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Pressestimmen von Mittwoch, 28. März 2007

Walter Lausch27. März 2007

Neue Siemens-Affäre / Gesetzesentwurf zu Vaterschaftstests

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Die Skandalserie bei Siemens setzt sich mit der Verhaftung eines Mitgliedes des zentralen Vorstandes fort. Dies ist ein beliebtes Thema auf den Kommentarseiten der Mittwochsausgaben der deutschen Tageszeitungen. Aber auch der geplante Gesetzesentwurf zu Vaterschaftstests wird oft aufgegriffen. Doch zunächst zu den Vorgängen bei Siemens.

Dazu schreibt das HANDELSBLATT aus Düsseldorf:

"Seit gestern ist Siemens endgültig ein Skandalkonzern, seit gestern hat sich die Lage des Technikriesen extrem verschärft. Mit Johannes Feldmayer sitzt erstmals ein amtierender Zentralvorstand in Haft. Immer deutlicher stellt sich die Frage, ob all das, was in den vergangenen Monaten ans Tageslicht gekommen ist, nicht doch ein System gewesen ist. Schwarze Kassen im Telefonbereich, anonyme Konten der Kraftwerksbauer, zweifelhafte Zahlungen an handzahme Arbeitnehmerorganisationen: Der Verdacht liegt nahe, dass Siemens- Manager notfalls auf die Überzeugungskraft des Geldes vertrauten."

Auch die ABENDZEITUNG aus München sieht bei dem jüngsten Siemens-Skandal eine neue Dimension erreicht:

"Dass Unternehmen versuchen, sich sperrige Betriebsräte gefügig zu machen, ist ja nicht neu, wie die Rotlicht-Affäre bei VW gelehrt hat. Bei Siemens erreicht das in eine neue Dimension. Erstens, weil erstmals nach der Schwarzgeld-Affäre bei einem aktiven Siemens- Vorstand die Handschellen klickten. Zweitens, weil es bei Siemens nicht nur um ein paar Lustreisen und Besuche in Rotlicht-Kreisen geht. Stimmen die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft, dann hat der Vorstand mit einer üppigen zweistelligen Millionensumme Belegschaftsvertreter mit Geld überhäuft. Frühere Bekenntnisse der Siemens-Führung zur hohen Unternehmenskultur klingen da wie Hohn."

Die Lüneburger LANDESZEITUNG befürchtet Schaden für den Standort Deutschland:

"Es ist etwas faul im Paradies der Betriebsräte. Erst VW und jetzt Siemens: Die betriebliche Mitbestimmung mutiert zum Mitnahmemodell. Die Korruptionsaffären schaden unmittelbar den betreffenden Belegschaften und mittelbar einem Eckpfeiler der Deutschland AG. Die Verhaftung eines Siemens-Vorstands wirft ein Schlaglicht auf eine verfilzte Unternehmenskultur, in der Arbeitnehmervertretungen offenbar zu fünften Kolonnen des Vorstandes degenerierten. Es schadet dem gesamten Standort Deutschland, dass derartig ausgefeilte Korruptionssysteme wie bei VW und Siemens so lange Jahre unentdeckt bleiben konnten."

Für die MÄRKISCHE ODERZEITUNG wurden Aufsichtspflichten verletzt:

"Siemens hat sich stets in eine weiße Weste der Wohlanständigkeit gekleidet. Jetzt verhandelt der Aufsichtsrat mit dem Vorstandsvorsitzenden über eine Vertragsverlängerung, die reduzierte Abfindungsansprüche vorsieht, falls ihn der Bestechungsskandal untragbar machen sollte. Und sein Vorgänger und Verhandlungspartner, der Aufsichtsratsvorsitzende von Pierer hat von allem nichts gewusst? Wenn das so wäre, müsste man fragen, ob er sein hohes Salär einst zu Recht verdient hat."

Vaterschaftstests sollen künftig einfacher und ohne unmittelbare rechtliche Konsequenzen für das Kind möglich sein. Dies strebt ein Gesetzesentwurf von Justizministerin Zypries an.

Die ALLGEMEINE ZEITUNG aus Mainz zeigt sich angetan:

"Ein Quantensprung, eine fast revolutionäre Verbesserung im Familienrecht - nicht mehr und nicht weniger ist der Gesetzesvorschlag zum Thema Vaterschaftstest. Denn er widmet sich dem wichtigsten Punkt: Wie kann es gelingen, in einer sehr sensiblen Materie einen vernünftigen Interessenausgleich zu schaffen, ohne mehr Porzellan zu zerschlagen als unbedingt nötig? Der Vater behält seinen Anspruch auf Klarheit; er muss aber, um diese Klarheit zu gewinnen, nicht mehr auf das rigide Instrument der Anfechtungsklage zurückgreifen. Auch wenn sich dann herausstellt, dass er nicht der Erzeuger ist, sind die familiären Bande nicht zerschnitten."

Für die STUTTGARTER NACHRICHTEN allerdings wird sich zunächst nicht viel ändern:

"Auch künftig werden viele Männer zunächst heimlich ihre Zweifel klären. Zum einen, weil ein Gerichtsverfahren den Familienfrieden erheblich stört. Zum anderen, weil heimliche Tests zwar illegal sind, aber nicht unter Strafe stehen. Zypries hatte ein Verbot angekündigt. Aber diese Frage überlässt sie nun doch Gesundheitsministerin Ulla Schmidt, die seit Jahren an einem Gesetz zu DNA-Analysen herumdoktert. Wird Zeit, dass auch sie etwas vorlegt."

Die in Berlin erscheinende WELT meint ebenfalls, dass es die heimlichen Tests weiter geben wird:

"Männer, die lediglich Zweifel an ihrer Vaterschaft haben, sind schon im Interesse der Kinder gut beraten, zunächst heimlich durch ein entsprechendes Fachlabor diese für sie oft existenzielle Frage zu klären. Im Falle eines negativen Resultats können sie immer noch entscheiden, ob sie das ihnen möglicherweise ans Herz gewachsene Kind eines anderen weiterhin wie das eigen Fleisch und Blut anerkennen und aufziehen. Und wenn das Ergebnis positiv ausfällt und entgegen ihrem Verdacht die Vaterschaft bestätigt, ist nicht der Keim des Unfriedens in die Familie gesät."

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aus München hebt den positiven Aspekt der Zypries-Pläne hervor:

"Der Gesetzesentwurf kann dazu beitragen, dass Familien erhalten bleiben. Väter -aber auch Mütter und Kinder- sollen einen Anspruch bekommen, die Abstammung gerichtlich feststellen zu lassen, ohne dass automatisch weitere rechtliche Konsequenzen folgen."

Abschließend macht sich die WESTFÄLISCHE RUNDSCHAU aus Dortmund grundsätzliche Gedanken zum Thema:

"Es ist keine erklärte Absicht. Es ist bloß das Ergebnis. Auf leisen Sohlen verschiebt sich das Recht zu Lasten der Mütter. Aktuell gibt es zwei Beispiele dafür, zwei Reformen: eine im Unterhaltsrecht und eine zur Feststellung einer Vaterschaft. Sie haben indirekt miteinander zu tun. Am Zweifel an einer Vaterschaft kann eine Ehe zerbrechen. Danach dreht sich ein Streit schnell ums Geld."