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Pressestimmen von Donnerstag, 13. März 2008

Martin Muno12. März 2008

Bundeswehr – „Folter“-Urteil

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Sechs frühere Ausbilder der Bundeswehr wurden verurteilt, weil sie Rekruten in einer Coesfelder Kaserne misshandelt hatten. Ein Urteil, das von den Leitartiklern der deutschen Tagszeitungen mehrheitlich begrüßt wird.

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU kommentiert:

„Gut so. Das Urteil im Coesfeld-Prozess zeigt den Bundeswehr-Ausbildern und deren Vorgesetzten ihre Grenzen auf. Nein, es kann nicht zur Ausbildung von Bürgern in Uniform gehören, sie zu quälen oder zu misshandeln, um sie damit angeblich auf einen Auslandseinsatz vorzubereiten. Dass die Täter nun verurteilt wurden, ist der gute Teil der Nachricht. Der schlechte: Die Armee im Einsatz hat es nicht selbst geschafft, solch einen Fall zu verhindern. Schließlich gab es Hinweise, dass etwas faul ist in der Bundeswehr. Was also ist zu tun? Zunächst darf niemand den Fall Coesfeld verharmlosen. Auch darf nicht argumentiert werden, Fälle wie in Coesfeld ließen sich nicht verhindern. In Kasernen darf kein Raum sein für Misshandlung oder Schikanen. Die Soldaten sollten gut ausgebildet, aber nicht auf Grausamkeit trainiert werden.“

In der Berliner TAGESZEITUNG (taz) lesen wir:

„Die meisten Rekruten fanden die Übung 'geil'. Trotz Scheinhinrichtung, trotz Einfüllen von Wasser in Mund und Nase, das an das vom US-Geheimdienst CIA bekannte „Waterboarding" erinnert, trotz Vorgesetzten, die sich wie "Großwildjäger" aufführten: 2004 hat kein einziger Rekrut der Coesfelder Freiherr-vom-Stein-Kaserne versucht, seine Ausbildung vorzeitig abzubrechen. Umso wichtiger ist die Signalwirkung der Freiheits- und Geldstrafen, die das Landgericht Münster gestern im größten Strafprozess der Geschichte der Bundeswehr verhängt hat. Sie machen jedem Offizier und Unteroffizier klar, dass Folter keinen Platz in der Rekrutenausbildung hat, dass die Bundeswehr zu keiner Söldnertruppe ohne moralische Standards werden darf.“

Die WELT fragt:

„Liegt die münsterländische Bundeswehrkaserne im beschaulichen Coesfeld in der Nähe des irakischen Quälgefängnisses Abu Ghraib? Oder doch dichter bei einem Erlebnispark? Die Frage wurde unterschiedlich beantwortet, seit im Herbst 2004 inszenierte Geiselnahmen und Verhöre von Bundeswehrrekruten für Schlagzeilen sorgten. Es hieß, Soldaten in der Grundausbildung seien gefoltert und mit Stromschlägen malträtiert worden. Aber manche Wehrpflichtige bewerten vor Gericht die Vorgänge so: 'Das war supergeil!'“

Und die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG bemerkt:

„Aus guten historischen Gründen ist die Bundeswehr, was die Rechte der Soldaten angeht, die zivilste Armee der Welt. Das ändert allerdings nichts daran, dass der Beruf des Soldaten keine Anstellung wie jede andere ist: Die Risiken und Zumutungen, die mit ihm verbunden sind, sind den Deutschen erst wieder bewusst geworden, seit die Bundeswehr in Auslandseinsätzen steht – in Regionen, wo andere Bedingungen herrschen als in einer Ausbildungskompanie. Darauf müssen Soldaten vorbereitet werden. Der Grat zwischen Schikanen und einer Härte, die für das Überleben notwendig ist, ist oft schmal. Abstürze wie in Coesfeld gibt es, aber sie sind die Ausnahme.“