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Pressestimmen von Freitag, 9. März 2007

Martin Muno 8. März 2007

Tornadoeinsatz in Afghanistan / Tarifeinigung in der Chemie-Industrie

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Unter den Kommentarthemen in den deutschen Zeitungen nehmen zwei besonderen Raum ein: Die Einigung im Tarifstreit der Chemie-Industrie und die Bundestagsabstimmung über die Entsendung von Tornado-Flugzeugen nach Afghanistan.

Für die in Berlin erscheinende TAGESZEITUNG ist die Entsendung von Kampfjets keine grundsätzliche Entscheidung. Dort heißt es:

"Die Abgeordneten (...) verabschieden sich lediglich von einer Lebenslüge. Die lautet: Der Westen hilft Afghanistan bei der Demokratisierung und verfolgt außerdem einige Terroristen, also Straftäter. Das ist nicht wahr. Wahr ist vielmehr: In dem Land herrscht seit Jahren Krieg. Und Deutschland ist an diesem Krieg beteiligt."

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU fordert eine tiefgreifende Änderung der internationalen Afghanistan-Politik. Zur Begründung heißt es in dem Blatt:

"Erstens: Insgesamt muss der zivile, nicht der militärische Impuls stärker werden. Nur Europa kann das voranbringen. Zweitens: Es ist Zeit zuzugeben, dass die Aufgabe unterschätzt wurde. Drittens: Das Hilfskonzept muss umfassender werden, inklusive der Beendigung des Drogenanbaus. Eine Aufgabe, nach der sich niemand sehnt und die bisher auch niemand finanzieren will. Und die durch den Mord an dem deutschen Helfer nicht unbedingt attraktiver wird. Aber ohne grundlegend neues Denken wird der Westen am Hindukusch scheitern."

Das Düsseldorfer HANDELSBLATT blickt in die Zukunft:

"Wenn die voraussichtlich sechs Tornados nach Afghanistan verlegt werden, ist das kein grundlegend neuer Einsatz der Bundeswehr, die ja schon in Afghanistan kämpft. Deshalb ist auch weder juristisch noch politisch angemessen, dass der Bundestag extra ein neues Mandat beschließt. Die Regierung hat es nur so eingefädelt, weil sie Angst vor einem Streit in den Koalitionsfraktionen hat. Dort ballt sich Pazifismus mit der Angst vor einem Krieg, der dem im Irak ähnlicher wird, und dem vagen Gefühl von 'da unten haben wir nichts verloren' zusammen. Es entsteht eine beinahe isolationistische Haltung. Den Abgeordneten wie auch der Regierung entgeht, dass die seit Monaten andauernde Debatte über die Tornados der Bundesrepublik außenpolitisch schadet und nicht einmal zum politischen Kern vorstößt."

Im Berliner TAGESSPIEGEL schließlich heißt es:

"Die sechs Tornados werden den Süden Afghanistans nicht bombardieren, sie werden auch nicht kriegsentscheidend sein, sie werden womöglich sogar dabei helfen, die berüchtigten Kollateralschäden zu vermeiden - doch eines werden sie auch: Sie werden weitere Begehrlichkeiten der Nato-Partner wecken. Die bequeme geografische Afghanistanformel 'Ihr da unten, wir hier oben' gilt nun nicht mehr. Warum aber deutsche Soldaten nur am Himmel zu finden sind und sich nicht längst am Boden ins Getümmel stürzen, das ist eine Frage, die besagte Nato-Partner bereits halblaut stellen. Und warum nicht? Da ist man schnell bei der Sinnfrage der gesamten Operation angelangt."


Im anderen Focus der Leitartikler steht die Einigung im Tarifkonflikt der chemischen Industrie. Danach erhalten die 550.000 Beschäftigten in der chemischen Industrie 3,6 Prozent mehr Geld und eine Einmalzahlung.

Dazu schreibt der Bonner GENERAL-ANZEIGER:

"Die Richtung ist klar: Nach Jahren niedriger Abschlüsse, die in manchen Branchen nicht einmal die Steigerung der Lebenshaltungskosten ausglichen, können die Beschäftigten wieder mit deutlicheren Lohnerhöhungen rechnen - und das völlig zurecht. Allerdings ist die Ausgangslage in den Wirtschaftszweigen sehr unterschiedlich. In der exportstarken Metall- und Elektroindustrie, für deren 3,4 Millionen Beschäftigte die Tarifrunde am Montag startet, werden Gewerkschaften und Arbeitgeber die Einigung von Lahnstein sehr genau analysieren. Schwer vorstellbar, dass sich die IG Metall mit weniger zufrieden gibt als die Chemie-Kollegen."

Der MANNHEIMER MORGEN sieht das ähnlich:

"Die Chemiebranche steht derzeit alles in allem glänzend da, ein kleinerer Schluck aus der Lohnpulle wäre nicht zu rechtfertigen gewesen. Die Chemie-Beschäftigten können mit den Ergebnissen zufrieden sein, und auch die meisten Unternehmen, ob groß oder klein, werden trotz mancher Stoßseufzer die zusätzliche Lohnbelastung gut verkraften. Der Tarifvertrag lässt Spielräume, vor allem durch die flexibilisierte Einmalzahlung, der sich Firmen mit schlechter Ertragslage entziehen können. Chemie hat vorgelegt, jetzt ist jetzt Metall gefordert."

Die MÄRKISCHE ALLGEMEINE aus Potsdam befindet:

"Am Ende ging es schneller als erwartet. (...) Angesichts der Branchenlage ist dies tatsächlich der vernünftige Kompromiss, von dem beide Seiten nun sprechen. Damit liegt die Latte schon recht hoch für die IG Metall, die am Montag mit Verhandlungen beginnt. Traditionell wollen die Metaller nämlich mehr rausholen als ihre Chemie-Kollegen, und in diesem Jahr ist die Stimmung besonders kämpferisch. Ökonomen und Politiker dürften das mit Sorge sehen. Für die Gesamtwirtschaft ist der Metall-Abschluss nämlich der wichtigste. Denn während die Chemiebranche gerade mal 550.000 Beschäftigte hat, sind es in der Metall- und Elektroindustrie rund 3,4 Millionen."

Zum Schluss noch ein Blick in die WESTFALENPOST aus Hagen. Dort heißt es:

"Beispielhaft für andere Branchen ist die Frage der Einmalzahlungen gelöst, die nicht Basis für künftige Lohnerhöhungen sind. Arbeitgeber und Betriebsräte sind hier weitgehend frei in der Ausgestaltung. So nimmt man den Firmen viel von dem Druck der Ungewissheit, wie es mit der Konjunktur weitergeht. Der Chemie-Abschluss ist das richtige Signal zur richtigen Zeit. Er sorgt für ausreichende Teilhabe der Arbeitnehmer und lässt den Unternehmen Luft. Der Druck, der jetzt auf den anderen Branchen liegt, kann durchaus heilsam sein."