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Pressestimmen von Samstag, 9. Juni 2007

Christoph Schmidt8. Juni 2007

Merkel und der G8-Gipfel / G8-Hilfen für Afrika

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Zwei Tage stand sie als Gastgeberin und einzige Frau in der Runde der mächtigsten Staatschefs im Mittelpunkt des weltweiten Interesses - für Bundeskanzlerin Angela Merkel war der G8-Gipfel zumindest zeremoniell der Höhepunkt ihrer bisherigen Amtszeit. Und vom Klimaschutz bis zur Hilfe für Afrika hatte sie sich viel vorgenommen. In den Pressekommentaren fällt das Urteil über die Weltpolitikerin von Heiligendamm gemischt aus. Ein weiteres Thema dieser Presseschau sind die Gipfelbeschlüsse für Afrika.

Die MÄRKISCHE ALLGEMEINE aus Potsdam meint zur Bundeskanzlerin:

'Angela Merkel spricht von einem erfolgreichen Treffen. Das kann sie auch, nachdem der Gipfel im Vorfeld von den Gegnern gnadenlos niedergeredet und den Staats- und Regierungschefs jegliche Legitimation abgesprochen worden war. Nicht ohne Grund betont sie jetzt, dass es beim Klimaschutz einen klaren Verhandlungsauftrag «auf der Basis des UN- Mechanismus» gebe. Gleichwohl werden die Lobgesänge auf Merkels Verhandlungsgeschick rasch wieder abklingen, weil die Ergebnisse, gemessen an den Maximalvorstellungen der G8-Kritiker, insgesamt bescheiden sind - mühsam ausgehandelte Kompromisse eben.'

In der HESSISCH/NIEDERSÄCHSISCHEN ALLGEMEINEN aus Kassel heißt es:

'Dass dieser Gipfel auch Gewinner hat, liegt vor allem an Merkel. Sie hat hoch gepokert und nicht verloren. Das Thema Afrika-Hilfen ist durch sie zu einem Top-Thema gewonnen, und nie zuvor gab es einen so intensiven internationalen Dialog über Klimaschutz. Dass sie es mit Charme und Chuzpe geschafft hat, das eisige Verhältnis zwischen Bush und Putin mit ihrem Lächeln ein wenig zum Schmelzen zu bringen, ist der Deutschen nicht hoch genug anzurechnen. Dieser Gipfel war ihr Gipfel. Es wird spannend, wie sie auf dem Alltagsboden der Großen Koalition landet.'

Die STUTTGARTER ZEITUNG befasst sich näher mit Merkels politischer Zukunft:

'Die schöne Zeit der roten Teppiche nähert sich dem Ende. Merkel wird sie zelebrieren bis zum Schluss. Sie profitiert davon. Das schlägt sich auch in Umfragen nieder. Eine souveräne Kanzlerin im Kreis der Mächtigen, das lieben die Leute. Demnächst wird Miss World wieder in den Niederungen der Innenpolitik landen. Auch dort ist Moderationstalent, Führungskraft und diplomatisches Geschick gefragt. Ihr Regierungsbündnis zeigt tiefe Risse. Zu Hause sind sie schon dabei, Sprengstoff aufzuhäufen: Mindestlohn, Pflegereform, Betreuungsprämie.'

Und die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aus München schreibt zu Merkels Gipfel-Auftritt:

'Innenpolitisch kann Merkel damit kaum punkten. Wahlen und Wähler gewinnt man auch in einer noch so globalisierten Welt nach wie vor zu Hause. Und zu Hause scheint Angela Merkel eine Zwillingsschwester zu haben, die mit der energischen und zielstrebigen Außenpolitikerin nichts zu tun hat. Man wünschte, Merkel würde innenpolitisch einmal in dieser Weise agieren - «Hardball» spielen, sagen die Briten - wie sie das nun auf internationaler Bühne mit George W. Bush gezeigt hat.'

Themenwechsel: Nach dem Klimaschutz stand am letzten Tag des G8-Gipfels die Probleme Afrikas auf der Tagesordnung - mit dem Ergebnis, die Entwicklungshilfe vor allem für medizinische Projekte kräftig aufzustocken. Im Gegenzug erwarten die Industriestaaten von vielen afrikanischen Regierungen mehr Verantwortungsbewusstsein. Ob es mit den Entscheidungen getan ist, das beschäftigt auch die Kommentare der Tagespresse.

Die BADISCHE ZEITUNG zweifelt an der Zuverlässigkeit der Geberländer:

'60 Milliarden Dollar - das ist ein Haufen Geld. Doch das Versprechen der G8, damit in den kommenden Jahren kranken Menschen in Afrika zu helfen, ist wenig wert. Es gibt keine verbindlichen Zusagen, wer, wann, wie viel an wen zu geben hat. Das ist verheerend, denn die Zahlungsmoral der Reichen ist denkbar schlecht. Daher ist auch die zweite Zusage der Gipfelteilnehmer, nämlich bis zum Jahr 2010 die Entwicklungshilfe zu erhöhen, eine Mogelpackung. Dabei ist längst klar, was den Armen wirklich helfen würde: die Öffnung unserer Märkte für fremde Produkte und das Ende der Agrarsubventionen.'

Die Magdeburger VOLKSSTIMME meint:

Afrika hat meist dann unsere flüchtige Aufmerksamkeit, wenn es schlechte Nachrichten gibt. So rasch die Schlagzeilen über Hungersnöte, Krankheiten und Kriege verschwinden, erlahmt meist die allgemeine Betroffenheit. Afrika ist fern. Jedesmal, wenn die Großen dieser Welt, wie soeben in Heiligendamm, versprechen, dem Kontinent zu helfen, dass er nicht länger das Armenhaus der Welt bleibe, keimt leise Hoffnung. Aber Afrikas Probleme sind groß. Geld kann zwar vieles richten, ist aber längst nicht das Allheilmittel.'

In der Koblenzer RHEIN-ZEITUNG heißt es:

'Deutschland, der EU, aber auch den G8-Staaten fehlt eine Afrika-Konzeption, die diesen Namen verdient. Internationale Kriseneinsätze erfolgen meist gar nicht (Somalia) oder zu spät (Kongo). Eine gemeinsame Linie beim Umgang mit massiven Menschenrechtsverletzungen (Sudan) ist jenseits von Betroffenheitsrhetorik kaum zu erkennen. Und wenn die afrikanischen Staaten mal wieder vehement auf die Freiheit des Welthandels drängen, verschließen die Großen der Globalisierung stets ihre Ohren.'

Die BERLINER MORGENPOST bemerkt:

'Mit Milliarden-Beträgen soll weiter versucht werden, die größte Not in Afrika zu lindern. Das ist notwendig, darf aber nicht davon ablenken, dass Entwicklungshilfe viel gezielter eingesetzt werden muss. Noch immer gibt es viel zu viel Machthaber, die nichts anderes im Sinn haben, als nur sich samt den eigenen Clan an den Ressourcen ihrer Länder zu bereichern und die Untertanen auszubeuten. Mit Geld allein ist Afrika deshalb nicht zu retten. Der Kontinent braucht Regierungen, die an Entwicklung und Wohl ihrer Länder interessiert sind.'