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Pressestimmen von Montag, 24. April 2006

Michael Wehling23. April 2006

Tarifeinigung in der Metallindustrie / Diskussion über Grundsatzprogramme bei CDU und SPD

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Marathon-Verhandlungen in Düsseldorf haben Metall-Arbeitgeber und Gewerkschaft IG Metall den Tarifkonflikt in der größten deutschen Industriebranche beigelegt. Die Zeitungskommentatoren bewerten den Abschluß positiv. Zweites Thema dieser Presseschau ist der Beginn der Debatten sowohl in der CDU als auch in der SPD über neue Grundsatzprogramme.

Zunächst zur Tarifeinigung bei Metall. Der GENERAL-ANZEIGER aus Bonn führt aus:

'Für die IG Metall psychologisch am wichtigsten: Vor dem Komma steht eine drei. Das ist deutlich mehr, als nach dem ersten Arbeitgeberangebot von 1,2 Prozent zu erwarten war. Ein Ergebnis, mit dem sich die Funktionäre vor den 3,4 Millionen Beschäftigten der Branche gut sehen lassen können.'

Die in Essen erscheinende NEUE RHEIN/NEUE RUHR ZEITUNG bemerkt:

'... natürlich wussten die Arbeitgeber, dass angesichts der zufriedenstellenden Lage der Metall- und Elektrobranche die Erwartungen in den Belegschaften hoch waren, die Gewerkschaft schon aus psychologischen Gründen unbedingt eine drei vor dem Komma brauchte. Und natürlich musste es sie reizen, mit den Einmalzahlungen erstmals einen Teil des Lohnes flexibel gestalten zu können. Diese tarifpolitische Innovation wird sicher Schule machen.'

Auch der KÖLNER STADT-ANZEIGER unterstreicht die Bedeutung der Flexibilisierung der vereinbarten Einmalzahlung:

'Der Düsseldorfer Friedensschluss zwischen IG Metall und Arbeitgebern ist mehr als nur ein Abkommen über höhere Löhne: Er ist ein Meilenstein in der Tarifpolitik. Denn die machtbewusste Gewerkschaft gibt Macht und Einfluss ab an die Betriebsparteien; diese können erstmals selber entscheiden, wie hoch die Einkommenssteigerungen tatsächlich ausfallen werden.'

Ein rundum positives Fazit zieht die FRANKFURTER RUNDSCHAU:

'Der Tarifabschluss bietet die Chance, die Metall- und Elektroindustrie - zu der eben Unternehmer und Beschäftigte gehören - zu stärken. ... Die Branche boomt und ihre Produktivität steigt beständig. Viele Firmen werden auch in diesem Jahr ihre Lohnstückkosten senken und damit wettbewerbsfähiger. Gerät ein Betrieb in die Krise, kann er schnell reagieren und die vereinbarte variable Einmalzahlung kürzen. Der Tarifvertrag ermutigt obendrein Betriebe, in neue Produkte zu investieren und Beschäftigte weiterzubilden. Auch das tut dem Standort Deutschland gut.'

Abschließend ein Zitat aus der STUTTGARTER ZEITUNG. Ihr Kommentator blickt schon voraus:

'Jetzt bleibt eine nur kurze Atempause - die Tarifrunde 2007 ist bereits in Sicht. Schon bald wird die IG Metall anfangen, wieder mit den Muskeln zu spielen. Und die Arbeitgeber werden sich auf die Frage konzentrieren, wie sie die betrieblichen Gestaltungsspielräume ausweiten können. Gelegenheit gibt ihnen der Pforzheimer Tarifvertrag von 2004, der im nächsten Jahr einer Revision unterzogen werden soll. Dann bekommt Gesamtmetall eine neue Chance, die Tarifpolitik zu modernisieren, um Arbeit in Deutschland zu halten.'


Damit zum nächsten Thema, dem Beginn der Arbeiten von CDU und SPD an neuen Grundsatzprogrammen.

Die BADISCHEN NEUESTEN NACHRICHTEN aus Karlsuhe notieren:

'Während Angela Merkel die Ihren ... vergleichsweise leicht hinter sich scharen wird, steht Kurt Beck, der Neue an der SPD-Spitze, vor einem schwierigen Spagat. Er muss seine Partei von der Union absetzen und das soziale Profil schärfen und gleichzeitig die SPD als verlässlichen Regierungspartner auf Kurs halten, der an der notwendigen Modernisierung des Landes mitarbeitet. Gleichzeitig opponieren und regieren - ob das wohl gut geht?'

Das HANDELSBLATT aus Düsseldorf macht sich grundsätzliche Gedanken:

'Überlebenschancen haben Leitsätze nur noch, wenn sie so allgemein und gleichzeitig knapp formuliert sind, dass sie als Wegweiser in der Tagespolitik nicht mehr taugen. Dies ist kein Drama. Ohnehin entscheiden letztlich die politischen Führungsfiguren und nicht etwa die ausformulierten Programme darüber, wer Wahlen gewinnt, weil Wähler zu Recht den Menschen vertrauen und nicht den Papieren. Sinnlos ist die Arbeit an Grundsatzprogrammen aber dennoch nicht. Im besten Fall kann sie, wie Bad Godesberg für die SPD gezeigt hat, in Schlüsselmomenten durchaus eine neue Identität stiften. Ganz nebenbei können Parteivorsitzende damit die überschüssigen Energien ehrgeiziger Politiker auf ungefährliche Weise kanalisieren. Wer keinen attraktiven Posten abbekommt, kann sich zumindest in 'Programm-Kommissionen' verwirklichen.

Die BERLINER ZEITUNG lenkt den Blick auf die SPD:

'... die Beratungen haben noch nicht begonnen, da wird schon klar, an welchen Klippen sie zerschellen werden. ... Für die Bürger heißt das: Steuererhöhung. Und schon ist das ganze Dilemma der SPD beschrieben. Sie will, was sie nicht kann; sie muss, was sie nicht will. In Zeiten wirtschaftlicher Schwäche in Deutschland und wirtschaftlicher Stärke in der Welt hat die SPD nichts zu verteilen, ... In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit ist der Staat erpressbar. Erpressbar durch international operierende Konzerne, die in Ingolstadt zu indischen Bedingungen produzieren möchten.'

In der Tageszeitung TAZ, ebenfalls aus Berlin lesen wir:

'Die SPD entsorgt das Erbe der rot-grünen Regierungszeit. Die Steuern permanent zu senken und damit die demokratischen Institutionen peu à peu zu entmachten sei ein Irrtum gewesen, stellen die künftigen SPD-Spitzen Jens Bullerjahn und Kurt Beck fest. Ein grundsätzlicher Sinneswandel: Hatte doch Exkanzler Gerhard Schröder beschieden, dass es keine linke oder rechte, sondern nur noch eine moderne Wirtschaftspolitik gebe. Nun ist die Politik, die Schröder und sein Finanzminister Hans Eichel betrieben, selbst unmodern geworden.'