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Pressestimmen von Samstag, 15. Dezember 2007

Thomas Grimmer14. Dezember 2007

Bundestag beschließt Post-Mindestlohn

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Nach monatelangem Hin und Her hat der Bundestag den Post-Mindestlohn beschlossen. Ein sozialpolitischer Fortschritt oder ein folgenschwerer Fehler, der viele Jobs kosten wird? Die Kommentatoren der deutschen Tagespresse sind unterschiedlicher Ansicht.

So heißt es in der WELT - sie erscheint im Berliner Axel-Springer-Verlag, der nach dem Beschluss des Bundestages ankündigte, seiner Post-Tochter PIN kein Geld mehr zu Verfügung zu stellen:

"Nicht der Mindestlohn ist ein Problem - wohl aber ist dieser Mindestlohn ein Problem. (...) Weil sich (...) die Einsicht durchgesetzt hatte, dass verriegelte Arbeitsmärkte nur zum Schutz von Arbeitsplatzbesitzer-Privilegien da sind und Unternehmen keine Zukunft haben, die einfach nur die stolze Hoheitstradition des Staates fortsetzen: Deswegen wurde beschlossen, im Namen von Freiheit, Wettbewerb und Chancengleichheit das Briefmonopol der Deutschen Post abzuschaffen. Und nun? Nun kehrt es (...) mit dem Beginn des neuen Jahres staatsbewehrt zurück. Die Deutsche Post hat ihr Monopol erfolgreich verteidigt."

Das ebenfalls in Berlin erscheinende NEUE DEUTSCHLAND hält den Springer-Konzern für berechnend:

"Springer hat sich einen guten Zeitpunkt für seine Ankündigung ausgesucht, der PIN AG den Geldhahn abzudrehen. (...) So übt der Konzern einerseits noch einmal ordentlich Druck auf die Politik aus. Und leistet damit den Postkonkurrenten Unterstützung, die nichts unversucht lassen, um die Lohnkosten weiter unten zu halten. (...) Die wohlplatzierte Bekanntgabe Springers hat jedoch noch einen anderen Effekt: Sie soll offenbar davon ablenken, dass es (...) eine Fehlentscheidung des Konzerns war, bei PIN zu investieren. Denn die umfangreichen finanziellen Mittel, die dort bisher hineingepumpt wurden, haben sich nicht ausgezahlt. Und nun sollen die Arbeitnehmer diese Fehlkalkulation ausbaden? Nein danke - und ja zum Mindestlohn!"

Für eine nicht ganz so emotionsgeladene Debatte plädiert der Kommentator der AACHENER ZEITUNG:

"Mindestlöhne gibt es in fast 20 EU-Ländern. Zum Beispiel in Frankreich mit 8,44 Euro pro Stunde oder in Luxemburg mit 8,69 Euro. In Frankreich ist die Arbeitslosenquote seit Frühjahr 2007 auf einem Rekordtief. Von Massenentlassungen ist auch nichts aus Luxemburg oder Großbritannien bekannt. Die Briten haben den Mindestlohn seit 1999 um mehr als 40 Prozent erhöht, während gleichzeitig die Arbeitslosigkeit um 25 Prozent zurückging. Es muss also andere Zusammenhänge geben. Vielleicht sollte man weniger aufgeregt darüber reden. Konstruktiv. Sachlich."

Die KIELER NACHRICHTEN sehen es so:

"Die große Mehrheit, mit der der Postmindestlohn (...) beschlossen wurde, verdeckt den Widerstand, den es in der Union gegen das Gesetz gibt. Fast jeder vierte Abgeordnete von CDU und CSU folgte nicht dem Votum der Kanzlerin. In der Union regt sich das schlechte Gewissen gegen eine Entscheidung, die Angela Merkel noch teuer zu stehen kommen wird. Die SPD hat angekündigt, dass sie den Mindestlohn für weitere Branchen durchsetzen will. Mit knapp zehn Euro ist das Maß aller Dinge vorgegeben. Den flächendeckenden Mindestlohn, den Merkel unbedingt verhindern wollte, wird der Koalitionspartner so über Umwege doch noch erreichen. Mit dem Mitleidsthema Mindestlohn haben die Sozialdemokraten die große Mehrheit der Bürger auf ihrer Seite."

"Zurecht" - meint das BADISCHE TAGBLATT aus Baden-Baden - denn:

"Nur auf Billiglöhne und Dumpingpreise aufgebaute Geschäftsmodelle haben keine Daseinsberechtigung. Vor solchen Fehlentwicklungen sind nicht nur die Anleger an der Börse, sondern auch die Arbeitnehmer zu schützen."