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Pressestimmen von Montag, 24.Juni 2002

Eleonore Uhlich24. Juni 2002

Rücktritt Stolpe / PISA-Studie

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In den Kommentaren der deutschen Zeitungen geht es an diesem Montag fast ausschließlich um den angekündigten Rücktritt von Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe.

Zunächst die in Halle erscheinende MITTELDEUTSCHE ZEITUNG:

"Nach dem Ende der Ministerpräsidenten-Karriere von Kurt Biedenkopf vor zwei Monaten tritt jetzt der zweite Landesvater ab, der die Geschicke seines Landes von der ersten Stunde nach der Wende an lenkte. Trotz unterschiedlicher politischer Ansätze und persönlicher Herkunft haben der Sozialdemokrat Stolpe und der Christdemokrat Biedenkopf den Aufbau ihrer Bundesländer mit hohem Engagement vorangebracht. Und - was noch wichtiger ist - wie der (Neu-)Sachse hat es auch der Brandenburger verstanden, den Menschen im Osten Selbstbewusstsein und Stolz auf die eigene Identität vorzuleben."

In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG lesen wir:

"Kann es gleichwohl Zufall sein, daß Stolpe wenige Tage nach seinem Bekenntnis, die öffentliche Rüge des Bundespräsidenten mache ihm 'zu schaffen', den Rücktritt ankündigt? Es kann. Einer wie Stolpe tritt nicht zurück, weil ihn der Bundespräsident für etwas rügt, das er für den Bundeskanzler und SPD-Vorsitzenden getan hat. Einer wie Stolpe tritt trotz einer solchen Inzidenz zurück, weil er diesen Schritt als richtig befunden und so beschlossen hat."

Die WESTFÄLISCHEN NACHRICHTEN aus Münster sehen es so:

"Der Termin kurz nach der öffentlichen Rüge seines damaligen Entdeckers und heutigen Bundespräsidenten Rau mag Zufall gewesen sein. Aber er ist zugleich der letzte Mosaikstein in einem von langer Hand vorbereiteten Wechselbild. Die Mischung aus Anerkennung und Bedauern, dass der ehemalige Konsistorialrat geht, kann die Schattenseiten der Ära Stolpe nicht verdrängen. Dazu gehören die Stasi-Vorwürfe gegen ihn ebenso wie die gescheiterte Länderfusion Brandenburgs und Berlin und ganz aktuell die Probleme von Cargolifter und Lausitzring."

Die NÜRNBERGER NACHRICHTEN befassen sich mit Stolpes künftigen Aufgaben:

"Manfred Stolpe wird frei für den Bundestags-Wahlkampf. Er soll den Bürgern in Ostdeutschland in der knappen Zeit bis zum 22.September vermitteln, dass ihre Probleme vom Kanzler ernst genommen werden. Nachweislich sind nämlich die Wähler in den neuen Bundesländern die wankelmütigsten in der ganzen Republik."

Der NORDKURIER aus Neubrandenburg fügt hinzu:

"Aus Stolpes Ost-Popularität will seine Partei jetzt Vorteile ziehen. Denn die Lage ist für die Sozialdemokraten in den neuen Ländern gegenwärtig alles andere als gut. Stolpe weiß zumindest, wie die Leute hier ticken, er weiß wie schlecht die Lage ist. Und sagt dies auch. Damit dürfte er ziemlich allein in der Kampa dastehen. Vielleicht ist er deshalb so wichtig für Schröder."

Die BERLINER ZEITUNG blickt auf den designierten Nachfolger:

"Stolpe erweist sich als ein großer Ministerpräsident, der sich hinter die Aufgabe zurückstellen kann. ... Matthias Platzeck sollte nicht versuchen, seinen Namen an die Stelle zu setzen, obwohl alle das ... von ihm erwarten. ... Platzeck gehört einer Schicht junger, pragmatischer Politiker an, die nun nach und nach im Osten die Geschicke übernehmen. Sie sind aufgewachsen in der DDR, aber politisch sozialisiert unter den Bedingungen der Einheit. Diese Politiker sind eine Chance für ganz Deutschland."

Schließlich noch die BADISCHEN NEUEN NACHRICHTEN aus Karlsruhe:

"Der 48jährige Platzeck, der noch immer als Nachwuchstalent gehandelt wird, gehört vor allem deshalb zu Schröders Lieblingen, weil er geschmeidig argumentiert und seiner Arbeit ohne ideologische Scheuklappen nachgeht. Ein Medientalent ist er auch und das schiere Gegenteil des Jammer-Ossis: So eine Karriere endet nicht in der Potsdamer Staatskanzlei."

Zum Abschluß dieser Presseschau noch die KÖLNISCHE RUNDSCHAU zum Schüler- Leistungsvergleich PISA:

"Alle Spiegelfechtereien bleiben ärgerlich, wenn selbst das "erfolgreichste" Bundesland im internationalen Vergleich mit Platz 10 bis 12 unter 31 gerade einmal ans Ende des vorderen Drittels heranreicht. Zur Selbstzufriedenheit besteht nirgendwo Anlass. Versagt haben alle, wenn auch die roten etwas mehr als die schwarzen Bildungspolitiker. Statt sich nun gegenseitig Fehler vorzurechnen, wäre es zum Wohle aller sinnvoller, zu lernen: weniger erfolgreiche Bundesländer von etwas erfolgreicheren, alle zusammen aber von Modellen in Staaten unseres Kulturkreises, deren Schulsysteme besser abgeschnitten haben."