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Pressestimmen von Freitag, 13. April 2007

Christoph Schmidt12. April 2007

Neue Pläne zur Personenfahndung

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Bundesinnenminister Schäuble will die Möglichkeiten der Polizei bei der Personenfahndung erweitern. Künftig sollen den Beamten Dateien zur Verfügung stehen, in denen sämtliche Passfotos der Deutschen gespeichert sind. Damit zog der Minister einmal mehr die Kritik der Datenschützer auf sich. Die Pressekommentare spiegeln die Kontroverse um Sicherheit und Überwachung wider.

So schreibt die KÖLNISCHE RUNDSCHAU:

"In einer Demokratie werden Grundrechte nicht mit einem Hammerschlag zerstört. Demokratische Politiker bevorzugen ein anderes Werkzeug: einen feinen Hobel, mit dem sie vom Recht auf informationelle Selbstbestimmung eine Schicht nach der anderen abtragen. Innenminister Schäuble zeigt, wie das geht. Still und heimlich wurde in den Entwurf des neuen Passgesetzes die Bestimmung eingeführt, dass die auf modernen Reisepässen digital gespeicherten Passfotos bei den Behörden archiviert und der Polizei zur Verfügung gestellt werden. Wenn es nach Schäuble geht, werden auch die Fingerabdrücke gespeichert."

Die ABENDZEITUNG aus München meint:

"Die Suche nach Terroristen ist ja gut und richtig - aber derzeit ist es so, dass jede vage Drohung als Anlass benutzt wird, um längst fertige Konzepte aus der Schublade zu holen. Wenn nicht gleich - wie beim Passfoto-Projekt - versucht wird, sie möglichst unauffällig durch die Instanzen zu schmuggeln. Verhältnismäßig ist das aber längst nicht mehr. Man muss kein Osama bin Laden sein, um tiefes Unbehagen über einen solchen Überwachungsstaat zu empfinden, der künftig so einfach und unbemerkt kontrollieren kann, wer wann wo war."

Dagegen bemerkt die MÄRKISCHE ALLGEMEINE aus Potsdam:

"Wann immer es um neue Fahndungsmethoden geht, warnen jene am lautesten vor einem Überwachungsstaat, die ihn allenfalls aus der Ferne erlebt haben. Ostdeutsche sind in der Regel sehr viel vorsichtiger mit solchen Vergleichen, weil die Unterschiede zum völligen Ausgeliefertsein an ein komplett vernetztes Regime doch zu offensichtlich sind. Auch bei der Debatte um die Passfotos ist wieder viel künstliche Aufregung im Spiel. Will die Polizei ein Foto anfordern, muss sie erst einmal den Namen des Gesuchten kennen. Das Bild bekommt sie auch jetzt schon von den Meldebehörden."

Das Aschaffenburger MAIN-ECHO fragt nach der praktischen Umsetzung des Plans:

"Die Datenberge werden in kaum noch zu übersehende Höhen wachsen, beim geplanten Online-Zugriff auf die Passfotos werden Verwechslungen die Regel und nicht die Ausnahme sein. Wenn überhaupt, haben Schäubles Pläne einen psychologischen Sinn: Sie sollen zeigen, wie ernst der Staat den Kampf gegen den Terror nimmt und dass er nichts unversucht lässt. Dass Millionen von Unschuldigen dadurch mit in diesen Kampf hinein gezogen werden, nimmt Schäuble billigend in Kauf."

Die LÜBECKER NACHRICHTEN konstatieren:

"Der Pass bekommt nach diesen Plänen einen zweiten Charakter. Er ist Ausweis und Fahndungsdatenbank in einem. Im Bild, etwa von einer Videokamera festgehaltene Straftaten oder Delikte können durch automatisierten Abgleich der Gesichtsmerkmale einer Person zugeordnet werden. Klingt praktisch. Stutzig machen sollte allerdings, dass nicht nur Datenschützer, sondern selbst Polizeivertreter skeptisch reagieren. Hier leidet nämlich im Namen der Sicherheit die Freiheit des Bürgers."

Die KIELER NACHRICHTEN fordern:

"Man sollte den Bürgern keinen Sand in die Augen streuen. Der elektronische Zugriff der Polizei auf dauerhaft gespeicherte Passbilder und Fingerabdrücke führt nahezu zwangsläufig zu einer bundesweit abfragbaren Datenbank biometrischer Bevölkerungsdaten. Ein Moloch, vor dem nicht nur Datenschützern graut. Selbst die Polizei- Gewerkschaft warnt, dass Schäuble weit über das Ziel hinausschießt. Dass der Innenminister seine Pläne hinter verschlossenen Türen ausbrütet und sie nur scheibchenweise bekannt werden, trägt nicht eben zur Vertrauensbildung bei."

Die BERLINER MORGENPOST rät zur Gelassenheit:

"Deutschland auf dem Weg zu einem Überwachungsstaat, der jederzeit Verdächtige wie Unschuldige ausspähen kann? Davon kann schwerlich die Rede ein. Von Einzelfällen abgesehen - die dann aber entsprechende juristische Konsequenzen hatten - machen die Sicherheitsbehörden höchst maßvoll von ihren Möglichkeiten Gebrauch. Ein bisschen mehr Vertrauen in sie könnte also nicht schaden."

Die NEUE RUHR/NEUE RHEIN-ZEITUNG aus Essen sieht es so:

"Schon heute kann die Polizei auf die Papier-Fotos zugreifen, die im Passregister liegen. Dass sie mit der Zeit gehen und die nunmehr digitalisierten Passbilder auch online abrufen soll, lohnt - isoliert betrachtet - nicht die Aufregung. Man darf es nicht isoliert sehen. Die Balance stimmt nicht. Heute wird zu einem Namen ein Foto aufgerufen. Morgen wird damit gefahndet. Heute werden die Fingerabdrücke bei konkretem Tatverdacht abgenommen. Morgen liegen sie auf Verdacht vor. Schritt für Schritt werden wir überwacht. Der einzelne Schritt ist vertretbar, die Richtung ist es nicht."