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Pressestimmen von Donnerstag, 27. Juli 2006

Mathias Bölinger / Ursula Kissel26. Juli 2006

Nahostkonferenz in Rom / Tod von UN-Mitarbeitern im Libanon

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Der Konflikt im Nahen Osten ist das wichtigste Thema, mit dem sich die Kommentatoren der deutschen Tageszeitungen beschäftigen. Das Augenmerk richtet sich heute besonders auf zwei Aspekte in dem Konflikt: auf die Konferenz in Rom und auf den Tod von UN-Mitarbeitern im Libanon. Doch zunächst zu der Nahost-Konferenz:

Die LANDESZEITUNG aus Lüneburg schreibt dazu:

"Die Nahost-Konferenz von Rom ist eine Farce. Die mächtigsten Staaten drängen auf einen Waffenstillstand und die Entsendung einer UNO-Friedenstruppe (...). Wie wirkungslos das Wedeln mit dem Olivenzweig ist, musste die UNO ausgerechnet am Tag der Konferenz erfahren. Selbst wenn die Bomben auf den Blauhelm-Stützpunkt wirklich ein Fehler waren, illustrieren sie die Ausweglosigkeit der Situation: Die Entsendung einer Friedenstruppe kann nur Erfolg haben, wenn beide Parteien den Frieden wollen."

Das HAMBURGER ABENDBLATT äußert Verständnis für die israelische Haltung:

"Es ist unerträglich, dass Israel auch im 21. Jahrhundert noch um seine Existenz kämpfen muss. Diese Einsicht, immerhin, und das Eskalationspotential des Konflikts hat in Rom eine eindrucksvolle Koalition an einen Tisch gebracht, auch wenn ihr Aufruf zu einem Waffenstillstand rührend hilflos wirkt. Glaubt etwa jemand, die Hisbollah, die sich in der arabischen Welt in neuem Glanz sonnt, werde freiwillig ihre Waffen strecken? Nie und nimmer."

Die KIELER NACHRICHTEN fragen hingegen:

"Wann gehen wir endlich dazu über, Israel als ein Mitglied unserer Staatengemeinschaft zu betrachten und zu behandeln, das dieselben Rechte hat wie alle anderen, aber auch dieselben Pflichten? Warum also hat die Konferenz in Rom nicht beispielsweise hinterfragt, ob die massiven Angriffe Israels auf libanesisches Territorium mit dem Völkerrecht vereinbar sind?"

Die FRANKFURTER NEUE PRESSE ist der Meinung:

"Die eigentlich entscheidende Frage bleibt bei dieser abstrakten Forderung ungeklärt, die Frage nämlich, ob dieser Waffenstillstand an Vorbedingungen geknüpft sein soll oder nicht. Die USA und Israel dringen darauf, dass zunächst die entführten Soldaten entlassen und die Hisbollah-Raketenangriffe gestoppt werden. Erst dann wenn also der Kriegsgrund für Israel entfiele, könnten die Waffen schweigen."

Eine nüchterne Bilanz der internationalen Bemühungen zieht schließlich das HANDELSBLATT aus Düsseldorf:

"Das Treffen in Rom war bereits im Vorfeld zur Erfolglosigkeit verurteilt. (...) Vertreter jener Staaten und Gruppen, um die es in diesem Konflikt schließlich geht, sucht man vergebens: Diplomaten aus Israel und dem Libanon, auch Repräsentanten der Palästinenser und der Hisbollah. Und diese lassen sich von einer Condoleezza Rice und einem Frank-Walter Steinmeier, von einem Kofi Annan oder mit am Tisch sitzenden arabischen Emissären nicht so mir nichts dir nichts einen Waffenstillstand diktieren. (...) Die Konferenz war also allenfalls eine Veranstaltung für die Galerie."


Und nun zu den Kommentaren, die den Tod der UN-Mitarbeiter ins Visier nehmen: Die israelische Luftwaffe hat bei ihren Kämpfen mit der Hisbollah einen UN-Beobachtungsstützpunkt im Libanon bombardiert und dabei vier UN-Mitarbeiter getötet. UN-Generalsekretär Annan sprach von offenbarer Absicht. Der israelische Ministerpräsident Olmert wies dies zurück. Dazu die Pressestimmen:

Die Potsdamer MÄRKISCHE ALLGEMEINE befürchtet:

"Egal, was die Hintergründe des Angriffs auf den UN-Posten sind: Für Israels Ansehen in der Welt ist der Vorgang verheerend. Wie soll man glauben, dass bei den Bombardierungen Beiruts ausschließlich Hisbollah-Kämpfer und keine Zivilisten getroffen werden, wenn es nicht mal gelingt, Blauhelme zu verschonen?"

Auch die 'TAGESZEITUNG' aus Berlin ist überzeugt:

"Was immer die Untersuchung des Vorfalls schliesslich ergeben wird, ob Absicht oder Versehen: mit Sicherheit wirkt die Tötung der vier UNO-Beobachter abschreckend auf alle Staaten, die möglicherweise künftig vom UNO-Hauptquartier angefragt werden, sich mit Soldaten und Zivilpersonal an einer eventuellen neuen und besser mandatierten UNO-Truppe an der israelisch-libanesischen Grenze zu beteiligen. Und dieser Effekt dürfte der israelischen Regierung durchaus willkommen sein."

Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG meint:

"So verständlich Annans Wut ist, so absurd sind hoffentlich seine Vorwürfe, Israel hätte absichtlich auf den Uno-Stützpunkt gefeuert. Warum sollte das Land die Vereinten Nationen angreifen, die es als Verbündete braucht? Hat die israelische Armee aber wirklich Warnungen der UN-Mitarbeiter ignoriert, wäre das ein äußerst fragwürdiges Verhalten. Dieser tragische Vorfall kostet Israel weitere Sympathien (...)."

Kritik zu den Äußerungen von UN-Generalsekretär Annan kommt auch von der in Hamburg erscheinenden FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND:

"Annans Erregung ist nachvollziehbar. (...) Doch Annan sollte sich vor vorschnellen Urteilen hüten. Er unterstellt Israel eine vorsätzliche Tötung mit anderen Worten: Mord. Für einen so schwerwiegenden Vorwurf sind die bisher bekannten Fakten zu dünn. Deshalb sind Annans Worte bei allem Verständnis für seine persönliche Betroffenheit nicht akzeptabel."

Die RECKLINGHÄUSER ZEITUNG aus Marl beschäftigt sich mit den deutschen Reaktionen:

"Höchst unrühmlich wirkt die Reaktion der Bundesregierung auf den Beschuss des UN-Postens durch die Israelis. Man begrüße das Bedauern Israels über den tödlichen Angriff. Ja, was gibt es da zu begrüßen, als müsse man für dieses Bedauern noch dankbar sein? Die plumpe diplomatische Note ist klar. (...) Offenbar verbucht man in Berlin die toten UN-Soldaten anbiedernd und in vermeintlich historischer Verpflichtung als Kollateralschaden. Auch das ist Irrsinn.