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Pressestimmen von Samstag, 6. Januar 2007

Stephan Stickelmann5. Januar 2007

Bundeskanzlerin Merkel bei US-Präsident Bush

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Die weitaus meisten deutschen Tageszeitungen kommentieren den Besuch von Bundeskanzlerlin Merkel bei US-Präsident Bush.

Die ALLGEMEINE ZEITUNG aus Mainz schreibt:

"George W. Bush kann jede Hilfe brauchen, die er bekommen kann. Deshalb ist es kein Wunder, dass er Angela Merkel aufmerksam zugehört hat. Die Kanzlerin, für sechs Monate auch EU-Ratspräsidentin, ist für den US-Präsidenten, der seit Jahresbeginn gegen Mehrheiten in Senat und Kongress regieren muss, eine verlässliche Partnerin, was er vom Rest Europas so nicht ohne weiteres behaupten würde. Was er in den restlichen knapp zwei Jahren, die ihm noch bleiben, bewegen kann, wird sehr davon abhängen, ob er seine politischen Gegner einbinden kann. Da dürfte ein Europa, das mit den USA in den großen Fragen dieser Welt im Wesentlichen übereinstimmt, hilfreich sein."

In der MÄRKISCHEN ODERZEITUNG aus Frankfurt/Oder heißt es:

"Der wichtigste Satz fiel fast zum Schluss und bezog sich eigentlich nur auf ein Detail. Tatsächlich aber wäre er die richtige Überschrift für die aktuellen Beziehungen zwischen Washington und Berlin: 'Lassen wir die abgestandenen Debatten der Vergangenheit hinter uns.' Der Personalwechsel in Berlin hat es Bush leichter gemacht, das Schmollen zu beenden. Die atlantische Partnerschaft, die zu den Essentials deutscher Nachkriegspolitik gehört, wird wieder lebendig."

Die LÜBECKER NACHRICHTEN stellen fest:

"Merkel und Bush demonstrierten der Weltöffentlichkeit, dass sie mit einer Art Ein-Herz-und-eine Seele-Politik ein neues Kapitel aufschlagen wollen. Das betrifft das deutsch-amerikanische Verhältnis, das transatlantische Beziehungsgeflecht sowie die internationale Krisenbewältigung. Mehr geht nun wirklich nicht. Da fragt sich die überwältigte oder nur erstaunte oder vielleicht sogar skeptische Öffentlichkeit, wie das denn alles in nur zweieinhalb Stunden auch nur halbwegs auf den Weg gebracht werden kann."

Die BERLINER ZEITUNG versucht, auf diese Frage eine Antwort zu geben. So meint das Blatt:

"Bush weiß, was er an Merkel hat. Und das ist der Grund, weshalb es vor den Kameras so gut klappt zwischen den beiden. Und weshalb er ihr auch nicht übel nimmt, wenn sie die Menschenrechtsverletzungen im Gefangenenlager Guantanamo kritisiert, gegen Folter ist, sich in der Frage der Hinrichtung Saddam Husseins anders als er positioniert und ihn anhält, auch mit den Unrechtsstaaten Syrien und Iran das politische Gespräch zu suchen. Das ist zwar Kritik, doch es ist eine Kritik, die Bush nicht aus dem Tritt bringt und sich in Deutschland für Merkel medial gut macht. Die Beziehungen zwischen beiden Staaten haben sich normalisiert."

Etwas kritischer sieht die NEUE RUHR/NEUE RHEIN-ZEITUNG aus Essen Merkels Aufenthalt in Washington:

"Die Stipp-Visite der Bundeskanzlerin im Weißen Haus sollte den Schulterschluss der Europäer mit Amerika demonstrieren. So recht konnte der nicht gelingen. Lediglich eine neue Initiative im friedlosen Nahen Osten wertete George W. Bush etwas gönnerhaft als 'gute Idee' Merkels. Schon beim Klimaschutz war, trotz des aufgelockerten Gesprächsklimas, Schluss mit den Gemeinsamkeiten. Angela Merkel traf einen gestressten Präsidenten, der es im Capitol fortan mit der amerikanischen Variante einer großen Koalition zu tun hat. Die neue Macht-Teilung mit der demokratischen Mehrheit brachte deshalb noch keinen Aufschluss über die Außenpolitik, die von George W. Bush im Herbst seiner Präsidentschaft erwartet wird."

Die in Rostock erscheinende OSTSEE-ZEITUNG kommentiert den in Washington vorgetragenen Appell Merkels, das Nahost-Quartett wiederzubeleben - Zitat:

"Merkels Nahost-Initiative ist alles andere als nur diplomatische Dampfplauderei. Die Kanzlerin kam erstmals als EU-Ratspräsidentin nach Washington. Jetzt will und kann Frau Merkel den deutschen EU- Ratsvorsitz dazu nutzen, das derzeit quasi nicht mehr existente Nahost-Quartett USA, EU, UN und Russland wieder zum Dialog mit den Konfliktparteien zu drängen. Das ist dringend nötig, denn einerseits stehen die palästinensischen Autonomiegebiete am Rande der Anarchie; andererseits findet offenbar auch Israel allein kein Mittel, sich einvernehmlich von den untereinander zerstrittenen Palästinensern zu trennen."

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG notiert:

"Bundeskanzlerin Merkel will das so genannte Quartett wiederbeleben, dessen Wegkarte zum nahöstlichen Frieden seit 2003 viel Staub angesetzt hat. Zur Wiederbelebung braucht sie den amerikanischen Präsidenten, denn ohne engagierte Mitwirkung, wenn nicht Führung Amerikas ginge wenig bis gar nichts, selbst wenn die EU mit einer Stimme spräche. Aber Bushs größte Sorge ist gegenwärtig die Lage im Irak. Ob er jetzt, auch angesichts der für ihn schwieriger gewordenen Verhältnisse in Washington, Frau Merkels Initiative wirklich aufnimmt, wird sich zeigen. Zu wünschen wäre es, selbst wenn ein Konfliktregelungsversuch von außen nicht genügt."

Und die in Erfurt erscheinende THÜRINGER ALLGEMEINE resümiert:

"Bush muss sich fragen, was von seiner Amtszeit bleibt. Afghanistan, noch weniger Irak kann er als Sieg feiern. Ein Platz unter den Großen verspräche aber ein kaum noch zu erwartender Durchbruch im Nahost-Konflikt. Er weiß, dass er dies allein unmöglich schafft. Und so kommt Merkel wie eine Retterin in der Not, nochmals einen Anlauf zu wagen. Die Kanzlerin hat einen großen Vorteil auf ihrer Seite: Sie ist neu und unverbraucht. Anders als bei Blair, Chirac und Bush selbst können sämtliche Konfliktparteien ihre Hoffnungen auf sie setzen."