas bremsen. ... Lediglich zur Verbesserung der Energieeffizienz fühlt sich Peking verpflichtet. Doch selbst dieses vorsichtige Ziel wurde im vergangenen Jahr verfehlt."


Themenwechsel: Nach dem offenen Streit über die EU-Klimapolitik beim Außenminister-Treffen in Brüssel rechnet der deutsche Ressortchef Steinmeier mit schwierigen Verhandlungen beim Gipfel am Wochenende. Die OSTSEE-ZEITUNG aus Rostock fragt:

"Ist das Glas halb voll? Oder halb leer? Das Glas ist fast leer. Es gibt keinen Spielraum mehr zum Zaudern. Es muss gehandelt werden. Doch was geschieht in Deutschland beim Thema Klimaschutz? Der politische Hühnerhaufen gackert ... . Es geht um Förderung zukunftsweisender Technologien. Die Entwicklung eines globalgrünen Ideenwettbewerbs. Da sollte Deutschland Weltmotor werden. Global, innovativ, grün, ökonomisch sinnvoll made in Germany!"

Die Berliner TAZ mahnt:

"Umweltfolgen werden derzeit viel zu selten in betriebswirtschaftliche Kostenrechnungen einbezogen. Sie fallen aber früher oder später als Kosten an. ... Wer in einer Marktwirtschaft den Ausstoß von Treibhausgasen senken will, muss ihn so langer teurer machen, bis er tatsächlich weniger wird. ... Einige EU-Länder wollen jetzt offenbar eine Einigung auf treibhausgaswirksame Verpflichtungen verhindern - und schon gar nicht Vertragsstrafen im Falle eines Versagens akzeptieren. Das zeichnet sich vor dem EU-Klimagipfel am kommenden Wochenende ab. Dann sollte die Bundesregierung getrost vorangehen."

Für die Kölner Boulevardzeitung EXPRESS legt Kanzlerin Merkel die Klimaschutz-Latte in der EU sehr hoch. Das Blatt konstatiert:

"Um sie zu überspringen, bedarf es gigantischer Kraftanstrengungen und vor allem Stehvermögen in der Auseinandersetzung mit Lobbyisten. Alle wissen, was auf dem Spiel steht aber anders als früher reagieren die Menschen sensibler auf die Veränderungen unserer Umwelt und das nicht nur in Diskussionen. Sie handeln. So wollen 76 Prozent der EU-Bürger ihren Energieverbrauch drosseln. ...Jetzt kommt es darauf an, den Druck auf die Entscheidungsträger weltweit zu erhöhen. Mit dem kleinsten gemeinsamen Klima-Nenner sollte sich niemand mehr ohne Widerspruch abspeisen lassen."

Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt/Oder sieht die Entwicklung skeptisch:

"Die Zielvorgaben für die Reduktion des Klimakillers CO2, die im Vorfeld kursieren, sind in der Tat beeindruckend. Allerdings wiederum so sehr, dass Zweifel angebracht sind, es könnte tatsächlich zu einer verbindlichen Vereinbarung kommen."

Schließlich meint die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aus München:

"Das derzeitige Stimmungsklima ist eine große Chance, nicht nur in Europa auch in den USA. Wenn diese Chance nicht ergriffen wird, haben die Skeptiker recht. Es müsste dann erst noch schlimmer kommen, aber auch das ist klar: Je später das Umsteuern erfolgt, desto schmerzlicher wird es für alle."