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Problematische Trinkwasserversorgung in China

Shi Ming13. Januar 2006

Kaum haben sich die Wogen um verseuchte Flüsse in China geglättet, schlagen nun Experten schon wieder Alarm: Die Trinkwasserversorgung für die 1,3 Milliarden Menschen ist nicht mehr gewährleistet.

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Gefragt: sauberes TrinkwasserBild: dpa

Ma Jun, Autor des in China viel beachteten Buches "Die Wasserkrise Chinas", malt ein düsteres Bild: "Über 60 Milliarden Tonnen Abwasser landen in den Flüssen - 80 Prozent davon ohne jede Aufbereitung. Dies betrifft besonders jene Flüsse, die durch Städte oder in deren Nähe vorbei fließen. Da das verseuchte Wasser an der Erdoberfläche in die Erde hineinsickert, wird auch Grundwasser verseucht."

Noch schweigen die amtlichen Medien den Ernst der Lage weitgehend tot. Noch konzentrieren die wenigen Kritiker in China ihre Aufmerksamkeit auf lokale und regionale Politik und auf die - wie sie sagen - "unverschämten Kapitalisten": Diese hätten in einem engen Interessenbund die schwersten Wasserverschmutzungsfälle zu verantworten, heißt es. Doch erheben schon jetzt Chinas Oppositionelle in Übersee - wie Wang Weiluo, Wasseringenieur in Dortmund - Vorwürfe direkt gegen die Regierung in Peking. Laut Wang hat Chinas Führung selbst lange Jahre das Problem ignoriert und, soweit die Wasserversorgung durch die Verschmutzung nunmehr nicht gewährleistet ist, einfach die Trinkwasserkriterien nach unten korrigiert.

Verschlimmerung durch Notmaßnahmen

Umweltkatastrophe in China Wasser Kanister
Trinkwasserbeschaffing in Harbin (Nov. 2005)Bild: AP

Nicht mehr zu verschleiern ist hingegen, dass die jüngsten Industrie-Unfälle an mehreren Flüssen bereits zu massenhaften Erkrankungen in den Städten geführt haben. Dies zwingt Chinas regionale Verwaltungen zu drastischen Maßnahmen: 63 Abschöpfungsstellen in der ostchinesischen Küstenprovinz Shandong wurden kurzerhand dicht gemacht, damit das mit Diesel verseuchte Trinkwasser aus dem Gelben Fluss in Nordchina nicht in die Trinkwasser-Becken weiterer Regionen gelangen kann. Doch derartige Dringlichkeitsmaßnahmen verknappen die Trinkwasserversorgung noch zusätzlich.

Für den Wasserexperten Ma Jun aus Peking verschlimmern die Notmaßnahmen aus einer anderen Perspektive die Lage: "Im Moment sind viele Städte Chinas bemüht, nur für sich ein isoliertes Trinkwasserbecken einzurichten, damit die Städte selbst eine saubere Wasserquelle haben, ohne Rücksicht darauf, dass das Grundwasser verunreinigt worden ist. Um die Flüsse kümmert sich niemand."

Umwelt und Staatsgeheimnis

Angesichts des Ernstes der Lage fordern nicht wenige Wissenschaftler von dem im März tagenden Nationalen Volkskongress einschlägige Gesetze zu verabschieden bzw. zu verschärfen. Doch viel Hoffnung schöpft Wang Weiluo aus diesen Forderungen nicht: "Ich habe die gesetzliche Lage in China mit dem Westen verglichen: Alle chinesischen Umweltgesetze haben eine Klausel, die nirgends im Westen zu finden ist, nämlich: Einhaltung von Staatsgeheimnissen. In China gilt: Alle Informationen, auch solche, die die Umwelt betreffen, dürfen geheim gehalten werden, sofern sie Staatsgeheimnisse betreffen."

Mit diesem Instrument kann die Führung natürlich jeden mundtot machen. Am Ende stehen alle ratlos und verzweifelt da, obwohl allen bekannt ist, dass alle seit langem schon unsauberes Trinkwasser trinken müssen.