1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Pressestimmen von Montag, 19. August 2002

zusammengestellt von Frank Gerstenberg18. August 2002

Die Hochwasserkatastrophe in Deutschland

https://p.dw.com/p/2ZKj

Die Hochwasserkatastrophe an der Elbe drängt alle anderen Themen in den Hintergrund. Die Kommentatoren der deutschen Zeitungen befassen sich in allen Facetten mit den wirtschaftlichen und politischen Auswirkungen der Jahrhundertflut.

Die RHEIN-ZEITUNG aus Koblenz kritisiert das Verhalten des Unions-Kanzlerkandidaten:

"Genau so sollte es nicht sein: Bayerns Ministerpräsident und Kanzlerkandidat Edmund Stoiber lädt am Wochenende seine Kollegen von Sachsen und Sachsen-Anhalt zu einem Hochwasser- Krisengipfel ein. Brandenburgs Ministerpräsident bleibt außen vor, 'sein' Hochwasser steht in SDP-Land. Und weil natürlich auch die Union die Flut als dramatisch erkannt hat, wird gleich ein knallharter Forderungs- katalog an die Bundesregierung auf den Weg nach Berlin geschickt."

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG schließt sich der Kritik an, wirft aber auch Bundeskanzler Schröder Fehler vor:

"Das Treffen des Kanzlerkandidaten Stoiber mit den betroffenen CDU-Länderchefs unter Ausschluss des brandenburgischen SPD-Kollegen am Wochenende war eine Instinktlosigkeit, die bei den Wählern schwerlich einen guten Eindruck hinterlassen hat. Ähnlich verkehrt ist die demonstrativ bekundete Bereitschaft des Bundeskanzlers, sich notfalls nicht mehr um die europäischen Stabilitätskriterien zu scheren. Neue Schulden wären der sicherste Weg, der augenblicklichen Hilfsbereitschaft den Wind aus den Segeln zu nehmen. Wo Not herrscht, darf man ein Notopfer, einen Flut-Soli, verlangen. Aus der bemerkenswerten Großzügigkeit der deutschen Bevölkerung muss eine langfristig rechnende Politik werden."


Die STUTTGARTER NACHRICHTEN warnen schon im Hinblick auf die europäische Solidarität vor Parteiengezänk:

"Erst wenn sich Deutschland selbst als fähig erweist, die Folgen der Naturkatastrophe zu meistern, hat es Anspruch auf jene europäischen Finanzhilfen, für die es aus Brüssel bereits grünes Licht gibt. Deshalb sollten die Wahlkämpfer aller Lager - mit Rücksicht auf die Menschen in den Krisengebieten und auf unsere Partner in der Europäischen Union - jeden kleinlichen Zwist vermeiden. Sobald fest steht, wie viel Geld für den Wiederaufbau von Bayern bis Brandenburg erforderlich ist, müssen sich die Verantwortlichen auf eine angemessene und gerechte Lastenverteilung einigen. Ob das am Ende ein Flut-Cent ist, ein Solidaritätsfonds oder ein Notopfer im Rahmen des Solidarpakts II, ist eine Frage der Finanzierungstechnik. Wichtig bleibt allein, dass den Betroffenen schnell und umfassend geholfen wird."


Die FRANKFURTER RUNDSCHAU befasst sich gleichwohl mit dem Aspekt Bundestagswahlkampf. Das Blatt glaubt, dass das Hochwasser dem Bundeskanzler nützt:

"Ein Kanzler, der in der Not Hilfe verspricht, der Flutopfern in die Augen schaut und den die Schäden erkennbar bedrücken, das alles macht ihn - jedenfalls für einige Zeit - wieder zum Herrn des Wahlkampfgeschehens. Tatsächlich haben die tosenden Fluten Emotionen und Ansprüche befördert, die Schröder allemal besser bedienen kann als sein Herausforderer Stoiber. Die Themenmischung des Wahlkampfs hat sich jedenfalls verändert. Aus dem zurückbleibenden Schlamm der Flut wächst der Regierung ein Pfund zu, mit dem sie bisher im Wahlkampf kaum zu wuchern wusste: die Umweltpolitik. Da hat sie einiges vorzuweisen."

Die WESTDEUTSCHE ZEITUNG aus Düsseldorf fasst die öffentliche Wahrnehmung der Flutkatastrophe zusammen:

"Zwei Gegensätze fallen angesichts der Flutkatastrophe in Deutschland auf: Eine beeindruckende Solidarität und Hilfsbereitschaft der Bevölkerung und kleinlicher Streit der Politiker. Wäre es eigentlich nicht selbstverständlich, dass die Parteien wie die Bürger in diesen für weite Teile des Landes so schweren Tagen zusammen stehen? Doch leider haben wir Wahlkampf, und da will jeder mit der Flut sein eigenes Süppchen kochen. Ziemlich widerlich!"

Auf die europäische Dimension des Ereignisses geht hingegen die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt/Oder ein:

"Bundespräsident Rau hat die Hilfe für das Überflutungsgebiet zur 'nationalen Aufgabe' erklärt. Genau das ist die Dimension, in der jetzt gedacht werden muss. Vielleicht ist Rau sogar nicht weit genug gegangen, und so ist es gut, das Claude Martin, Frankreichs Botschafter in Deutschland, das richtige Wort gefunden hat. Europäisch und geschichtsbewusst bezeichnete er angesichts des zerschlammten Dresden die Katastrophe als 'europäisches Ereignis.' Europas Völker üben Solidarität mit Deutschland, sicher auch Tschechien und Österreich. Hier bewährt sich eine Gemeinschaft, die vielleicht doch nicht so blutleer ist, wie man ihr nachsagt."