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Pressestimmen von Montag, 24. Juli 2006

Frank Wörner23. Juli 2006

Diplomatische Bemühungen in Nahost / Lobbyisten im Bundestag

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Der Verzicht des Bundestagsabgeordneten Norbert Röttgen auf einen Spitzenposten beim BDI und der Konflikt im Nahen Osten sind die beherrschenden Themen in den Kommentarspalten der deutschen Tagespresse.

Die FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND bewertet die Bemühungen um eine diplomatische Lösung des Nahost-Konflikts:

'Den schnellen Frieden haben weder die US-Außenministerin noch Bundesaußenminister Steinmeier im Reisegepäck. Denn die Logik der militärischen Eskalation ist fatal: Es ist einfacher, den Konflikt zu beginnen, als ihn wieder zu beenden. Wann sich das Fenster für einen Waffenstillstand, gar Frieden öffnet, ist derzeit nicht zu erkennen und jede Vermittlertätigkeit vor diesem Hintergrund zum Scheitern verurteilt.'

Die LANDESZEITUNG aus Lüneburg schreibt:

'Steinmeier hätte nach Washington fliegen sollen. Dort liegt der Schlüssel für einen Waffenstillstand. Solange die USA Rückendeckung gewähren für die Zerschlagung der Hisbollah, dauert der Feldzug an. Zur Freude Syriens und Irans: Damaskus kann auf ein Comeback als Ordnungsmacht im Libanon hoffen, Teherans Griff nach der Atombombe gerät vorerst in Vergessenheit. Eine Friedenstruppe ist nur auf den ersten Blick eine verlockende Lösung.'

Der Bonner GENERAL-ANZEIGER sieht den möglichen Einsatz einer internationalen Schutztruppe ebenfalls kritisch:

'Friedenseinsätze der Truppen sind nur so gut, wie die Voraussetzungen, die alle Beteiligten zuvor schaffen. Und genau daran fehlt es. Washington hält sich raus, Moskau wartet ab, Syrien und Iran mischen im Hintergrund über bewaffnete Milizen mit - was soll Europa da ausrichten? Wenn es nicht gelingt, die Gesprächs- und Verhandlungsfähigkeit aller Seiten wieder herzustellen, sind auch Friedenstruppen sinnlos.'

Das HAMBURGER ABENDBLATT denkt dagegen bereits einen Schritt weiter:

'Sollte es tatsächlich zu einem Mandat für eine internationale Truppe im Libanon kommen, wird sich Deutschland bei den intensiven Verflechtungen der Bundeswehr in Nato- oder EU-Strukturen kaum heraushalten können. Und es könnte gerade ein Zeichen dafür sein, dass sich Deutschland damit auch der besonderen historischen Verantwortung gegenüber Israel stellt.'

Und schließlich kritisiert die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG:

'Das Recht auf Selbstverteidigung kann nicht dazu führen, internationale Regeln wie den Schutz der Zivilbevölkerung außer Kraft zu setzen. Solche Mahnung gehört zu der Solidarität mit Israel, wie sie der Zentralrat der Juden in Deutschland fordert. Solidarität verlangt nicht ein 'Ja und Amen' zu Israels Politik in toto, wie das der Zentralrat gerne hätte, und schon gar kein 'Bravo', wie es sich der israelische Botschafter in Deutschland erwartet. Einen solchen Solidaritätszuschlag kann es nicht geben. Man darf und muss beklagen, dass Israel sich seine Feinde züchtet und zur Verewigung eines mörderischen Konflikts beiträgt.'


Die ABENDZEITUNG aus München kommentiert den Verzicht des Bundestagsabgeordneten Norbert Röttgen auf einen Spitzenposten beim BDI:

'Es ist bizarr: Da zieht der CDU-Abgeordnete Norbert Röttgen in letzter Sekunde unter massivem Druck die Notbremse und verzichtet auf eine Doppelfunktion im Parlament und beim Bundesverband der Deutschen Industrie. Und wird dann von angeblich staatstragenden Medien als Held gefeiert, der 'feines Gespür' bewiesen habe, 'standhaft' geblieben sei und sich für höhere Funktionen in der Politik qualifiziert habe. Keine Frage: Röttgen ist ein kluger Kopf und ein fähiger Politmanager. Dass er aber - wie andere Mandatsträger, die sich nebenbei als Gewerkschaftsfunktionäre, Geschäftsführer oder Aufsichtsräte verdingen - nassforsch glaubte, auf sein keineswegs schlecht vergütetes Mandat als Volksvertreter mal eben den Job eines Cheflobbyisten draufpacken zu können, ist schlicht ein dreistes Stück.'

Die MÄRKISCHE ALLGEMEINE aus Potsdam sieht nun ein -Zitat- 'fröhliches Lobbyisten-Jagen im Bundestag: Reinhard Göhner, der dem Bundestag seit 1983 angehört, ist Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Diese Doppelrolle, an der sich zehn Jahre lang niemand störte, erscheint nun, im Zuge der Röttgen-Debatte, auf einmal suspekt. Diener zweier Herren, sagen die Kritiker, könne man nicht sein. Schon möglich, aber das muss dann konsequenterweise für alle gelten - also auch für die drei hauptberuflichen Gewerkschaftsfunktionäre im Bundestag.'

Die STUTTGARTER NACHRICHTEN sehen im Fall Röttgen eine Chance:

'Vielleicht eröffnet Röttgens Schritt nun nochmal eine neue Grundsatzdebatte um bezahlte Nebentätigkeiten. Ansatzpunkte dafür gab es immer, aber Konsequenzen wurden nie gezogen. Der wohlfeile Ruf nach einem Verhaltenskodex nützt nichts. Was nicht sein darf, muss gesetzlich geregelt werden.'

Die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG aus Heidelberg merkt an:

'Abgeordnete sind Lobbyisten - der Bürger. Sie sollen die Interessen des Volkes vertreten. Und nicht die Interessen von Verbänden, Gewerkschaften oder Vereinen. Weil das aber oft schwer voneinander zu trennen und weil auch der Abgeordnete nur ein Mensch ist, herrscht ein gesundes Misstrauen vor, wenn Politik und vor allem Wirtschaft eine allzu enge Symbiose eingehen.'

Schließlich schlägt die KÖLNISCHE RUNDSCHAU vor:

'Vielleicht sollte das Thema gedreht werden. Wie wäre es mit zeitlich, auf zwei Legislaturperioden, begrenzten Mandaten? Beruf und Parlamentstätigkeit könnten klar getrennt werden. Voraussetzung wären entsprechende Rückkehrmöglichkeiten. Ein Parlament aus Politikern ohne anderen Beruf ist genau das, was es für seine Bodenhaftung nicht braucht.'