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Pressestimmen von Freitag, 4. Oktober 2002

Stephan Stickelmann4. Oktober 2002

Treffen von Schröder und Chirac / Tag der deutschen Einheit

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Die Tageszeitungskollegen beschäftigen sich mit dem Treffen von Bundeskanzler Schröder und Frankreichs Präsident Chirac sowie mit dem Tag der deutschen Einheit.

Zum Treffen des Kanzlers mit dem französischen Staatschef bemerken die DRESDNER NEUESTEN NACHRICHTEN:

"Dass Schröder und Chirac nicht gerade ein Herz und eine Seele sind, ist bekannt. Aber nach dem Wahlsieg von Rot-Grün sind beide zur vernünftigen Partnerschaft verdammt. Denn die Zeit der offenen Differenzen zwischen Paris und Berlin - ob in der Agrar- oder der Außenpolitik - tat Europa nicht gut. Mit seinem Besuch in Paris hat der Kanzler zumindest für ein wenig Tauwetter gesorgt. In der Irak-Frage erzielten Schröder und Chirac zwar keine Deckungsgleichheit, aber die Positionen liegen dichter beieinander als die von Berlin und Washington."

Deutlich kritischer ist die Einschätzung der WELT:

"Dass Kanzleramt und Elysée über das Irak-Dossier uneins sind mit Washington, bedeutet noch lange nicht, dass Deutschland und Frankreich im Blick auf Bagdad gemeinsamen Sinnes wären. Für den Kanzler gilt, nach der Wahl wie davor, dass Deutschland sich Urlaub erteilt von der Weltgeschichte. Die Brücke der britischen Irak-Akte blieb unbegangen. Das deutsche 'Ohne uns'-Spiel geht weiter - nach der Bundestagswahl ist vor der Hessenwahl. Gegen Amerika ist die gegebenenfalls zu gewinnen, gegen neue Steuern und mehr Arbeitslosigkeit nicht."

Auch die FRANKFURTER RUNDSCHAU streift das Thema Irak, allerdings vor dem Hintergrund des Tages der deutschen Einheit. Das Blatt stellt fest:

"Selten waren diplomatische Routinefloskeln so politisch wie an diesem 3. Oktober. Nachdem er in seiner Eigenschaft als Regierungschef seinen deutschen Amtskollegen Gerhard Schröder geschnitten hat, macht George W. Bush in seiner Eigenschaft als Staatsoberhaupt dem Amtskollegen Johannes Rau die rhetorische Aufwartung. Das ist gut so und wahrscheinlich ohnehin der nächstliegende Weg gewesen, unter Wahrung des eigenen Gesichts die Straße der Konfrontation zu verlassen. Allerdings: Der Präsident kann's immer noch nicht lassen. Die Botschaft fällt doch arg pädagogisch aus, nach dem undiplomatischen Motto: Ohne uns wär't ihr nix."

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG macht sich grundsätzliche Gedanken zum deutsch-amerikanischen Verhältnis:

"Fünfzig Jahre lang gehörte es zur deutschen Staatsräson, über die USA nicht zu räsonieren. Deutsch - amerikanische Beziehungen: Das war das Verhältnis zwischen einer gütigen Hegemonialmacht und einem pflegeleichten Vasallen. Beiden war das recht so, und unermüdlich wurde über Freundschaft, Dankbarkeit und die Bande der Tradition geredet. Doch der atlantische Graben ist heute objektiv zu groß, als dass man nur mit formelhaften Reden eine Brücke darüber schlagen könnte. Diese Brücke ist aber wohl zu bauen mit der Umsetzung des Plans, den Bush der Ältere 1989 angeboten hat: Partner in Leadership zu sein. Je stärker die Europäer sind, umso leichter geht das."

Die BRAUNSCHWEIGER ZEITUNG lenkt angesichts des Feiertages den Blick auf Ostdeutschland:

"Das Straßen-Netz erinnert nur noch selten an die DDR, die geschundene Umwelt ist geheilt, der Freiheitsdrang ungestillt. Dieser Freiheitsdrang beleuchtet grell das große Problem: Die Besten verlassen den Osten, weil gute Arbeit für ehrgeizige junge Menschen kaum zu finden ist. Es wird noch Jahrzehnte dauern, bis die Wirtschaft im Osten den Westen eingeholt hat. So entlarvt sich die Klage über ungleichen Lohn in Ost und West, wie sie Berlins Bürgermeister Wowereit gestern anstimmte, als wohlfeile Gedenktags-Rhetorik. So respektiert man zwar die Ungeduld der Menschen, aber streut ihnen zur Beruhigung Sand in die Augen."

Und die OSTTHÜRINGER ZEITUNG aus Gera fragt:

"Wann ist die Einheit vollendet? Werden die großen Gewinne an Freiheit und Demokratie zu Grunde gelegt, fällt die Einschätzung sehr optimistisch aus. Wer den Grad der Vollendung an Wirtschaftsdaten und Einkommensverhältnissen im Vergleich Ost zu West misst, kommt zu einem pessimistischen Schluss. Aus solcher Unzufriedenheit aber die Forderung nach einem eigenständigen ostdeutschen Weg in die Zukunft abzuleiten, ist ziemlich übertrieben und fern der Realität. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland enthielt einen Artikel zum Beitritt, einen zum Austritt enthält es nicht."