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Pressestimmen von Montag, 8. Januar 2007

Ulrike Quast7. Januar 2007

SPD will sich neu positionieren / Polnischer Erzbischof tritt zurück

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Der Vorstand der Sozialdemokraten hat einstimmig den Entwurf für ein neues Grundsatzprogramm gebilligt. Zudem wurden in Bremen Richtungsentscheidungen getroffen, mit denen sich die SPD in der großen Koalition deutlicher von der Union abgrenzen will. So soll ein Rechtsanspruch auf kostenlose Ganztagsbetreuung von Vorschulkindern durchgesetzt werden.

Zur künftigen SPD-Sozialpolitik meint die RECKLINGHÄUSER ZEITUNG:

"Die Sozialdemokraten haben jenseits der Frage von Praxistauglichkeit einzelner Ideen die große Linie klar gemacht, wie sie sich für den nächsten Kampf um das Kanzleramt rüsten wollen. Nicht mit einer 180-Grad-Wende weg von Schröderscher Agenda-Politik, aber mit einer kräftigen Betonung des Sozialen."

Die KÖLNISCHE RUNDSCHAU ist der Ansicht:

"Dass die SPD beim Thema «Familien und Kinder» einen Schwerpunkt setzt, ist selbstverständlich. Auf diesem Feld verteidigt sie in Umfragen seit je einen Vorsprung in der Kompetenz-Zuschreibung. Aber die Union hat da zuletzt gehörig aufgeholt. Darauf musste die SPD reagieren. Es steckt also viel Taktik in den Vorstößen. Gleichwohl zielen sie in die richtige Richtung. Es geht nicht um Gedöns' sondern um Wachstumspolitik. Die Kostenfrage ist entscheidend: Dass der Kindergarten teuer ist, die universitäre Bildung aber bis vor kurzem flächendeckend kostenlos, ist ein Aberwitz."

Zum Entwurf des neuen Grundsatzprogramms heißt es in der Hagener WESTFALENPOST:

"In der Farbenlehre ist die SPD wieder bei rot angekommen. Das ist aber nicht unbedingt mit einem politischen Linksruck verbunden. SPD-Chef Beck steht nicht unter dem Verdacht, ein besonders eifriger Reformer zu sein. Gleichwohl wollen die Sozialdemokraten Antworten parat halten, um auf Herausforderungen reagieren zu können: Dabei steht die Sozial- und Familienpolitik im Fokus der SPD. Da Beck deutlich gemacht hatte, bei den Reformen auf die Bremse zu treten, darf man die Bremer Erklärungen im Grundsatz als Verschiebebahnhof verstehen. Viel Gerede, wenig Umsetzbares."

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG weist darauf hin:

"Die SPD hat noch nie in ihrer Geschichte ein neues Grundsatzprogramm als Regierungspartei ausgearbeitet. Es mag den jetzt ablaufenden Prozess politisch erleichtern, dass die SPD, anders als in den sieben rot-grünen Regierungsjahren, den Kanzler nicht stellt. Programmatischer Streit fällt leichter, wenn er der Profilierung gegen eine Bundeskanzlerin Merkel dient und nicht Gefahr läuft, das eigene Führungspersonal zu demontieren. (...) Unter Beck werden derlei Debatten nicht mehr als offene und öffentlich zugespitzte Konflikte ausgetragen. Man streitet ohne Krachmacherei, was das Bilden von Mehrheiten erleichtert und womöglich zur Bedingung hat."


Themenwechsel. In Polen ist der designierte Erzbischof von Warschau nach seinem Eingeständnis von Kontakten zum früheren kommunistischen Geheimdienst zurückgetreten. Die Diskussion über die Vergangenheit von Stanislaus Wielgus stürzte die katholische Kirche Polens in eine Glaubwürdigkeitskrise, da sie stets als Symbol des Widerstands gegen das kommunistische System galt.

Hierzu schreibt die FRANKFURTER NEUE PRESSE:

"Sein Rücktritt war unumgänglich. Zwar mag es menschlich verständlich sein, dass er unter Druck mit dem Geheimdienst kooperierte. Als Erzbischof muss er sich jedoch an höheren moralischen Maßstäben messen lassen als ein normaler Bürger. Hinzu kommt die besondere Rolle der Kirche in Polen, die zum Fall des Kommunismus beitrug. Wenn in diesem Land ein Erzbischof als Spitzel der Kommunisten gilt, verliert die katholische Kirche dort an Ansehen, wo sie besonders starken Zuspruch hat. Papst Benedikt wird also bei seiner Personalpolitik vorsichtiger sein müssen. Denn das vollste Vertrauen ist für die Kirche mehr als eine Redewendung. Es ist ihre Grundlage."

Die WESTFÄLISCHE RUNDSCHAU aus Dortmund vermutet:

"Der späte Verzicht des neuen Warschauer Erzbischofs Stanislaw Wielgus kann im Vatikan allenfalls vordergründig Erleichterung auslösen. Der in Spitzeltätigkeiten für den kommunistischen Geheimdienst verstrickte Geistliche steht für mehr als eine Peinlichkeit. Sein Fall wird Weiterungen haben. Er beschädigt das Bild der Katholischen Kirche als Totengräber des Kommunismus. Der Papst aus Polen, der sich an die Seite der Gewerkschaft Solidarnosc stellte und den Eisernen Vorhang zu Fall brachte, hatte in der Priesterschaft Widersacher, die dem kommunistischen Regime zuarbeiteten und dies bis heute leugnen und verschweigen. Eine bittere Erkenntnis."

Die NÜRNBERGER ZEITUNG erinnert:

"Der Papst war über alle Einzelheiten der Vergangenheit des Kirchenführers informiert, hieß es bis zuletzt, und er hielt dennoch an dessen Nominierung fest. Oder müsste es nicht heißen: gerade deswegen? Vielleicht weiß man im Vatikan ja mehr über die Rolle von Stanislaw Wielgus als man öffentlich einräumen will."

Abschließend ein Blick in die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt/Oder:

"Die Affäre Wielgus bringt auch den Papst in Bedrängnis, der sich fragen lassen muss, warum er die Ernennung bestätigte. Mehr noch aber bekommen die Kaczynski-Zwillinge Probleme. Weil sie Polen eine moralische Erneuerung verordnet haben, kamen sie mit Unterstützung vieler Priester an die Macht. Jetzt stellt sich die Frage, auf wie viel Einsicht auch in eigene Fehler und Schwächen ihre moralischen Ansprüche eigentlich aufgebaut sind. Zudem ist Polens Bevölkerung, die zum Großteil aus gläubigen Katholiken besteht, von den Vorgängen tief betroffen und über deren Bewertung gespalten."