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Pressestimmen von Freitag, 06. September 2002

6. September 2002

Arbeitsmarkt und Wahlkampf

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Herausragendes Kommentarthema in der deutschen Tagespresse ist die Situation am Arbeitsmarkt nach Bekanntgabe der Erwerbslosenzahlen durch die Nürnberger Anstalt für Arbeit, die auch für den Monat August die vier Millionen übersteigen.

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU schreibt:

"Ändern kann man an der Misere kurzfristig nichts. Also wird beschwichtigt und verdrängt. Die Union hingegen verfolgt die umgekehrte Taktik: Sie muss die Zahlen jetzt noch schwärzer malen, als sie sind, um die Schuld für alle kommenden Übel der rot-grünen Regierung in die Schuhe schieben zu können. Tatsächlich sind die Handlungsspielräume für jede neue Regierung extrem eng. Doch das werden die Konkurrenten erst nach dem Wahltag offen bekennen."

Die STUTTGARTER NACHRICHTEN meinen:

"Mag die Arbeitslosenzahl saisonbedingt auch leicht gesunken sein: 4,018 Millionen Arbeitslose sind nach vier Jahren für die sozialdemokratisch geführte Bundesregierung ein Armutszeugnis. Da von einer Trendwende zu sprechen, wie es Arbeitsminister Walter Riester tut, klingt selbst in Wahlkampfzeiten schamlos. Mit dieser Bilanz wird Gerhard Schröder am 22. September vor die Wähler treten - und mit vagen Versprechungen, dass es irgendwann schon wieder besser wird. Eine dürftige Perspektive für die nächsten vier Jahre."

Die KÖLNISCHE RUNDSCHAU resummiert:

"Nun liegt das letzte Datenpaket vor der Entscheidung über den künftigen Kanzler auf den Tisch. Die SPD-Strategen mögen es hin und her drehen. Unter kaum einer Perspektive lässt sich aus den August- Zahlen wirklich Honig saugen. Gut, es gibt einen Rückgang, der liegt sogar höher als der Durchschnitt der letzten drei Jahre. Und möglicherweise sinkt die Zahl im September unter vier Millionen. Nur bleibt das Faktum, das dem Amtsinhaber wie Blei anhängt: Das fatale Versprechen, die Marke auf unter 3,5 Millionen zu drücken. Nun ist es Aufgabe der Wähler zu gewichten, was gilt: Ob es einfach dumm war, ein solches Versprechen abzugeben, oder ob die Einlösung des an sich erreichbaren Ziels an unzureichender Politik scheiterte."

Das NEUE DEUTSCHLAND lenkt den Blick auf die Zeit nach der Wahl:

"Gleichgültig, wer am Wahlabend triumphieren wird - eine nochmalige Inszenierung des Wahlkampfdebakels Arbeitsmarkt wird es in vier Jahren nicht geben. Ob Rot-Grün oder Schwarz-Gelb - die künftige Regierung wird alles Mögliche und auch Unmögliche tun, um einer vergleichbaren Lage vorzubeugen. Statistischer Budenzauber wird dabei noch das unverfänglichste Mittel sein. Mit der geplanten Verschärfung der Zumutbarkeitskriterien für einen neuen Job und die Umkehr der Beweislast benannte die Hartz-Kommission schon die Werkzeuge, deren verfänglichem Charme sich auch ein Bundeskanzler Stoiber nicht entziehen wird."

Und im MANNHEIMNER MORGEN lesen wir:

"Während Florian Gerster, der Chef der Bundesanstalt für Arbeit, einmal mehr Zahlen jenseits der Vier-Millionen-Marke zu verkünden hatte, rückte Gerhard Schröder in Berlin publikumswirksam sein Fluthilfe-Kuratorium in Szene, angeführt von Richard von Weizsäcker. Statt sich, wie versprochen, am Abbau der Arbeitslosigkeit messen zu lassen, nutzt der Kanzler die Gunst der Stunde. Mit dem Hochwasser sind seine Aussichten auf eine Wiederwahl spürbar gestiegen, wozu neben seinem Krisenmanagement auch eine subtile, aber effektive Öffentlichkeitsarbeit beiträgt."

Ähnlich sieht es die SAARBRÜCKER ZEITUNG:

"Just an dem Tag, an dem in Nürnberg wenig berauschende Arbeitsmarktzahlen präsentiert wurden, zog Schröder in Berlin neue Wahlkampf-Kaninchen aus dem Zylinder: Das so genannte Flut-Kuratorium - mit populären Männern wie Richard von Weizsäcker, Manfred Stolpe oder Kurt Biedenkopf bestückt. Gerechtigkeit, so heißt die Schrödersche Hochwasser-Kuratoriums-Devise. Womit in Wahrheit nichts anderes gemeint ist, als dies: Schaut her, mir, diesem Superkanzler, helfen auch profilierte Köpfe der CDU. Man darf wirklich gespannt sein, wie lange die Krisenbändiger-Nummer in Sachen Hochwasser und gegen den Irak-Krieg noch zieht."

Abschließend ein Blick in DIE WELT:

"In gewisser Weise verbindet die Irak-Frage den amerikanischen Präsidenten und den deutschen Kanzler: Beide Politiker bemühen die Außenpolitik, um von der Innenpolitik abzulenken. Jenseits des Atlantik wird vor dem Hintergrund der Kongresswahlen im November in die Kriegsfanfare gestoßen und hier zu Lande angesichts von 4,018 Millionen Arbeitslosen zwei Wochen vor der Bundestagswahl die süße Leier des Pazifismus gespielt. Doch diese Töne klingen falsch."

Soweit diese Presseschau, zusammengestellt von Barbara Zwirner.