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Pressestimmen von Freitag, 7. Juli 2006

Christoph Schmidt6. Juli 2006

Streit in der Koalition / Raketentests Nordkoreas

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Der Streit um die Gesundheitsreform rückt bei den Kommentatoren der Tagespresse den Zustand der großen Koalition und die Kompetenz der Bundeskanzlerin in den Blick. Als zweites Thema stehen erneut die nordkoreanischen Raketentests im Mittelpunkt der Kommentare.

Der NORDBAYERISCHE KURIER aus Bayreuth meint zur Gesundheitsreform:

"Gleich beim ersten großen Reformvorhaben beginnt das bisher so lautlos laufende rot-schwarze Räderwerk zu knirschen. Der Mythos der kühlen Analytikerin Angela Merkel, die ohne viel Tamtam ihre politischen Ziele zielstrebig durchsetzt, ist angekratzt. Kommt nun bald Merkels Machtwort? Es ist an der Zeit, dass die Kanzlerin mehr Profil zeigt. Sie muss moderieren aber auch disziplinieren, bevor die Regierung aus dem Ruder läuft."

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG notiert zur Rolle der Kanzlerin:

"Schneller als erwartet ist die Morgenröte für Angela Merkel vorbei. Was waren der neuen Kanzlerin nicht alles für Hymnen gesungen worden für ihren kooperativen Führungsstil, der so ganz anders sei als bei dem zuweilen rüpelhaften Alpha-Tier Gerhard Schröder. Jetzt tritt wieder offen zutage, was Merkels Kritiker schon oft moniert haben: Keiner weiß, was diese Frau wirklich will und für welche Politik sie steht."

Die TAGESZEITUNG TAZ in Berlin schreibt:

"Die Macht liegt derzeit offenbar nicht beim Bundestag und auch nicht im Kanzleramt, sondern bei den Länderfürsten der Union. Vor denen scheint Angela Merkel größere Angst zu haben als vor schlechter Presse und mieser Stimmung im Kabinett. Wer der großen Koalition zugetraut hatte, mehr zustande zu bringen als ein rot-grünes oder ein schwarz-gelbes Bündnis, sieht sich nun eines Schlechteren belehrt. Nicht Weitsicht regiert, sondern Rücksicht. Auf interne Widersacher und Rivalen."

Der GENERAL-ANZEIGER aus Bonn bemerkt:

"Selten ist eine Reform im Urteil von Fachleuten und Bürgern so schnell so schlecht weggekommen. Aber es ist beileibe nicht nur dieses Beispiel. Die Widersprüche in der Steuerpolitik, die Halbherzigkeiten in der Föderalismusreform etwa kommen hinzu. Die große Koalition darf dem Bürger große Reformen zumuten. Ihn überwiegend zu belasten, ohne dass es der Fortschritt in der Sache lohnt, ist nicht ihre Aufgabe."

Und der Kölner EXPRESS richtet den Blick auf die Wähler:

"Satte 74 Prozent der Deutschen haben die Nase gestrichen voll von der Politik der Bundesregierung. Eine klatschende Ohrfeige für alle, die sich derzeit auf der Bühne des Berliner Sommertheaters gegenseitig zerfleischen und munter Gas geben bei der Schussfahrt in den politischen Abgrund. Nur acht Monate nach dem Amtsantritt der schwarz-roten Regierung herrscht Katerstimmung im Land. Sollte sich nichts ändern, wäre es im Interesse des Landes eine Erlösung, wenn sich Schwarze und Rote wieder trennen."

Themenwechsel: Die OSTSEE-ZEITUNG aus Rostock analysiert die nordkorenaischen Raketentests:

"Nordkoreas Raketenhagel ins Japanische Meer war gut getimt. Er platzte mitten in die eingeschlafenen Sechs-Parteien-Gespräche der beiden Koreas mit den USA, Russland, China und Japan. Seit mehr als als einem halben Jahr schon liegen die diplomatischen Bemühungen, Nordkoreas Steinzeitkommunisten von ihrem Nuklearkurs abzubringen, wieder mal auf Eis. Das Problem ist, dass Nordkoreas Gesprächspartner sich nicht auf eine gemeinsame Haltung gegenüber dem provokatorischen Kurs der Kim-Clique einigen können. Wie im Falle des Iran, dessen Staatsmacht die Uran-Anreicherung forciert, wurde letztlich immer wieder auf eine Politik der Beschwichtigung gesetzt."

Die OSTTHÜRINGER ZEITUNG in Gera schreibt über Nordkorea:

"Die Kombination aus dramatischer wirtschaftlicher Not und irrationaler Führung macht das Land unberechenbar. Dass die USA sich unmittelbar bedroht fühlen, mag eine für die amerikanische Außenpolitik typische Übertreibung sein, aber für Japan und Südkorea ist die Bedrohung ganz real. Die hektischen diplomatischen Aktivitäten sind dagegen nichts als hilfloser Aktionismus. Niemand weiß, wie man das Regime in Nordkorea zur Vernunft bringen kann."

DER NEUE TAG aus Weiden sieht innenpolitische Motive Pjöngjangs:

"Der in steifen Blousons umherwandelnde Kim Jong Il mag in Modefragen zwar schwer daneben liegen. Politisch aber ist es ihm gelungen, die Hosen anzubehalten, trotz Hungersnöten und fehlender Perspektiven in seinem Land. So dürften auch die Raketenstarts dem Machterhalt Kims dienen. Unmittelbar als Zugeständnis an die starken Militärs, denen ein jahrelanges Testmoratorium auferlegt war. Und mittelfristig, weil Kim auf dringend nötige Hilfen für seine marode Wirtschaft hofft. Hier könnte das großzügige Angebot an den Iran neue Begehrlichkeiten geweckt haben."

Zum Schluss ein Blick in die WESTDEUTSCHE ZEITUNG aus Düsseldorf: "Die verunglückten Raketentests, verbunden mit grotesker Großmachtrhetorik, alles in allem also eher eine misslungene Machtdemonstration als echte Bedrohung? So einfach liegen die Dinge wohl nicht. Denn Nordkorea spielt sein gefährliches Spiel im Schatten des kaum verdeckten Ringens der Großmächte China und USA um Dominanz in diesem Raum. Aber in China werden sich nun hoffentlich viele fragen, wie lange es dem kleinen Drachen in Pjöngjang noch erlaubt sein soll, mit dem Schwanz des großen Drachen in Peking zu wedeln, der dann auch noch die geopolitischen Scherben wieder kitten muss."