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Pressestimmen von Mittwoch, 28. Dezember 2005

Christian Walz27. Dezember 2005

Hartz-Studie / Osthoff-Zukunft

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Im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit in Deutschland haben sich große Teile der so genannten Hartz-Reformen als wirkungslos herausgestellt. Manches sei sogar kontraproduktiv, heißt es in einer wissenschaftlichen Studie, die im Auftrag der Bundesregierung erstellt wurde. Grund genug für viele Zeitungskommentatoren, die Hartz-Reformen nochmals kritisch unter die Lupe zu nehmen.

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE sieht es so:

"Teuer, ineffektiv, unbrauchbar - so lautet das Urteil über die deutsche Arbeitsmarktpolitik. Die Reformen mit ihren wohlklingenden Instrumenten wie den Personal-Service-Agenturen, Vermittlungsgutscheinen oder den Minijobs seien wirkungslos verpufft. Die Arbeitslosigkeit ist nicht gesunken -wie versprochen-, sondern weiter gestiegen. Korrekturen der Hartz-Gesetze reichen nicht. Ganz oben auf der schwarz-roten Agenda müssen die deutliche Senkung der Lohnnebenkosten stehen und mehr Jobs für Geringqualifizierte."

Der Berliner TAGESSPIEGEL ist der Ansicht:

"Statt die Ergebnisse der Evaluation verschämt im Aktenschrank aufzubewahren, hätten die alte wie die neue Regierung Konsequenzen ziehen müssen. Vor allem aber sollten sich alle Beteiligten eines eingestehen, was sie lange bestritten: Alle Hartz-Reformen zusammen, mit Ausnahme der Ich-AGs, schaffen keine neuen Arbeitsplätze. Dafür benötigt Deutschland Konjunkturauftrieb auch im Binnenmarkt. Wenn die Menschen kein Geld haben, dann können sie nichts konsumieren und auch keine Nachfrage schaffen. Denn sparen, Geld auf die hohe Kante legen können nur jene, die gut verdienen. Für alle anderen reicht es gerade, um über die Runden zu kommen."

Der Bonner GENERAL-ANZEIGER kommentiert:

"An Fehlschläge der Arbeitsmarktpolitik ist die deutsche Öffentlichkeit gewohnt. Es überrascht nicht wirklich, dass für zentrale Elemente der bitter umkämpften Hartz-Arbeitsmarktreform gleichfalls gilt: Gut gemeint ist nicht notwendigerweise gut gemacht - manchmal sogar das Gegenteil. Zurecht hat sich die neue Regierung vorgenommen, bis Ende 2006 alle arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen zu überprüfen."

Die KÖLNISCHE RUNDSCHAU warnt vor Pauschalurteilen:

"Es wäre falsch, die gesamte Reform zu verdammen. So erstreckt sich die Kritik der Experten etwa ausdrücklich nicht auf die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe und auch nicht auf den Umbau der Bundesagentur zu einem modernen Dienstleister. Wichtig ist, dass nun die richtigen Schlüsse gezogen werden. Offenbar ist vielfach der Betroffene selbst der beste Jobagent. Das heißt: Es muss noch stärker als bisher die Eigeninitiative der Arbeitslosen gefördert werden."


Themenwechsel. Trotz aller Warnungen hält sich die erst kürzlich aus Geiselhaft freigekommene Deutsche Susanne Osthoff eine Rückkehr in den Irak offen. Dies sei ihre Privatangelegenheit, betonte die 43-Jährige Archäologin. Außenminister Steinmeier hatte zuvor an Osthoff appelliert, sie solle sich nicht erneut in Gefahr bringen.

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU meint:

"Im Gegensatz zu den vor Jahren entführten Sahara-Reisenden oder anderen Abenteurern macht die Archäologin nicht Spaß-Urlaub im Nahen Osten. Irak ist ihr privater und beruflicher Lebensmittelpunkt. Das mag man verantwortungslos finden oder leichtsinnig. Aber man kann sie dafür nicht abstrafen. Das macht die Causa Osthoff für die Politik zum Dilemma. Man kann der Ex-Geisel den Geldhahn zudrehen für Projekte, sie zur Kasse bitten für die Rettung. Doch im Notfall würde und muss auch für Susanne Osthoff wieder das humanitäre Recht gelten, das Recht auf Hilfe."

Die LÜBECKER NACHRICHTEN schreiben:

"Susanne Osthoff hat sich schon vor Jahren aus ihrer alten Heimat abgenabelt und eine neue im Zweistromland gefunden - einem Land, in dem Entführungen an der Tagesordnung sind. Wenn sie dieses Los ihrer Wahl-Landsleute teilen will, so muss man dies wohl respektieren. Eines aber wird auch Susanne Osthoff akzeptieren müssen. Dass ihr Herkunftsland sich noch einmal für sie so ins Zeug legt, ist nicht möglich."

Auch die STUTTGARTER NACHRICHTEN beschäftigen sich mit den Zukunftsplänen der Archäologin:

"Es soll hier nicht am Idealismus der 43-Jährigen gezweifelt werden. Spätestens seit der Entführung aber müsste ihr klar geworden sein, dass der Wunsch, helfen zu wollen, inzwischen lebensgefährlich ist. Einmal ist ihr das Leben zurückgegeben worden. Die Entführer waren nett, hören wir. Hier redet eine Frau, die offenbar noch gar nicht richtig begriffen hat, in welche Ängste sie eine Nation zu Hause gestürzt hat."

Abschließend ein Blick in die HAMBURGER MORGENPOST. Das Blatt fragt sich:

"Kann Osthoff ihrem gut gemeinten Ansinnen, den Menschen im Irak zu helfen, nicht auch anders nachkommen? Indem sie zum Beispiel vom Ausland aus Spenden sammelt oder Hilfstransporte organisiert. Die Ablehnung, gar Empörung, die der Ex-Geisel jetzt aus der deutschen Politik und Öffentlichkeit entgegenschlägt, hat allerdings auch andere Ursachen: Frau Osthoff hält sich nicht an die Spielregeln des Medienzeitalters. Während alles auf die ersten Bilder der eben Befreiten wartete, auf ihre herzergreifenden Schilderungen, trat Frau Osthoff mit Tschador verhüllt im arabischen Fernsehsender Al-Dschasira auf. Tenor: So schlimm waren die Kidnapper gar nicht. Das Klischee eines Terror-Opfers sieht eben anders aus."