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Pressestimmen von Montag, 12. Dezember 2005

Annamaria Sigrist11. Dezember 2005

Gerhard Schröder // Weltklimagipfel

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Die Kommentare der deutschen Tageszeitungen befassen sich an diesem Montag vor allem mit zwei Themen: Kritisiert wird zum einen Altkanzler Gerhard Schröder, der einen Aufsichtsratsposten bei der deutsch-russischen Betreibergesellschaft für die Ostsee-Gaspipeline übernehmen will. Zum anderen wird auch das Ergebnis des Weltklimagipfels im kanadischen Montreal eher kritisch gesehen.

Zu Schröder schreibt der GENERAL-ANZEIGER aus Bonn:

"Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich's gänzlich ungeniert. Der Spruch fällt einem ein, wenn man Gerhard Schröders zweites Geschäft nach seiner Kanzlerschaft betrachtet. Jetzt den Aufsichtsratsvorsitz beim deutsch-russischen Pipelineprojekt anzunehmen, das geht zu weit, erst recht, wenn Hinweise stimmen, dass der junge Altkanzler dabei kräftig Kasse macht. Es ist keine Frage eines zu schaffenden verbindlichen Ehrenkodex' für frühere Amtsinhaber, keine Frage von Fristen und Vorschriften. Es ist schlicht eine Frage des Benehmens. Man hat es - oder auch nicht."

Das HAMBURGER ABENDBLATT ergänzt:

"Nun sieht er sich dem Vorwurf ausgesetzt, von einem Geschäft zu profitieren, dass er als Politiker selbst mit eingefädelt hat. Nun werden sich seine Kritiker wieder daran erinnern, dass er zur brutalen Tschetschenien-Politik des russischen Präsidenten und zu Putins merkwürdigem Demokratieverständnis stets äußerste Milde walten ließ. Ist das nun der Lohn aus dem Kreml?"

Die ABENDZEITUNG aus München wirft Schröder vor, sich bereichern zu wollen.

"Die Regeln des politischen Anstands gebieten es, dass man sich nicht von der Firma bezahlen lässt, für die man gerade selbst noch die Weichen gestellt hat. Basta. Ganz besonders nicht im speziellen Fall Wladimir Putin, den Schröder bei allen Missständen immer besonders leise kritisiert hat. Und wenn der Altkanzler das nicht von alleine so sieht, dann brauchen wir eben dringend einen verbindlichen Ehrenkodex für Politiker, der genau das festschreibt.

Ähnlich sieht dies auch die WESTDEUTSCHE ZEITUNG aus Düsseldorf:

"Wenn das Ehrgefühl fehlt, müssen eben leider klare Regeln her: etwa eine modifizierte zweijährige 'Konkurrenzausschlussklausel', wie sie in der freien Wirtschaft üblich ist. Zudem könnten die weiterlaufenden Bezüge aus dem Politiker-Job angerechnet oder gestrichen werden, wenn jemand anderswo anheuert. Prinzipiell verbieten sollte man den Wechsel von der Politik in die Wirtschaft allerdings nicht. So etwas kann befruchten. Vor allem umgekehrt. Wenn fitte Top-Manger statt lahmer Berufspolitiker gestalterisch für das Gemeinwohl tätig würden, wäre das eine Wohltat."


Themenwechsel. Zum Abschluss des UN-Klimagipfels im kanadischen Montreal haben sich die mehr als 150 Teilnehmerstaaten auf eine Fortschreibung des Kyoto-Protokolls geeinigt.

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU schreibt:

"Montreal brachte nicht den Durchbruch. Denn Washington wird nicht auf Kyoto-Kurs gehen, so lange Bush im Amt ist. Und ebenfalls eine Reihe von Jahren dürfte es dauern, bis die Entwicklungs- und Schwellenländer ambitionierte Klimaschutz-Verpflichtungen eingehen, obwohl doch inzwischen China etwa bereits zur Nummer zwei in den Kohlendioxid-Charts aufgestiegen ist. Doch Montreal brachte echten Fortschritt. Diejenigen, die noch meinen, die Sonne drehe sich um die Erde, werden weniger."

Auch die EßLINGER ZEITUNG nimmt die USA ins Visier:

"Das Kyoto-Protokoll, das die Reduzierung des Treibhausgases vorsieht, haben die USA nie ratifiziert. Ob Montreal fruchten wird, bleibt skeptisch abzuwarten. Verbindliche Regelungen lehnt Washington weiterhin ab. Wichtig wäre es zudem, dass sich Nationen mit rasantem Wirtschaftswachstum wie China oder Indien an den neuen Vereinbarungen beteiligen. Ihre Zurückhaltung - wie schon bei Kyoto 1 - ist ein zusätzlicher Wermutstropfen."

Die WESTFÄLISCHE RUNDSCHAU würdigt das Engagement von Bill Clinton:

"Der Vorgänger von US-Präsident George Bush redete der amerikanischen Delegation ins Gewissen und half damit, das drohende Debakel eines Scheiterns abzuwenden. Ein hilfreiches Wirken wird auch dem neuen deutschen Umweltminister Sigmar Gabriel bescheinigt, der die Abgesandten aus Moskau von Einsprüchen abbrachte. Doch alles in allem gibt es keinen Grund zum Jubeln. Das Ergebnis von Montreal ist ein Erfolg - allerdings nur gemessen an den üblichen Halsstarrigkeiten der internationalen Umweltpolitik. Für einen wirksamen Schutz des Weltklimas wären weitaus ehrgeizigere Vereinbarungen nötig gewesen."

Abschließend meint die NORDWEST-ZEITUNG OLDENBURG:

"Deutschland hat gute Chancen, den Klimaschutz auch wirtschaftlich zu nutzen. Die oft gescholtene Förderung alternativer Energien hat diesen Wirtschaftszweig gestärkt und fit gemacht für den Weltmarkt. Das Ölzeitalter geht seinem Ende entgegen. Länder, die ihre Energieerzeugung sichern wollen, setzen daher auf deutsche Entwicklungen und Produkte. Darauf hat Umweltminister Sigmar Gabriel zu Recht hingewiesen. Wichtig ist es, am Ball zu bleiben. Die Einbindung der Schwellenländer in den Klimaschutz muss oberstes Ziel bleiben damit nicht eine Abwanderung von Industrien in Länder mit lockerem Umweltrecht die Ziele von Montreal konterkariert. Der Anfang ist gemacht."