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Pressetimmen von Donnerstag, 5.September 2002

Helmut Schmitz4. September 2002

Irak-Konflikt/UN-Gipfel in Johannesburg

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Die Kommentare der deutschen Tageszeitungen befassen sich auch an diesem Donnerstag mit der Entwicklung des Irak-Konflikts und mit dem in Johannesburg zu Ende gegangenen UN-Weltgipfel.

Zu einem eventuellen US-Angriff auf Irak schreibt die FRANKFURTER RUNDSCHAU:

'Gestiefelt und gespornt steht Großbritannien an der Seite der USA: Wenn es denn losgehen soll gegen Irak, darf Washington mit Londons Beistand rechnen. ... Saddam stelle ''eine echte und einzigartige Gefahr'' für den Frieden dar, und nur durch Solidarität mit den US-Amerikanern, nicht durch ''gefährlichen Antiamerikanismus'', verschaffe sich Europa das Recht, ernst genommen zu werden. Auch viele seiner Landsleute hat der Premier mit der Leidenschaft seines neuen Treueschwurs überrascht, zumal ... Blair sich damit in scharfen Gegensatz zur öffentlichen Meinung auf der Insel setzt. Denn die große Mehrheit der Briten lehnt einen Vorbeuge-Krieg gegen Irak, zumal ohne Rückendeckung der UN, entschieden ab.'

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE meint dazu:

Das Faktum, an dem am wenigsten herumzudeuteln ist, ist der Riss, der in dieser Frage durch das atlantische Bündnis geht, und der immer noch größer zu werden scheint, je länger Amerikaner und Europäer betonen, dass nur Geschlossenheit und größerer Druck Saddam zum Einlenken bringt (...). Auch die Entfremdung zwischen Washington und Berlin lässt sich inzwischen nicht mehr bestreiten; (...) Denn spätestens als sichtbar wurde, dass die Art und Weise der deutschen Kritik den Einfluss Berlins in Washington nicht mehrt, sondern mindert, hätte sich Schröders Rhetorik ändern müssen. Stattdessen legte der Kanzler aber immer noch nach - so als ginge es wieder gegen das kleine Österreich und als habe seine Regierung abermals vergessen, sich auf den Fall vorzubereiten, dass es anders kommt, als man es will.'

Im MANNHEIMER MORGEN heißt es:

'Das Fatale ist, dass ausgerechnet Saddam Hussein, um dessen Sturz es geht, von den diesen offen ausgetragenen transatlantischen Irritationen profitiert. Dem Diktator, dem schon in der Vergangenheit Beschlüsse des UN-Sicherheitsrates gleichgültig waren und der sich skrupellos über das Völkerrecht hinweggesetzt hat, wenn es seinen Interessen diente, kommt der Zwist gerade recht. Als lachender Dritter kann er sein altes Katz-und-Maus-Spiel betreiben, die Verbündeten gegeneinander ausspielen und Schröder vor seinen Karren spannen. So weit darf es nicht kommen.'

Mit den Ergebnissen des UN-Gipfels in Johannesburg beschäftigt sich der BERLINER KURIER:

'Johannesburg sollte die letzte Chance für unsere Erde sein. Nach dem Weltgipfel müssen wir traurig feststellen: Sie wurde verspielt. Eine Mammutkonferenz ging mit Zwergen-Kompromissen zu Ende. Schade um das Geld, das verpulvert wurde. Es hätte viele hungrige Kinder satt machen können. Schade um die Papierberge, die bedruckt wurden. Sie werden nur die Umwelt belasten. Nun läuft die Zeit unerbittlich weiter - und die Umwelt-Uhr gegen die Menschheit.'

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aus München kommentiert:

Man mag Johannesburg schmähen als den Gipfel der Unverbindlichkeit. Völlig nutzlos war er aber nicht. Wertvoll zweifellos die erweiterte Vereinbarung über das Wasser: Bis 2015 soll die Zahl derjenigen Menschen um 50 Prozent abnehmen, die kein sicheres Trinkwasser und keine sanitären Anlagen haben. Außerdem sind in Johannesburg viele Einzelprojekte angeschoben worden, die helfen werden, Armut zu mindern. Am großen Trend ändert das nur wenig. Die Staaten haben UN-Generalsekretär Kofi Annan wohl gehört, aber nicht verstanden: Statt politischen Mut zu beweisen, versteckten sie sich hinter Phrasen - oder sie übten sich in politischer Heuchelei.'

Abschließend das NEUE DEUTSCHLAND aus Berlin zu diesem Thema:

'Wer bis dahin noch nicht richtig mitbekommen hatte, wer der größte Sünder auf dem Johannesburger Weltgipfel war, konnte dies spätestens beim Auftritt des USA-Repräsentanten erleben. Die Pfiffe und Buh-Rufe, die US-Außenminister Powell in Vertretung seines Öl-geschäftigen Präsidenten entgegen schlugen, als er angebliche Leistungen des Super-Energiefressers USA für den Klimaschutz pries, sagen alles: Die Dinosaurier-Staaten, so genannt wegen ihrer vorzeitlichen Klima-Sicht, verzeichneten erheblichen Gegenwind. Doch dieser Gegenwind war jedenfalls nicht stark genug, um den Widerstand der USA - die häufig auf andere Industriestaaten sowie OPEC-Länder rechnen konnten - gegen wesentliche Klima- und Entwicklungsziele zu brechen.'