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Pressestimmen von Donnerstag, 15. August 2002

Gerhard M Friese14. August 2002

Die Hochwasserkatastrophe und der Wahlkampf

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Die Flutkatastrophe in Bayern, Sachsen und Sachsen-Anhalt ist zum Wahlkampfthema geworden. Und zu dem beherrschenden Thema auf den Kommentarseiten deutscher Tageszeitungen.

So schreibt der BERLINER KURIER:

"Im Angesicht des Leids der Opfer verlangt der Kanzler eine Atempause im Wahlkampf. Doch längst hat das Hochwasser die Wahlkampfregie übernommen. Mit der Flut kam die Reisewelle der Politiker ins Katastrophengebiet. Aktionismus, der an das Märchen von Hase und Igel erinnert. Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, die alles verändern können. Damals beim Oder-Hochwasser wurden Helden geboren, auch unter Politikern. So kurz vor der Wahl könnten die Wassermassen Parteien hoch- oder wegspülen. Fatal, wenn nur diese Botschaft des Unwetters aufgegriffen würde. Denn da ist noch eine andere: Die Natur erinnert die Politik an ihre Verantwortung. Sie tut es auf eine grausame, machtvolle Art, vor der es (k)ein Entrinnen gibt."

Der NORDKURIER aus Neubrandenburg blickt auf den Kanzler:

"Kanzler Schröder bleibt sich selbst treu und ergreift die Chance, die ihm das Hochwasser bietet. Der Chef der SPD, deren Umfragewerte alles andere als berauschend sind, präsentiert sich als entschlossener Macher. Das fällt ihm um so leichter, weil die Union beim Thema Umwelt plötzlich von einer lähmenden Starre befallen ist. Und weil Edmund Stoiber, der Unionskanzlerkandidat aller Deutschen, den Fehler macht und lediglich nach Bayern ins Krisengebiet eilt. Ob Schröder den Spieß noch umzudrehen vermag, wird der 22. September zeigen. Doch egal, wer ins Kanzleramt ziehen wird, die Jahrhundertflut von Dresden, Grimma oder Passau wird auch den nächsten Regierungschef intensiv beschäftigen."

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU kümmert sich um den Kandidaten:

"Gäbe es in der Hochwasser-Krise einen Preis für Dreistigkeit, er ginge absolut konkurrenzlos an Angela Merkel. So viel Chuzpe muss man erst mal haben: zu behaupten, die Union habe in ihrem famosen Kompetenzteam keinen fürs Thema Umwelt aufgestellt, weil das doch die Sache von IHM persönlich, von Edmund Stoiber sei. Vom Umweltpolitiker Stoiber indes ist allenfalls erinnerlich, dass er 1. die Ökosteuer stoppen, 2. die Atomkraftwerke vielleicht nicht so schnell vom Netz nehmen und 3. den Umweltschutz bei Unternehmen zur freiwilligen Veranstaltung machen will. Im Wahlprogramm der Union macht das Thema Umwelt ein paar dürftige Zeilen aus. Wahrscheinlich, weil er eben alles im Kopf hat und man es deswegen nicht aufschreiben muss."

Die THÜRINGER ALLGEMEINE aus Erfurt merkt an:

"Vor allem hat das Wasser die Union kalt erwischt. Woche für Woche hatte man in einer nahezu höfischen Zeremonie die Posten im Kompetenzteam verteilt. Der Schutz der Umwelt kam darin nicht vor. Um Schadensbegrenzung bemüht erklärt Angela Merkel jetzt das Thema kurzerhand zur Chefsache. Doch abgesehen davon, dass der Osten für Edmund Stoiber die Chefsache offenbar nicht ist, war von seiner besonderen Kompetenz als Ökologe bisher nichts zu hören. Im Gegenteil. Ein neues Atomkraftwerk war und ist Stoiber alle mal lieber als ein abgeschaltetes."

In den STUTTGARTER NACHRICHTEN heisst es:

"Union und FDP können nicht leugnen, dass ihre Umweltpolitik bisher auf dem Abstellgleis stand. Nach der alten Bundesbahn-Devise: Alle reden vom Wetter - wir nicht! Rot-Grün dagegen verfügt - ein Geschenk des Himmels im wahrsten Sinne des Wortes - zumindest kurzfristig nicht nur über eine erhöhte Medienpräsenz, sondern auch über ein griffiges emotionales Thema."


Die Zeitung NEUES DEUTSCHLAND wirft zu Schluss einen ganz anderen Blick auf die Katastrophe:

"Ein Blick in die Statistiken der Versicherer und in die Geschichtsbücher zeigt, eine derartige Häufung von extremen Wetterlagen weltweit liegt lange zurück. Der Blick in die Geschichte zeigt, dass das auch die Politik jenseits aller Wahlkalküle interessieren sollte. Denn längerfristige Klimaänderungen in der Vergangenheit waren immer auch Zeiten revolutionärer Umbrüche. Mögen bei uns in Europa einige Missernten auch noch keine Hungersnot verursachen, für eine Rezession sind sie allemal gut. Und weltweit sind sie schon heute wieder der Auslöser von Völkerwanderungen und andauernden Bürgerkriegen."