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Pressestimmen von Mittwoch, 16. Januar 2008

Reinhard Kleber15. Januar 2008

Bahnchef Mehdorn

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Kaum haben die Deutsche Bahn und die Lokführergewerkschaft sich auf Eckpunkte für ein Tarifabkommen geeinigt, sorgt Bahnchef Hartmut Mehdorn für neuen Zwist. Als Konsequenz des teuren Abschlusses kündigte er an, die Preise zu erhöhen und Arbeitsplätze abzubauen. Im Gegenzug sprachen die Gewerkschaften GDBA und Transnet von einer Kampfansage und drohten mit Streiks. Kein Wunder, wenn der Konflikt bei den Pressekommentatoren ein vielstimmiges Echo auslöst.

Die STUTTGARTER ZEITUNG meint:

„Unmöglich aber ist es, wenige Wochen nach der fünften Fahrpreiserhöhung in vier Jahren schon den nächsten Aufschlag anzukündigen und damit die Kunden zu verärgern. Kaum machbar wird es für einen Staatskonzern sein, Arbeitsplätze in großem Stil ins Ausland zu verlagern. Und als Zumutung müssen es Mitarbeiter und Gewerkschaften empfinden, wenn Mehdorn nun mit Stellenabbau und Kündigungen droht, obwohl die Tarifeinigung mit den Lokführern noch nicht einmal unterschrieben ist. So sägt der Bahnchef selbst an seinem Stuhl. Denn wer derart unklug agiert, nährt die Zweifel an seiner Eignung als Lenker des größten Staatskonzerns. An dieser Erkenntnis wird auch die Regierung nicht vorbeikommen.“

Der TAGESSPIEGEL aus Berlin sieht das ähnlich und spricht von einem „unverschämten Schmierentheater“:

„Die Mehrkosten durch den geplanten Abschluss mit den Lokführern betragen nach seriösen Schätzungen gerade mal 50 bis 70 Millionen Euro. Zum Vergleich: Der Gewinn der Bahn lag 2006 bei 2,5 Milliarden Euro, und auch 2007 liefen die Geschäfte gut. Für steigende Preise gibt es also keinerlei Grund. Die Politik tat gut daran, Mehdorn zu einer Einigung mit den Lokführern zu drängen. Nun muss die Regierung als Bahneigentümerin diesen Mann daran hindern, dem Unternehmen weiteren Schaden zuzufügen - oder sich endlich nach einem neuen Bahnchef umsehen.“

Kritisch äußert sich auch die OSTSEE-Zeitung aus Rostock:

„Länger konnte der Bahnchef die Luft nicht mehr anhalten: Mit der Ankündigung, einen Abbau von Stellen und die Erhöhung der Fahrpreise zu prüfen, lässt Hartmut Mehdorn seinen ganzen Frust über die teure Tarifeinigung ab. Und zeigt nebenbei den Fahrgästen, welchen geringen Stellenwert sie im Unternehmen haben. Die Drohung, Zugfahren werde nun noch teurer, ist die Retourkutsche eines Verlierers. Die Klage über den horrenden Lohnabschluss soll davon ablenken, dass Mehdorn mit seiner Hinhaltetaktik auf ganzer Linie gescheitert ist. Ausgerechnet die Fahrgäste, die von Bahn und Gewerkschaft in monatelange Geiselhaft genommen wurden, sollen jetzt draufzahlen.“

Verständnis für Mehdorn zeigt dagegen die BERLINER MORGENPOST:

„Bahn-Chef Hartmut Mehdorn holt sich das Geld, das er für die höheren Gehälter der Lokführer braucht, natürlich wieder. Wer etwas anderes geglaubt hat, hat die Prinzipien der Marktwirtschaft nicht verstanden. Lohnerhöhungen können nämlich, insbesondere wenn sie relativ stark ausfallen, das Gegenteil dessen bewirken, was sie eigentlich sollen. Wenn Firmen die Preise für ihre Produkte erhöhen, um gestiegene Gehälter bezahlen zu können, verliert zusätzliches Geld für die Arbeitnehmer an Wert. Sie haben zwar etwas mehr, können dafür aber nicht mehr kaufen. Zudem müssen sie mit neuen Kostensenkungsprogrammen in ihren Firmen und im schlimmsten Fall mit dem Verlust ihres Jobs rechnen. Das klingt hart, ist aber die Realität.“

Schließlich zitieren wir noch den WIESBADENER KURIER, der andere Einwände erhebt:

„Für einen der teuersten Abschlüsse der Geschichte sind die Tarifpartner Bahn und GDL nicht alleine verantwortlich. Die Politik in Person von Verkehrsminister Tiefensee hat, als unsichtbarer dritter Mann am Verhandlungstisch, kräftig Druck gemacht, dem Mehdorn schließlich nicht mehr standhalten konnte. Alle drei gemeinsam - ­Bahn, Gewerkschaft und die Bundesregierung ­- präsentieren nun die Rechnung: Unterm Strich zahlen die Kunden und jene Arbeitnehmer, die ihre Stelle verlieren werden. Dazu werden auch Mitglieder der größeren Bahn-Gewerkschaften Transnet und GDBA gehören, die umgehend mit Streiks gedroht haben. Sie wollen verständlicherweise nicht für einen Abschluss geradestehen, der im Wettbewerb zwischen Sturheit, politischem Kalkül, persönlichen Eitelkeiten und Standesdünkel zustande kam, und den sie zeitweise nur tatenlos verfolgen konnten.“