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Pressestimmen von Freitag, 20. Juli 2007

Walter Lausch19. Juli 2007

Lokführer-Streik in Deutschland / Nominierung von Beckstein

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In Deutschland droht ein unbefristeter Lokführerstreit, die CSU-Landtagsfraktion nominiert Günther Beckstein zum Nachfolger von Edmund Stoiber im Amt des bayerischen Ministerpräsidenten. Das sind die beiden Themen dieses Blickes in die Kommentarspalten der Freitagsausgaben der deutschen Tageszeitungen. Zunächst Stimmen zu den Tarifverhandlungen der Bahn mit den Lokführern.

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU äußert einen Verdacht:

'Gerade mal drei Stunden sind Gewerkschafter und Bahn-Manager zusammengesessen, um anschließend zu verkünden: Wir konnten uns nicht einigen. Das lässt nur einen Schluss zu: Die Kontrahenten haben gar nicht ernsthaft versucht, einen Kompromiss zu finden jedenfalls nicht alle Beteiligten. Die Lokführer-Gewerkschaft GDL ist offenbar keinen Millimeter von ihrer sagenhaft hohen Lohnforderung abgewichen. Ob ein unbefristeter Streik jetzt noch in allerletzter Minute zu verhindern ist, bleibt abzuwarten. Vielleicht versucht es die Bahn noch mal mit juristischen Mitteln. Vielleicht geschieht ein kleines Wunder und die Kontrahenten strengen sich zur Abwechslung mal richtig an und suchen einen faire Lösung. Beide Seiten werden sich bewegen müssen, damit das klappt.'

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG fordert von der Bahn Einsicht in die Notwendigkeit:

'Die GDL hat sich so sehr festgelegt, dass jeder Verzicht auf einen eigenen Tarifvertrag selbstmörderisch wäre. Dass sie nun ihre Lohnforderung noch erhöht, zeigt, dass nicht nur Bahn-Chef Mehdorn, sondern auch sie etwas von Eskalation versteht. Die Bahn wird am Ende akzeptieren müssen, was andere auch akzeptieren mussten: dass die Zeit des relativ bequemen, einheitlichen Tarifgefüges vorbei ist.'

Die MÄRKISCHE ALLGEMEINE aus Potsdam zeigt dagegen ihren Zorn über die GDL:

'Der Lokführergewerkschaft GDL ist es gelungen, die Tarifrunde bei der Bahn endgültig auf Kindergartenniveau zu drücken. Weil die Bahn wochenlang böser- und fälschlicherweise behauptet habe, die GDL verlange 31 Prozent mehr Geld, tue man das jetzt eben auch. Ätsch! Statt nach einem Kompromiss zu suchen, haben die Lokführer-Bürokraten in der entscheidenden Runde ihre eigene Forderung noch einmal kräftig aufgestockt. So geht das aber nicht. Tarifverhandlungen sind nun mal streng ritualisierte Prozesse, bei denen das Ergebnis irgendwo in der Mitte liegt. Die Bahn kann sich nicht erpressen lassen, auch wenn das für die Kunden zunächst Streik bedeuten sollte.'

Das OBERMAIN-TAGBLATT aus Lichtenfels schaut sich den GDL-Vorsitzenden etwas näher an:

'Er ist schon ein harter Hund, der GDL-Chef Manfred Schell. Früher Lokführer mit Leib und Seele, weiß er, wo seiner Klientel der Schuh drückt. Schell steckt jedoch derzeit in etwas fest, was man als Schmollecke bezeichnen kann, um den Begriff Altersstarrsinn zu vermeiden. Auf die ohnehin exorbitante 31-Prozent-Forderung noch draufzusatteln und dafür noch die Streikdrohung in den Raum stellen - dafür dürfte nun allen Nicht-Lokführern jegliches Verständnis fehlen. Schell weiß, welche Macht er hat - Mehdorn auch. Riskiert der Bahnchef einen Stillstand zur Hauptreisezeit in den Ferien? Knickt er ein? Wir Bahnkunden bangen. '

Die CSU-Landtagsfraktion hat Günther Beckstein fast einstimmig für das Amt des bayerischen Ministerpräsidenten nominiert. Diese Thema hat nicht nur die Kommentatoren der bayerischen Zeitungen interessiert.

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG schreibt:

'Er hat sich allein durchgesetzt und dabei nicht einmal Wert darauf gelegt, dass ihn einzelne Freunde oder gar ein Gremium für die Nachfolge Stoibers vorschlagen. Er hat seinen Rivalen Huber auf den für ihn selbst unerreichbaren Posten des Parteichefs vertröstet und erreicht, dass ihn die Landtagsfraktion zum Ministerpräsidenten und damit zum Spitzenkandidaten der Landtagswahl 2008 nominiert, ohne dass irgendein Parteibeschluss ergangen wäre. Er hat die Landesgruppe zur Seite geschoben, so als hätten die «Berliner» nichts mit Bayern zu tun. Beckstein als Übergangsregierungschef zu betrachten wäre ein schwerer Fehler seiner Gegner. '

Die Münchener ABENDZEITUNG rät Beckstein, sich Stoiber nicht zum Vorbild zu nehmen:

' Seit gestern ist der quälend lange Abschied Stoibers nun so gut wie beendet. Günther Beckstein ist jetzt zumindest Drei-Viertel-Ministerpräsident. Am 9. Oktober muss er offiziell gewählt werden. Noch ist der Franke ein Mann des Volkes, so wohltuend spießbürgerlich und normal. Einer, der über sich lachen kann, der nicht autoritär seinen Willen durchsetzt und sich von anderen noch überzeugen lässt. Doch nun muss Beckstein beweisen, dass er sich treu bleibt. Denn das höchste Amt Bayerns kann Menschen verändern. Das hat Edmund Stoiber eindrucksvoll gezeigt.'

Die Bayreuther Tageszeitung NORDBAYERISCHER KURIER schätzt die Person Beckstein:

'Es war ein langer Leidensweg, auf dem Günther Beckstein die letzten Wochen, Monate und Jahre unterwegs war. Doch der künftige Ministerpräsident von Bayern ließ sich, ganz diesem Amt angemessen, nach außen wenig anmerken, wenn er von dem sich im Scheinwerferlicht sonnenden Edmund Stoiber wieder einmal übergangen wurde. Im großen Schatten des scheidenden Partei- und Regierungschefs wartete Beckstein ruhig, geduldig und leidensfähig,- typisch fränkisch eben,- auf seinen Tag.'

Der MÜNCHENER MERKUR hofft, dass die Wahl von Beckstein der CSU gut tut:

'Er ist der strahlende Sieger dieser denkwürdigen Etappe im wohl merkwürdigsten Machtwechsel der modernen bayerischen Geschichte. Wenn der scheidende Landesvater Edmund Stoiber diesen Donnerstag als schmerzlichen Tag in Erinnerung behalten wird, so war er wenigstens klug genug, sich die Bitterkeit nicht anmerken zu lassen: Seine versöhnlichen Worte an Beckstein lassen die tiefen Wunden, die der Machtkampf der beiden mächtigsten Männer der CSU geschlagen haben, ein wenig vernarben - und sei es nur in den Augen des konservativen Publikums. Das erwartet von der CSU, dass sie die Reihen endlich wieder schließt und zu alter Kameradschaft zurückfindet.'