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Pressestimmen von Samstag, 2. April 2005

zusammengestellt von Siegfried Scheithauer1. April 2005

Sterben des Papstes / China-Politik und Position Fischers/ Strafgerichtshof über Sudan

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Das Ringen des Papstes mit dem Tod bestimmt mit nachdenklichen Kommentaren und Würdigungen auch die deutsche Tagespresse.

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG schreibt:

"Johannes Paul hat gezeigt, er hat öffentlich demonstriert, dass Leiden zum Leben gehört. (...) Diese radikale Menschlichkeit trägt vielleicht mit bei zu einem neuen Blick auf das Leiden und das Sterben, vielleicht hat der Papst damit der modernen Gesellschaft geholfen, die ars moriendi, die Kunst des Sterbens, wieder zu lernen - also die Verbannung des Sterbens in die Hinterzimmer der Kliniken zu beenden, die Vertreibung des Todes in die Abseiten des Gesundheitsapparats einzustellen. (...) Nicht die Bilder vom Sterben sind schamlos, schämen muss man sich über die Art, wie in einer Wellness-Welt das Sterben oft als deren peinliche Störung behandelt wird."

Die KÖLNISCHE RUNDSCHAU merkt an:

"So paradox es klingt, gerade mit seinem äußerst gebrechlichen Auftreten wollte Johannes Paul II. Mut zum Leben machen. (...) Wohl glaubend, dass auch schwerstes Leiden das Leben nicht hoffnungslos macht, dass Altern, Leiden und Sterben zum Leben gehört und der Tod nicht das Ende bedeutet."

Ähnlich urteilt die AUGSBURGER ALLGEMEINE:

"Gerade der leidende Papst hat höchste moralische Autorität erlangt, weil er seinen Zustand nicht verleugnete. Seine eindringliche Warnung vor dem Krieg im Irak, seine flehentlichen Appelle zum Friedensschluss im Heiligen Land - sie wurden in aller Welt gehört."

Die WESTFÄLISCHE RUNDSCHAU aus Dortmund wirft einen kritischen Blick zurück:

"Fromme Marienverehrung, Wunderglaube und utopische Heilserwartung, sie gehören zum Leben Karol Woytilas ebenso wie der rigorose Dogmatismus, mit dem er all das verfolgte, was eine postindustrielle Welt als Ausdruck ihrer neuen Liberalität feierte.(...) Die Stellung der Frau, der Umgang mit Empfängnisverhütung, der Kampf gegen Aids, die Ehescheidung, das hochumstrittene Thema Abtreibung - dieser Papst ist unbeugsam geblieben, unbeirrbar, ungebrochen streitbar. Selbst im Sterben ist sich Johannes Paul II. treu geblieben. Und womöglich ist sein Leidensweg die stärkste Metapher für das, was sein Wirken ausgezeichnet, was seine Popularität und zugleich auch die Aversion gegen ihn begründet hat."

Themenwechsel. Das Festhalten von Kanzler Schröder an einer Aufhebung der Sanktionen gegen China belastet die rot-grüne Koalition und den ohnehin angeschlagenen Außenminister Fischer.

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU rät:

"Die EU sollte, wenn beim Gipfel im Juni zu entscheiden ist, das Thema Waffenembargo angesichts der unverändert schwierigen Menschenrechtslage in China und nach den offenen Drohungen gegen Taiwan vertagen. Vieles spricht dafür, dass es so kommt. Um so fragwürdiger ist, dass der Kanzler der Wirtschaft und Frankreichs Präsident Chirac zuliebe derart massiv gegen den demokratischen Brauch verstößt, wonach die Regierung 'obwohl formal alleine zuständig' außenpolitisch nie gegen den ausdrücklichen Willen des Parlaments agiert."

Die Zeitung DIE WELT stimmt ein in den Abgesang auf Fischer:

"Die einstige Lichtgestalt hat an mehreren Fronten zu kämpfen. Ansehens- und Machtverlust, Führungsschwäche und Autoritätsverfall machen ihm gleichermaßen zu schaffen. Und als bestimmende Kraft der deutschen Außenpolitik wird Fischer zunehmend an den Rand gedrückt. Längst bemächtigt sich Bundeskanzler Schröder, wie fast alle seine Vorgänger, der Europa- und der großen Weltpolitik."

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE analysiert den UN-Beschluss, Verbrechen gegen die Menschlichkeit im sudanesischen Darfur vom Internationalen
Strafgerichtshof in Den Haag verfolgen zu lassen.

"Weil es das erste Mal ist, dass der Sicherheitsrat den
Strafgerichtshof mit einem Fall betraut, wird dieser Schritt
besonders von jenen, die von der Kraft des Völkerrechts überzeugt sind und dem Leitbild einer zivilisierenden Weltinnenpolitik anhängen, als historisch gepriesen. Wie groß dieser Schritt wirklich ist, das wird man sehen. (...) Eine Kehrtwende der amerikanischen Regierung sollte man in die Stimmenthaltung tunlichst nicht hineininterpretieren. Washington wird vom Primat der Souveränität Amerikas nicht abrücken und das Statut des Gerichtshofs nicht unterzeichnen."