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Pressestimmen von Donnerstag, 13. September 2007

Siegfried Scheithauer12. September 2007

Regierungswechsel in Moskau

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Viktor Subkow - dieser Name sagte selbst vielen Russen nichts. Die überraschende Nominierung des Leiters der Finanzaufsicht zum neuen russischen Regierungschef - als Nachfolger für den blassen Ministerpräsidenten Fradkow - beschäftigt auch zahlreiche Meinungsmacher der deutschen Tagespresse.

Der Moskauer Korrespondent der KÖLNISCHE RUNDSCHAU hat genau hingeschaut und schreibt:

'Mit der üblichen Inszenierung zeigte Putin seine ganze Macht. (...) Der vorgeblich erstaunte Staatspräsident nahm den 'freiwilligen' Rücktritt dankend an und zeichnete den persönlich erfolglosen, weil praktisch machtlosen Premier Fradkow prompt mit dem höchsten Verdienstorden aus. (...) Der Regierungswechsel verrät einmal mehr, wie das Regime von Putin funktioniert. Was andernorts als Willkür aufgefasst werden kann, gilt in Moskau als Beweis für beste Stabilität'.

Die LANDSHUTER ZEITUNG/STRAUBINGER TAGBLATT analysiert:

'Russlands Präsident ist dabei, die Weichen für die Zeit nach seinem Auszug aus dem Moskauer Kreml zu stellen. Bezeichnend ist keineswegs nur Putins Vorgehensweise beim Rücktritt von Regierungschef Fradkow, sondern auch die Wortwahl. Es gelte, 'die Struktur der Macht neu aufzubauen, um besser der Zeit vor den Wahlen gerecht zu werden'. Das heißt im Klartext: Putin und die anderen St.-Petersburg-Jungs richten das Politiksystem mit vorausschauenden Personalentscheidungen neu aus, damit bei den 2008er Wahlen nichts schief gehen und es für die 'herrschende Klasse' keine bösen Überraschungen geben kann.'

Die SÜDWEST-PRESSE aus Ulm sieht die Berufung Subkows als Probelauf für das Präsidentenamt, ein Amt selbstverständlich 'unter Putin', wie der Kommentator polemisch anmerkt:

'Seit langem werden als aussichtsreichste Kandidaten die bisherigen Vizeregierungschefs Iwanow und Medwedew gehandelt. Doch nun taucht ein - womöglich lachender - Dritter auf: Viktor Subkow, Leiter der Finanzaufsichtsbehörde, wurde von Putin nach dem von ihm inszenierten Rücktritt der Regierung des Michail Fradkow der Duma als Ministerpräsident vorgeschlagen. Subkow stammt aus der Seilschaft, die Putin einst in St. Petersburg knüpfte. Nun kann er beweisen, ob ihn noch mehr zum höchsten Amt befähigt.'

Der TAGESSPIEGEL aus Berlin bewertet die Seelenlage im Westen angesichts des Wechsels in Moskau:

'Interessant ist die Nervosität, mit der viele Europäer immer noch auf alle Aktivitäten des Kreml reagieren, diese Mischung aus Respekt, Romantizismus und Besessenheit, mit der die Politik Russlands verfolgt wird. Die Sowjetunion ist seit fast zwei Jahrzehnten tot, doch unser Blick gleicht bis heute oft dem des Kaninchens, das auf die Schlange starrt - so fasziniert wie ängstlich. Vielleicht stirbt diese Haltung ja langsam ab. (...) Angela Merkel, Nikolas Sarkozy und Gordon Brown sind weitgehend frei vom Verdacht der Kumpel- und Kungeldiplomatie. Sie blicken erfrischend nüchtern auf Russland - und wägen ab.'