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Pressestimmen von Mittwoch, 18. April 2007

Thomas Grimmer 17. April 2007

Amoklauf an US-Hochschule

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Nach dem Amoklauf an einer Hochschule im US-Bundesstaat Virginia mit 33 Toten ist wieder einmal eine Debatte über das liberale Waffenrecht in den USA entbrannt. Die meisten Kommentatoren der deutschen Tagespresse halten das Recht jedes Amerikaners, eine Waffe zu tragen, für obsolet.

Die LANDESZEITUNG aus Lüneburg fragt:

"Wie mächtig muss eine Waffenlobby sein, die den US-Präsidenten dazu bringt, eine Trauerbotschaft zum Amoklauf von Virginia mit der Garantie zu verknüpfen, dass natürlich auch künftig jeder US-Bürger Waffen tragen dürfe? Übermächtig, denn die - makabrerweise in Virginia ansässige - National Rifle Association kämpft mit einem Mythos im Bunde: Dem Mythos, dass das Recht auf Waffenbesitz ein Grundpfeiler der US-Verfassung ist."

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG gibt Folgendes zu bedenken:

"Tatsächlich sind die Bestimmungen im Bundesstaat Virginia besonders lax. Die Befürworter eines Rechts auf (Schuss-)Waffen berufen sich gerne auf den zweiten Zusatz zur Verfassung und auf die Geschichte, und zwar mit Erfolg. Nichtamerikanern fällt es schwer, die von vielen Millionen Amerikanern verinnerlichte und von mächtigen politischen Kräften gepflegte Mythologie zu verstehen. Gerade nach einer Tat wie der vom Montag wirkt sie wie eine unmoralische Absurdität. Aber wäre diese Tat durch einen erschwerten Zugang zu Schusswaffen zu verhindern gewesen? Erfurt liegt schließlich nicht in Virginia, sondern in Thüringen."

Das NEUE DEUTSCHLAND aus Berlin verweist demgegenüber darauf, dass es in den USA mehr Amokläufer zu geben scheint als anderswo:

"Dass auch strengere Waffengesetze allein nicht vor Blutbädern schützen, weiß man in Erfurt ebenso wie im schottischen Dunblaneoder im kanadischen Montreal. Doch kein Land wird so oft von Massakern in Schulen und Universitäten heimgesucht wie die USA. Und Experten sehen einen ursächlichen Zusammenhang mit der Tatsache, dass es auch nirgendwo so einfach ist, legal an Schusswaffen zu gelangen. Selbst der Schock von Columbine vor fast genau acht Jahren war da nicht heilsam."

Die THÜRINGER ALLGEMEINE aus Erfurt glaubt, dass auch der Schock von Blacksburg wenig ändern wird:

"Die Bestürzung wird nachlassen. Dann kehrt auch in Blacksburg der Alltag ein. So war es in Columbine. So war es in Erfurt. Allen guten Vorsätzen zum Trotz. Von den Appellen und Schwüren wird auch in diesem Fall wenig bleiben. Die versprochenen Sozialarbeiter kommen nicht. Die Stellen der Lehrer werden weggespart. Die Rechtslage allenfalls kosmetisch verändert. Gewalt ist viel zu tief in der Gesellschaft verankert, als dass ein einzelnes Ereignis, so grausam es sein mag, den Lauf der Dinge verändern könnte. Gewalt ist ein viel zu lohnendes Geschäft, als dass die Betreiber davon lassen könnten. In den Waffenschmieden. In den Filmstudios. In den virtuellen Welten."

Im MANNHEIMER MORGEN heißt es:

"Noch weiß man wenig über den Todesschützen von Blacksburg, Virginia. (...) Doch eines steht fest: Der Täter war Teil einer Gesellschaft, in der die Waffe als Freiheits- und Männlichkeitsemblem vergöttert wird. Er schoss in einem Bundesstaat, in dem der Senator auf dem Weg ins Parlament selbst eine Waffe trägt. Er lebte in einem Land, in dem die Massen jubeln, wenn der greise Schauspieler Charlton Heston mit der zittrigen Hand sein Gewehr hochhebt und brüllt, dass er sich noch lange nicht die Waffe aus der Hand nehmen lässt."

Die PFORZHEIMER ZEITUNG fordert von den USA Konsequenzen aus dem Massaker von Blacksburg:

"Das Drama sollte den amerikanischen Politikern Anlass genug sein, ihr liberales Waffenrecht ernsthaft zu überdenken. Nicht weil dies ein ungewöhnlich blutiges Massaker war. Sondern weil es bei weitem keine Ausnahme ist. Es wäre kein unerträglicher Eingriff in die Freiheit der US-Bürger, den Zugang zu Schusswaffen einzuschränken."

Die in Düsseldorf erscheinende WESTDEUTSCHE ZEITUNG glaubt nicht, dass das funktioniert:

"Etwas ändern könnten in der Tat striktere Waffenkontrollgesetze, die aber wohl an der politischen Realität scheitern werden. Denn die übermächtige US-Waffenlobby gibt jedes Jahr Millionen Dollar aus, um Politiker von einer Kursverschärfung abzuhalten. (...) Es steht deshalb zu befürchten, dass auch das Drama von Blacksburg ohne Konsequenzen bleiben wird."

Das glaubt - aus anderen Gründen - auch die ALLGEMEINE ZEITUNG aus Mainz:

"Es wird sich kaum etwas ändern an einem sehr prinzipiellen Problem: der Gnadenlosigkeit der amerikanischen Gesellschaft, in der nur Gewinner zählen. Verlierer aber, oder angebliche Verlierer, geraten leicht in seelische Verzweiflung. Nicht jeder von ihnen wird zum potenziellen Amokläufer, aber mancher."

Die ESSLINGER ZEITUNG schreibt schließlich:

"Völlig absurd ist die Argumentation aus der Ecke der US-Waffenlobby, die vielen Toten hätten verhindert werden können, wenn nur jeder Student eine Waffe getragen hätte. Solche Aussagen erinnern doch sehr an die Wildwestzeit, aus der übrigens das Recht auf Waffenbesitz stammt. Seit 1791 symbolisieren Waffen ganz legal ein Stück Freiheit. Im 21. Jahrhundert sollten die Amerikaner, allen voran die Politiker, aber begreifen, dass diese Freiheit jährlich bis zu 30 000 Menschenleben kostet."