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Pressestimmen von Freitag, 18. August 2006

Reinhard Kleber17. August 2006

Tarifeinigung bei Klinik-Ärzten / Air Berlin kauft dba

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Fast zwei Monate haben die Ärzte an den kommunalen Kliniken für ein höheres Gehalt und bessere Arbeitsbedingungen gestreikt. Jetzt haben der Marburger Bund und die Arbeitgeber endlich einen Kompromiss für die 70.000 Mediziner geschlossen. Ihre Gehälter sollen um bis zehn Prozent steigen. Die Tarifeinigung beschäftigt auch viele Kommentatoren der deutschen Tageszeitungen.

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU schreibt:

"Wer nun hat gewonnen? Vordergründig jedenfalls die Ärzte. Der Abschluss liegt ein gutes Stück über dem von Verdi ausgehandelten. Gewonnen haben sie auch das für ihren halbwegs elitären Berufsstand ungewohnte Arbeitergefühl, gemeinsam stark zu sein. Sie haben aber auch verloren: ein Stück Solidarität der anderen Klinikbeschäftigten, mag es auch vorher nicht gerade groß gewesen sein. Verloren haben sicher die Kliniken, die nun sehen müssen, wo sie das Geld für den Abschluss herbekommen. Und verloren hat auch Verdi. Die Großgewerkschaft hat sich augenscheinlich mit weniger zufrieden gegeben, als möglich gewesen wäre."

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aus München meint:

"Die Abspaltung eines Großteils der Ärzte von Verdi unterstreicht den Wunsch einer kleine Berufsgruppe, ihre Interessen konkreter, leistungsorientierter, aber auch kompromissloser vertreten zu sehen. Der Alleingang ist nachvollziehbar und fürs Erste gelungen."

In der ALLGEMEINEN ZEITUNG aus Mainz lesen wir:

"Operation gelungen, und alle Patienten leben noch. Sowohl bei der Bezahlung als auch bei der Regelung für Bereitschaftsdienste haben die Ärztevertreter nahezu das erreicht, was sie anstrebten - berechtigterweise, denn die Zeit war längst reif für deutliche Verbesserungen. Der Vertreter der kommunalen Arbeitgeberverbände hat jetzt nichts Eiligeres zu tun hat, als Drohungen auszustoßen: Als Konsequenz aus dem Tarifabschluss werde ein spürbarer Abbau der medizinischen Qualität folgen. Wer so argumentiert, stellt sich selbst ein Armutszeugnis aus. Es gibt nämlich genügend Beispiele von Kliniken, die sich mit gutem Management ausreichenden Finanzspielraum verschaffen, um auch höhere Arztgehälter zu bezahlen."

Skeptisch äußert sich die FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND aus Hamburg:

"Acht Wochen hat der Ausstand gedauert, und für manch eine Klinik sind durch den Ausfall von Operationen und Behandlungen Einnahme- ausfälle in großer Höhe entstanden. Hinzu kommen zusätzliche Kosten durch den neuen Vertrag mit Verdi für das Pflegepersonal. Und nicht zuletzt wird die Gesundheitsreform die Krankenhäuser zusätzlich belasten. Dieser Druck auf die Kliniken kann zwei Auswirkungen haben: Entweder entscheidet sich ein Krankenhaus, radikal umzudenken und künftig wie private Kliniken effizienter zu arbeiten und sich dafür völlig neu zu organisieren. Oder, das ist die zweite Konsequenz, die Klinik gibt unter dem Kostendruck auf."


Soweit unser erstes Thema. Die Kommentatoren befassen sich außerdem mit dem Umbrauch im Fluggeschäft: Air Berlin, der größte deutsch Billigflieger, kauft den Konkurrenten dba. Der Chef von Air Berlin, Hunold, will die Chance nutzen, rasch zu wachsen. Die Kombination des innerdeutschen Netzes der dba mit den europäischen Strecken von Air Berlin soll deutlich mehr Kunden locken und Kosten sparen.

In der OSTSEE-ZEITUNG aus Rostock lesen wir dazu:

"Betriebswirtschaftlich ist es optimistisch zu bewerten, wenn sich zwei Starke zusammentun. Zumindest eher, als die Fusion zweier Lahmer, die durch doppelte Krückenkraft meinen, sich am Markt behaupten zu können. Die Fusion von Air Berlin und dba - früher Deutsche BA - ist der Zusammenschluss von zwei Starken. Ob es jedoch für den Markt gut ist, ist eine andere Frage. Die zur Schau getragene Gelassenheit bei Lufthansa wirkt unecht. Für den Branchenprimus hat sich die Lage sehr wohl verändert, auch wenn der Konzern das von sich weist. Allein schon wegen der offensiven Ansage aus Berlin."

Das HANDELSBLATT gibt zu bedenken:

"Die Auslese am Himmel musste kommen und wird weitergehen, weil der europäische Markt mit seinen mehr als 50 Billigfluglinien die meisten von ihnen verbrennen viel Geld hoffnungslos überbesetzt ist. Dabei erweckt Hunold den Eindruck, dass er die Konsolidierung als Antreiber angeht und nicht als Getriebener. Falsch ist diese Sichtweise nicht vor dem Hintergrund, dass er mit Air Berlin nun jene Hauptrolle spielt, die lange dem Reisekonzern Tui zugedacht war. Doch während die Fluglinien des Tui-Konzerns seit Jahren orientierungslos der Krise entgegen fliegen und traditionsreiche Rivalen wie LTU gar dicht vor dem finanziellen Aus stehen, hat sich Hunold zum alleinigen Lufthansa-Jäger aufgeschwungen."

Das BADISCHE TAGBLATT aus Baden-Baden merkt an:

"Airlines benötigen eine Mindestgröße, um überleben zu können. Nur dann verfügen sie über genügend Start- und Landerechte auf attraktiven Flughäfen, können sie Flugzeuge und vor allem das Kerosin über Termingeschäfte zu günstigen Konditionen einkaufen. Deshalb wird die Meldung über die Übernahme der dba durch Air Berlin nicht die letzte Nachricht dieser Art sein."

Demgegenüber beleuchtet der TAGESSPIEGEL aus Berlin die Folgen des Deals für die Bundeshauptstadt:

"Was hat nun Berlin von Air Berlin? Vor allem ein Markenzeichen. Zwar ist die Hauptstadt der Sitz der Fluggesellschaft und sind hier 865 Mitarbeiter beschäftigt, aber Mallorca ist schon immer der wichtigere Standort. In knapp drei Wochen starten endlich die Bauarbeiten für den neuen Großflughafen Berlin-Brandenburg International. Auch daran hatte man lange nicht geglaubt, im Jahr 2011 soll er fertig werden. Man mag nun träumen: Davon, dass Air Berlin Motor von Schönefeld wird. Und dass die Airline der Hauptstadt in diesen fünf Jahren trotz des schwierigen Markts wächst und wächst."