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Pressestimmen von Montag, 16. April 2007

Eleonore Uhlich15. April 2007

Kritik an Äußerungen Oettingers / Geburtstag von Papst Benedikt XVI.

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Die Behauptung des baden-württembergischen Ministerpräsidenten, Günther Oettinger, sein verstorbener Vorgänger, Hans Filbinger, sei ein Gegner des Nazi-Regimes gewesen, sorgt weiter für Empörung in Deutschland.

Im KÖLNER STADT-ANZEIGER lesen wir:

"Günther Oettinger macht es immer schlimmer. (...) Nach der massiven Kritik an der Würdigung Filbingers erwidert er, die Nazi-Diktatur nicht relativieren zu wollen - was ihm niemand vorgeworfen hatte. Dann wiederholt er, was seit Tagen für Entrüstung sorgt: «Ich glaube, dass Hans Filbinger ein Gegner der Diktatur gewesen war.» Warum vernebelt Oettinger die Wahrheit unablässig weiter - aus Schamlosigkeit oder aus Dummheit? Zur Regierungsfähigkeit gehören politisches Gespür und moralische Sensibilität. Diesem Regierungschef fehlt beides in befremdlicher Weise."

Die FRANKFURTER NEUE PRESSE aus Frankfurt/Oder argumentiert:

"So mag es politisch korrekt sein, an Filbinger kein gutes Haar zu lassen klug ist es nicht. Oettinger weiß das. Seine Halsstarrigkeit ist auch Ausdruck der Überzeugung, dass gerade die junge Generation bei der Beurteilung von Menschen mehr verlangt als moralische Scheuklappen. Dass so mancher im Dritten Reich in schicksalhafte Situationen geriet, die uns Nachgeborenen glücklicherweise erspart blieben. Das macht Filbinger auf keinen Fall zum Widerstandskämpfer. Aber es relativiert."

Der Bonner GENERAL-ANZEIGER bemerkt:

"Filbinger hat mitgemacht, wie Millionen. Er allerdings an herausgehobener Stelle. Und es ist pure Semantik, wie Oettinger zu behaupten, durch kein Urteil Filbingers habe ein Mensch sein Leben verloren. Nein, seine diesbezüglichen Urteile konnten nicht vollstreckt werden. Und jenes, das vollstreckt wurde, erlebte Filbinger als Ankläger, nicht als Richter. Diese historischen Fakten sind bekannt und so weit das geht bewältigt. Mit Oettingers Trauerrede ist diese für die Union unangenehme Vergangenheit wieder aufgebrochen."

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG stellt fest:

"Es sind die Kollateralschäden einer Rede, mit denen die Beteiligten nun fertig zu werden haben. Angela Merkel hat, vielleicht wegen früherer Erfahrungen, mit der Veröffentlichung ihres Gesprächs mit Oettinger am Freitag den Ministerpräsidenten bloßgestellt. (...) Im Gegenzug bezweifeln nun Oettingers Freunde die Klugheit der Bundeskanzlerin (...)."

Abschließend dazu die STUTTGARTER ZEITUNG:

"Mag sein, dass sich dem Ministerpräsidenten nun die rechtskonservativen Herzen im Land zuwenden. Von dieser Seite droht seiner innerparteilichen Autorität vorerst keine Gefahr mehr. Sollte er beabsichtigt haben, seinem Konkurrenten Stefan Mappus, dem Chef der Landtagsfraktion, die Truppen abzuwerben, dann ist dieses Kalkül aufgegangen. Doch um welchen Preis! Oettinger hat einen Tumult ausgelöst, dessen Lärm bis in die USA reicht. (...) Sein bundespolitisches Renommee ist dahin, und im Land verliert er in der Mitte, was er rechts an sich binden kann."

Die deutschen Tageszeitungen kommentieren zu Wochenbeginn auch den 80. Geburtstag von Papst Benedikt XVI. Dabei werden sowohl die innerkirchlichen Verhältnisse als auch die Beziehungen zwischen Glauben und Gesellschaft beleuchtet.

Die KÖLNISCHE RUNDSCHAU stellt im Vergleich zu seinem Vorgänger Johannes Paul II. einen "Stilwandel" fest und führt aus:

"Hinter den Erfolgen seines Vorgängers sieht er eine schwere Krise seiner Kirche verborgen. Eine Kirche, die mit ihrer anspruchsvollen Botschaft unter den Meinungsdruck der ideologischen und religiös- fundamentalistischen Vereinfacher gerät. Einer Kirche zudem, in der Benedikt Verwirrung über die Aussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils sieht. (...) Benedikts Programm ist das Klarstellen der Aussagen des Konzils, das Zurückschneiden von Auswüchsen in der Liturgie und das Erklären des Glaubens."

Das BADISCHE TAGBLATT aus Baden-Baden konstatiert:

"Es ist das Spannungsfeld zwischen dem Wunsch nach Orientierung an traditionellen Werten und den Freiheiten der Gegenwart, das viele Katholiken umtreibt. Und dieses ist auch beim Papst zu spüren. Er feiert als erster Pontifex seinen Geburtstag, lädt seinen schärfsten Kritiker Hans Küng zum Gespräch ein für viele Konservative sind das kleine Revolutionen. Auf der anderen Seite setzt er auf eigentlich überholte Traditionen wie das Lesen lateinischer Messen für manche ein Zeichen von rückwärts gewandtem Denken. Benedikt XVI. ist ein Papst der Widersprüche."

Der in Bayreuth erscheinende NORDBAYERISCHE KURIER bemerkt:

"Mit freundlichem Antlitz, aber hart in der Sache, leitet er seine Kirche. Kritiker begleiten ihn noch immer in großer Zahl und mit Vehemenz, aber erstaunlich viele Menschen haben erfasst, dass die Welt solche Anker wie Benedikt XVI. braucht. Unverrückbare Persönlichkeiten vermitteln das erlösende Gefühl, dass doch nicht alles im Fluss ist und im Chaos zu versinken droht."

Die BRAUNSCHWEIGER ZEITUNG analysiert:

"Dieser Papst möchte die Kirche in Distanz zur Welt halten, er möchte die Glaubensgeheimnisse als Geheimnisse bewahren und nicht einem kritischen Geist aussetzen, unter dessen Einfluss sich am Ende der Glaube auflöst und verflüchtigt. Man kann mit gutem Grund diese Position als Fundamentalismus kennzeichnen."

Die Zeitung DRESDNER NEUESTE NACHRICHTEN kommt zu dem Schluss:

"Dies muss nicht zum Nachteil der Kirche sein. Wo Familienbindungen in Auflösung sind und Konsum-Enttäuschte Orientierung suchen, bietet Benedikt ein klares Gegenprogramm. Und provoziert Widerspruch. Dass er die Wirkung seiner Mohammed-Zitate nicht bedacht hat, brachte ihm einen Sturm der Entrüstung ein. Doch sein Weckruf gegen islamistische Gewalt zeigt auch positive Wirkung: Dass eine Frankfurter Familienrichterin die Scharia mit dem Grundgesetz verwechselt, wird in Deutschland nicht mehr kommentarlos zur Kenntnis genommen."