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Pressestimmen von Freitag, 5. Januar 2007

Ulrike Quast4. Januar 2007

Neues Gutachten zur Gesundheitsreform

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Die Gesundheitsreform bringt einem neuen Gutachten zufolge für die finanzstarken Bundesländer - vor allem Bayern und Baden-Württemberg - weitaus geringere Zusatzbelastungen als von ihnen selbst befürchtet. Die Kommentatoren der Tagespresse nehmen dies zum Anlass, das umstrittene Reformprojekt ein weiteres Mal zu hinterfragen.

Die TAGESZEITUNG aus Berlin meint:

"Die Gutachtenschlacht rund um den Gesundheitsfonds ist völlig abwegig, da hat der gutachtende Wirtschaftsweise Bert Rürup Recht. Es gehört zum Solidarprinzip der Bundesrepublik, dass die Einkommensstarken für die Einkommensschwachen zahlen. Das ist bei den Steuern so, bei der Gesundheitsversorgung und auch bei der Arbeitslosenversicherung. Dieser Ausgleich geschieht aber nicht zwischen Bundesländern, sondern zwischen Individuen - und ein Instrument ist der Finanzausgleich zwischen den gesetzlichen Krankenkassen."

Die OSTTHÜRINGER ZEITUNG aus Gera schlägt in die gleiche Kerbe:

"Nun ist das nächste Gutachten zu den Auswirkungen der Gesundheitsreform auf die Länder-Finanzen aus dem Sack, und Kritiker wie Befürworter sind so klug als wie zuvor. Drei verschiedene Rechenmodelle zeigen jedoch nur, dass sowohl Reformer als auch Kritiker offenbar gar nicht gewillt sind, den Kompromiss zu finden. Wenn das aber so ist, wenn selbst Experte Rürup meint, dass es beispielsweise unmöglich sei, die Wirkungen des geplanten Gesundheitsfonds zu berechnen, dann sollte das Signal erst einmal auf Rot gestellt werden. Ein ehrlicher Reform-Neubeginn wäre allemal besser als das ausufernde Wirrwarr, das bereits angerichtet ist."

Der WIESBADENER KURIER kritisiert: "Dabei sind die Ausgleichszahlungen zwischen den Ländern, die es im Finanzausgleich der Kassen auch schon gibt, bei weitem nicht das größte Übel der Reform. Der gigantische Bürokratismus des Gesundheitsfonds, die unzureichende Einbeziehung der Privatversicherten ins Solidarsystem und die steigenden Beiträge trotz milliardenschwerer Steuerspritzen, das sind die essentiellen Gründe, warum dieses Reform-Monstrum nicht am 1. April in Kraft treten sollte. Freilich: Auch wenn die Länder im Bundesrat aus schlechten Gründen das schlechte Gesetz kippen, so bleibt es doch eine gute Tat."

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU ist der Ansicht:

"Die innere Befindlichkeit der Regierung der Bundesrepublik Deutschland ist auf einen bemerkenswerten Tiefpunkt gefallen. Der Konflikt um die Gesundheitsreform wird auf einem Niveau intoniert, der mit Stammtisch nur noch unzureichend umschrieben werden kann. Daher darf man zu Recht fragen, ob diese Regierung noch handlungsfähig ist. Die Antwort lautet: Sie ist es nicht. Jedenfalls nicht in der Gesundheitspolitik. So kann man von heute an sagen: Die Gesundheitsreform wird scheitern. Entweder durch Einführung oder durch Nichteinführung."

Der NORDKURIER aus Neubrandenburg schreibt:

"Das verbale Getöse in der Gutachtenschlacht lenkt vom Kern des Problems ab auf Kosten der Millionen Menschen, die Milliarden sauer verdiente Euro einzahlen und dafür eine medizinische Behandlung von hoher Qualität erwarten können. Die eigentlich zwischen Unionsparteien und SPD fest verabredete Gesundheitsreform ist ein bürokratisches Monster, das schon zum Jahresbeginn zu höheren Beiträgen geführt hat. Allein der neue Gesundheitsfonds als Basis benötigt einen riesigen Apparat an Menschen und Material, um die Versicherten-Gelder einzusammeln und zu verteilen."

Das MINDENER TAGEBLATT vermutet:

"So unlogisch es klingt: mit jedem weiteren Krach rückt eine Einigung in greifbarere Nähe, auch wenn es von diesen endgültigen Einigungen nun schon eine Handvoll gab und keine sich bislang als die final haltbare erwies. Zur Not wird es ein weiterer Krisengipfel im Kanzleramt richten müssen - und keiner der Beteiligten wird riskieren, ihn und damit die Koalition platzen zu lassen. Jedenfalls nicht schon zu diesem Zeitpunkt der Legislaturperiode."

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG kommentiert:

"Auch die Gesundheitsreform, nach dem Willen der Kanzlerin das Kernstück der großen Koalition, hat ein Drehbuch. Wird es eingehalten, so läuft das Verfahren bestens - in der öffentlichen Wahrnehmung allerdings nur zugunsten der Bundesregierung. Wer sich profilieren will, muss in das Drehbuch eingreifen, muss wirbeln, bis die «Verbesserungen» ihm zugerechnet werden. Dies tut gerade die CSU in Abstimmung mit drei CDU-Landesverbänden. Auf diese Weise wollen sie den Anteil der Länder an der Reform sichtbar machen und die Kraft der Union zu Lasten der SPD vorführen. Dies gelingt in der Regel nur mit hartem Pokern, welches wiederum die Gefahr des Scheiterns insgesamt birgt."

Abschließend ein Blick in die KÖLNISCHE RUNDSCHAU:

"Klarheit in der Sache bringt der Gutachterkrieg über den Gesundheitsfonds zwar nicht: Wir wissen immer noch nicht genau, wieviel mehr der Durchschnittsbayer zahlen wird. Klar ist jetzt aber, dass es in der Gesundheitspolitik nur noch einen Profi gibt, und der heißt Ulla Schmidt. Die Gesundheitsministerin hat CDU und CSU nicht nur ausgetrickst, indem sie aus «gummiweichen Eckpunkten» einen für die private Krankenversicherung katastrophalen Gesetzentwurf destillierte, sondern sie hat auch lächelnd zugesehen, in welche Lage sich die Union mit ihren Forderungen nach Beitragspauschalen in der Krankenversicherung manövrierte."