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Pressestimmen von Samstag, 27. September 2003

Redaktion hatte Reinhard Kleber26. September 2003

Knappe Bundestagsmehrheit der Regierungskoalition für Gesundheitsreform / Bundesrat zu Steuerpolitik

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Beherrschendes Thema in den Kommentarspalten der deutschen Tageszeitungen ist die knappe Mehrheit, mit der die Regierungskoalition den Gesundheitskompromiss verabschiedet hat. Außerdem wird der steuerpolitische Kurs der Union im Bundesrat beleuchtet.

Mit Blick auf die SPD-Abweichler beim Bundestagsvotum zur Gesundheitsreform schreibt DIE WELT aus Berlin:

"Zufrieden kann der Kanzler nicht sein. Schon wieder musste er bei der Abstimmung im Bundestag über die Gesundheitsreform mit dunklen Drohungen vom Ende seiner Regierung nachhelfen, um die eigenen Reihen zu halten. Nimmt man die jüngsten Umfragen hinzu mit den dramatischen Kellerwerten für die SPD, dann könnte die Abstimmung wie ein Wetterleuchten vom nahen Untergang der rot-grünen Koalition erscheinen. Dem ist nicht so. Immerhin hat Gerhard Schröder seinen Gesetzesentwurf zur Gesundheitsreform durchbekommen - auch mit dem Segen der Union. Und beim Kündigungschutz stand seine Mehrheit ohnehin. Damit ist der Kanzler bei seiner in der eigenen Partei höchst umstrittenen Reformpolitik bis an die Grenzen seiner Durchsetzungskraft gegangen."

Auch die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG zeigt sich skeptisch:

"Die Frage lautet nicht: Werden wir aus Berlin gut unterhalten? Die Frage ist: Werden wir gut regiert? Ist die deutsche Sozialdemokratie in der Lage, eine Inventur dieses europäischen Kernlandes vorzunehmen, es wachzurütteln aus einem überlangen Dämmerzustand der Selbstzufriedenheit? Schafft sie, was die Parteifreunde in Schweden, den Niederlanden und Großbritannien geschafft haben? Die Ausgangslage dafür war und ist für Gerhard Schröder nicht günstig. Seine Prügelpädagogik gegenüber den eigenen Leuten erweist an jeder heiklen Frage erneut: Die SPD ist nach wie vor nicht präpariert für das große Unternehmen Deutschland-Inventur."

Zum beschlossenen Gesundheitskompromiss selbst lesen wir im KÖLNER STADT-ANZEIGER:

"Ohne Frage hätte die Reform entschiedener ausgestaltet werden können. Ärzte und Apotheker hätten schon etwas mehr Wettbewerb vertragen. Auch die Frage, ob die Lasten letztlich 'gerecht' verteilt wurden, vermag das Reformwerk nicht befriedigend zu beantworten. Und doch: Höhere Kostentransparenz und Eigenverantwortung, zumindest ein wenig mehr Marktwirtschaft und Qualitätssicherung eröffnen Chancen, die die Akteure im Gesundheitswesen nun nutzen müssen."

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG richtet den Blick bereits in die Zukunft:

"Die Gesundheitsnovelle verschiebt einen gewaltigen Felsbrocken um Zentimeter; und die diesen Kraftakt vorbereitet haben, haben den nächsten Kraftakt für die nächste Wahlperiode schon angekündigt. Danken wird es ihnen niemand, denn alle sozialpolitischen «Reformen» von heute nehmen nur Wohltaten von gestern zurück. Doch warum reicht die Opposition die Hand zu Halbheiten, bei denen sie nichts gewinnen kann als Missfallen und Misstrauen?"

Zum Schluss wenden wir uns der Ablehnung der Steuerreform im Unions-dominierten Bundesrat. Das NEUE DEUTSCHLAND aus Berlin meint:

"Nicht aus Sorge um zu hohe Schulden oder gar um soziale Standards schießen CDU- und CSU-regierte Länder quer. CDU und CSU geht es zuerst um die weitere Schwächung der angeschlagenen rot-grünen Regierung - vor allem dadurch, dass sie sie zwingt, die Unionskonzepte möglichst unverändert zu übernehmen und so die inneren Widersprüche zu verschärfen."

Zum Nein der Union merkt die OSTTHÜRINGER ZEITUNG aus Gera an:

"Am Abend vor der Bundesratssitzung überraschte eine Riege von Ministerpräsidenten mit der Idee, man könnte doch das schon etwas ältere Steuerkonzept des früheren Verfassungsrichters Kirchhof ausgraben. Die Runde hat so etwas wie den Stein der Unionsweisen gefunden: Man lehnt die Reformschritte nicht ab, wohl aber Eichels Finanzierungskonzept man blockiert also nicht, denn man hat ja Besseres vor. In der verqueren Steuerdebatte will die Union wieder nach vorne. Allerdings haben die Ministerpräsidenten der Bundespartei und ihrer Chefin damit das Heft aus der Hand genommen."