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Pressestimmen von Samstag, 13. Januar 2007

Gerd Winkelmann12. Januar 2007

Gesundheitsreform - Durchbruch oder Murks?

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Das Dauergezänk zwischen Union und SPD um die Gesundheitsreform scheint vorerst beendet. Die Koalitionäre einigten sich auf neuerliche Änderungen vor allem beim Zugang zu den privaten Kassen, die bis zuletzt der Hauptstreitpunkt waren. Die deutsche Tagespresse bewertet den Kompromiss an diesem Samstag eher skeptisch:

Die Hagener WESTFALENPOST schreibt etwa:

'Vielleicht war der gestrige Tag, die Einigung im schwarz-roten Hickhack um die Gesundheitsreform, ja doch ein guter Tag. Jedenfalls dann, wenn mit der Einigung der Dauerstreit um diese Reform nun endlich beigelegt sein sollte - und die Bürger nicht mehr mit weiteren meist überflüssigen Nörgeleien frustrierter Provinzfürsten gequält werden, mit oft unqualifizierten Prognosen (...) Nur leider ist das alles nicht zu erwarten. (...) Auch wenn das 'GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz' am 1. April in Kraft tritt - die Debatte um die Gesundheitsreform wird weitergehen. Weil sie wesentliche, von den Koalitionspartnern selbstgesetzte Ziele verfehlt.'

Für die TAGESZEITUNG aus Berlin steht das Urteil fest:

'Jetzt ist den Berliner Koalitionspartnern tatsächlich gelungen, worauf ihre Bemühungen um das Gesundheitswesen seit Monaten hinausliefen: Sie haben es geschafft, aus der geplanten Reform die letzten wirksamen Bestandteile zu tilgen. Neue Ärztehonorare erst 2011, Wechsel in den privaten Basistarif nur für ein halbes Jahr und auch das erst 2009: Diese und viele andere Beschlüsse stellen nun endgültig sicher, dass die Reform schon am 1. April in Kraft treten kann - weil sie auf Jahre hinaus folgenlos bleibt.'

Im KÖLNER STADTANZEIGER lesen wir folgendes:

'Der jetzt erzielten Einigung fehlt jeglicher Sinn. Die wenigen noch im Entwurf enthaltenen Verbesserungen wurden Schritt für Schritt abgeschwächt, verunstaltet, herausverhandelt. Das Ausmaß des politischen Versagens wird erkennbar, wenn man die Reform an ihren ursprünglichen Zielen misst. Ein leistungsfähiges, solidarisches und demographiefestes Gesundheitswesen sollte installiert, ein fairer Wettbewerb zwischen privaten und gesetzlichen Krankenkassen geschaffen, die nachhaltige Finanzierung des Systems sichergestellt werden. Jetzt preist die SPD die Versicherungspflicht für alle als größten Erfolg, die Union den Erhalt der Privaten Krankenversicherung.'

Der NORDBAYERISCHE KURIER aus Bayreuth schaut voraus:

'Die Ausgangskonzepte der Parteien von Bürgerversicherung und Kopfpauschale waren wie Feuer und Wasser. Der Versuch, beide zu kreuzen, führt nun zu der bürokratischen Missgeburt eines Gesundheitsfonds. Trotzdem behaupten beide Elternteile - SPD und Union - ihr Geschöpf trüge die Züge von Bürgerversicherung beziehungsweise Kopfpauschale. Wem es wirklich mehr ähnelt, wird sich erst nach der nächsten Bundestagswahl zeigen.'

Folgendes lesen wir in den STUTTGARTER NACHRICHTEN:

'Gewisse Wortbildungen sind durch den politischen Sprachgebrauch derart belastet, dass sich ihr weiterer Einsatz verbieten sollte. Die Floskel, man habe einen 'endgültigen Durchbruch' erzielt, steht ganz oben auf dem Index. Vor allem, wenn sie im Zusammenhang einer Gesundheitsreform fällt. Es feiert sich ein tief zerstrittenes Bündnis dafür, letzte Details eines schalen Kompromisses geklärt zu haben, der zentrale Probleme der Krankenversicherung ungelöst lässt. Natürlich ist zu begrüßen, wenn zehntausende, die bisher ohne Schutz sind, sich wieder versichern können. Aber die Finanzmisere der kranken Kassen bleibt ohne jede Antwort.'

Die OSTSEE-ZEITUNG aus Rostock schreibt:

'Die Große Koalition feiert ungefähr den dritten Durchbruch in der Gesundheitsreform. In der Tat ist es ein Erfolg, die allgemeine Krankenversicherungspflicht durchgesetzt zu haben. Hunderttausende bislang ausgeschlossene Menschen können künftig wieder von einem der besten Gesundheitssysteme der Welt profitieren. Doch die eigentlichen Herausforderungen bleiben. Die Gesellschaft altert weiter, die Zahl der Beitragszahler in die Krankenkassen schrumpft. Medizinische Betreuung soll dennoch bezahlbar für alle bleiben.'

Hier ein Blick in den Kommentar der FRANKFURTER ALLGEMEINEN:

'Die Gesundheitsreform, auf deren Details sich die Koalition geeinigt hat, firmiert als Wettbewerbsstärkungsgesetz. Aber weder Ministerin Ulla Schmidt noch die Verhandlungsführer aus Union und SPD nahmen bei der Vorstellung das Wort Wettbewerb in den Mund. Sie wussten warum: Von den wenigen Wettbewerbselementen, die das Gesetz hatte, wurden wichtige noch herausgebrochen. (...) Diese Reform ist verkorkst, falsch und kontraproduktiv.'

Zu guter Letzt schauen wir in die SÜDWEST-PRESSE aus Ulm:

'Am liebsten hätten Gesundheitsministerin Ulla Schmidt und die SPD die Gesundheitsreform genutzt, um die private Krankenversicherung platt zu machen. Ihr Vorwurf: Ausgerechnet die Besserverdienenden drücken sich vor der Solidarität mit den übrigen Bürgern, die gesetzlich versichert sind, und bekommen das auch noch durch kürzere Wartezeiten beim Arzt belohnt. (...) Eine Versicherungspflicht für alle Bundesbürger war überfällig. (...) Ebenso sollte selbstverständlich sein, dass sich auch die privaten Versicherer - und damit deren Kunden - an den Kosten für diejenigen beteiligen, die durch die Versicherungsbeiträge überfordert sind.'