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Pressestimmen von Mittwoch, 25. Juli 2007

Walter Lausch24. Juli 2007

Teilprivatisierung der Bahn // Freilassung der bulgarischen Krankenschwestern

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Die in Libyen inhaftierten bulgarischen Krankenschwestern und ein Arzt durften das Land verlassen. Dieses Thema wird natürlich von vielen Kommentatoren der deutschen Tageszeitungen aufgegriffen. Doch zunächst einige Pressestimmen zur vom Bundeskabinett auf den Weg gebrachten Teilprivatisierung der Bahn.

Die Meinung der Mainzer ALLGEMEINEN ZEITUNG:

'Die Teilprivatisierung der Bahn wird ein Drahtseilakt. Einerseits braucht der Konzern frisches Geld, um am internationalen Transport- und Logistikmarkt konkurrenzfähig zu bleiben, andererseits berührt gerade der Schienenverkehr nationale gesellschaftliche Interessen, die es zu wahren gilt. Eine Bahn, die nur noch für die Aktionäre und deren Gewinne fährt, muss verhindert werden.'

Auch die TAGESZEITUNG in Berlin überzeugt der eingeschlagene Weg des Bundesverkehrsministers nicht:

'Wenig beruhigen kann zudem das Argument von Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD), es handele sich nur um eine Teilprivatisierung. Auch Miteigentümern der Bahn geht es vor allem um eines: eine hohe Rendite. Im Land Berlin kann man dies am Beispiel der Wasserbetriebe studieren, die nach ihrer Teilprivatisierung die Wassergebühren kräftig anhoben. Auch die Bahn wird ihre Gewinnerwartungen durch kunden- und arbeitnehmerunfreundliche Maßnahmen zu erhöhen suchen: weniger Service und Personal auf den Bahnhöfen, Stilllegung unrentabler Strecken, längere Dienstzeiten und niedrigere Löhne für die Mitarbeiter. Nicht zufällig wollen die Lokführer gerade jetzt noch einmal für kräftige Gehaltserhöhungen streiken.'

Die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG aus Heidelberg stellt eine Frage:

'Wem gehört die Bahn? Im Moment ist sie noch Volkseigentum. Die vom Kabinett beschlossene, vom Bundesrat aber noch lange nicht durchgewunkene Teilprivatisierung verändert die Besitzverhältnisse. Und lockert damit auch die Gemeinwohlverpflichtung. Was Mehdorn will ist klar: Einen gewinnoptimierten Transportkonzern. Identisch mit dem öffentlichen Interesse ist das nicht. Privates Kapital, das auch von Kleinanlegern kommen sollte, kann die Bahn kundenfreundlicher machen. Sie ist jedoch kein Betrieb wie jeder andere. Sie produziert Mobilität - aber für alle. Das muss im Gesetz noch deutlicher werden.'

Volle Zustimmung zur Teilprivatisierung kommt dagegen von der Tageszeitung FRÄNKISCHER TAG aus Bamberg:

'Die ewigen Kritiker der Bahn sollten sich nun freuen, dass das Bundeskabinett mit seinem Beschluss zur Teilprivatisierung den richtigen Weg geht. Denn privates Geld wird den Staatskonzern noch viel mehr als öffentliche Schelte dazu zwingen, wirtschaftlich zu arbeiten und das funktioniert nun einmal am besten über Qualität. Das Ur-Prinzip der Wirtschaft wird auch im Fall der Bahn funktionieren. Deshalb laufen die Gegner mit ihren Argumenten gegen die Privatisierungspläne ins Leere. Mancher Bedenkenträger sollte sich klar machen, dass Zugverkehr nicht eine Art Hartz IV der Mobilität ist. Der Wettbewerb auf der Schiene ist nicht aufzuhalten. Aber die Bahn kann sich ihm optimistisch stellen.'

Die Krankenschwestern aus Bulgarien und ein Arzt sind in Libyen nach langer Leidenszeit freigelassen worden. Dazu schreibt die LANDSHUTER ZEITUNG:

'Nach einem Martyrium von acht Jahren Haft, bizarren Gerichtsverfahren und Angst vor der Todesstrafe sind die bulgarischen Krankenschwestern und ein Arzt glücklich in der Heimat gelandet. Noch auf dem Flughafen hat sie der bulgarische Staatspräsident begnadigt. Glückliches Ende eines makaber inszenierten Dramas. Leider wird der Drahtzieher dieser Tragödie am Ende nicht bestraft, sondern gelobt und belohnt. Der libysche Diktator Gaddafi hätte dieser bitteren Farce schon vor Jahren längst ein Ende machen müssen. Es bleibt festzuhalten: Die EU hat großzügig gezahlt. Es ist heutzutage einfach geworden, westliche Demokratien zu erpressen. Und es zahlt sich aus.'

Nach Ansicht der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG aus München braucht Gaddafi das Geld:

'Gaddafi braucht den Erfolg, weil die libysche Wirtschaft stagniert und die Unzufriedenen sich nicht ewig hinhalten lassen. Das Land muss dringend in seine Ölindustrie investieren. Auch Tony Blair war daher jüngst in Tripolis, auf seiner Abschiedstour als britischer Premier. Man redete viel über den Weltfrieden und vereinbarte ein Millionengeschäft, das dem britischen Unternehmen BP Gas- und Ölrechte in Libyen sichert.'

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU macht das Verhalten Gaddafis wütend:

'Demokratien sind nicht erpressbar, hören wir von der Politik. Aber sie sind es. Wenn es um Menschenleben geht, bleibt meist nichts anderes übrig, als zu zahlen. Mit ungutem Gefühl, verdeckt, auf Umwegen. Der Fall Libyen beweist, wie schamlos sich inzwischen nicht nur hundsgewöhnliche Gangsterbanden, sondern ganze Staaten ihre Justiz inklusive diese klare Wertentscheidung zunutze machen. Ein wenig Wut darf neben dem Ohnmachtsgefühl schon dabei sein, wenn staatliche Geiselnahmen wie diese zu Ende sind.'

Über den französischen Präsidenten wundert sich die NÜRNBERGER ZEITUNG:

'Zu dick trägt «Super-Sarko» nach dem glücklichen Ausgang des Dramas auf, zu ungeniert weist er sich einen Verdienst zu, der tatsächlich anderen zusteht. Denn es waren die Diplomaten der EU, Großbritanniens Ex-Premier Tony Blair und Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier, die über Jahre beharrlich mit dem libyschen Revolutionsführer hinter den Kulissen verhandelten. Schlimmer noch: Sarkozy nutzte ungeniert die brisante Affäre, um seiner kapriziösen Gattin bei der persönlichen Suche nach sinnvollen Einsatzfeldern zu helfen. Damit degradiert er komplizierte Außenpolitik zu einer Art Therapie für Paare Cécilia Sarkozys Charme-Offensive als humanitäre Botschafterin an vorderster politischer Front begeistert nicht jeden.'

Die WESTFÄLISCHEN NACHRICHTEN aus Münster halten die Libyen-Mission der Ehefrau von Sarkozy für fragwürdig:

'Die politische Legitimation ihrer Mission bleibt offen. Hillary Clinton hat einst mit ihren politischen Aktivitäten als First Lady eine derbe Bauchlandung erfahren. Weil am Ende ein schöner humanitärer Erfolg steht, könnte es für die französische Präsidentengattin glimpflicher ausgehen.'