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Tumulte im Senat

25. Januar 2008

Italiens Ministerpräsident Romano Prodi hat nach 20 turbulenten Monaten im Amt seinen Rücktritt eingereicht. Der Regierungschef verlor zuvor eine entscheidende Vertrauensabstimmung im Senat.

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Italiens Premier Romano Prodi vor der Vertrauensabstimmung im Senat (24.1.2008, Quelle: AP)
Romano Prodi musste sich in seiner kurzen Amtszeit 32 Vertrauensabstimmungen stellenBild: AP

Prodi erhielt am Donnerstagabend (24.01.2007) in der Parlamentskammer trotz seiner Werbung um Unterstützung nur 156 Stimmen, 161 Senatoren verweigerten ihm das Vertrauen. Die Abstimmung in der Abgeordnetenkammer hatte er einen Tag zuvor noch klar gewonnen.

Vor der Abstimmung hatte Prodi angesichts des sich abzeichnenden Sturzes der Regierung letzte Rettungsversuche unternommen. So kam er erneut mit Staatspräsident Giorgio Napolitano zusammen. Napolitano hatte Prodi nahegelegt, die unumgänglich erscheinende Niederlage bei dem Votum im Senat zu vermeiden und vorher zurückzutreten. Er könnte jetzt statt sofortiger Neuwahlen eine Übergangsregierung auf den Weg bringen, die erst eine geplante Wahlrechtsreform bewerkstelligt.

Überraschende Schützenhilfe

Immerhin erhielt Prodi überraschend Schützenhilfe: Der christdemokratische Senator Nuccio Cusumano stand nach einer Rede Prodis auf und kündigte an, er werde für den Regierungschef stimmen, auch wenn seine Partei dagegen sei. Cusumanos christdemokratische Partei UDEUR hatte am Montag ihren Austritt aus der Regierung erklärt und damit die Regierungskrise ausgelöst.

Italiens Premier Romano Prodi und sein Wirtschaftsminister Tommaso Padoa Schioppa vor der Vertrauensabstimmung im Senat (24.1.2008, Quelle: AP)
Warb eindringlich für Vertrauen in seine Regierung: Romano Prodi (r.)Bild: AP

"Diesen Regierungsversuch zu beenden, ist ein Luxus, den Italien sich nicht leisten kann", hatte Prodi die Senatoren vor der Abstimmung gewarnt. "Ich bitte die Senatoren und Senatorinnen um das Vertrauen, um den Reformprozess, den das Land braucht, mit neuem Schwung wiederaufzunehmen", plädierte Prodi. Er räumte ein, dass das Land eine entscheidungsstärkere Regierung, knappere Prozeduren und vielleicht ein umgestelltes Kabinett brauche. Prodi entschied sich damit gegen einen vorzeitigen Rücktritt, der ihm angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Senat nahegelegt worden war.

Unterstützer fällt in Ohnmacht

Nach der Ankündigung von Senator Cusumano, Prodi zu unterstützen, brach ein Tumult im Senat aus, die Sitzung musste unterbrochen werden. Der UDEUR-Chef im Senat beschimpfte den Parteikollegen als Verräter und machte eine Geste, als würde er auf ihn mit einem Gewehr schießen. Cusumano wurde bespuckt, dann fiel er in Ohnmacht und musste mit einer Liege aus der Versammlung getragen werden.

Im Senat war Prodis ohnehin schon hauchdünne Mehrheit von nur einem Sitz am Montag nach dem Regierungsaustritt der UDEUR zusammengebrochen. Prodi traf am Vormittag mit Staatspräsident Giorgio Napolitano zusammen, um mit ihm über die zunehmend kritische Lage seiner Regierung zu beraten. In Medienberichten war spekuliert worden, dass Prodi bereits vor der Vertrauensabstimmung am Nachmittag seinen Rücktritt erklären könnte. Dies hätte Napolitano die Möglichkeit gegeben, Prodi mit der Weiterführung der Amtsgeschäfte zu beauftragen.

Nicht ganz aussichtslos

Seine letzte Hoffnung setzte Prodi offenbar in die sieben auf Lebenszeit ernannten Senatoren. Am Mittwoch hatten mindestens drei von ihnen erklärten, dass sie nicht bereit seien, die Regierung in der Vertrauensabstimmung zu unterstützen. Die Situation schien am Donnerstag aber nicht mehr ganz so aussichtslos. Einige der Senatoren änderten offenbar wieder ihre Meinung und sagten nun, sie würden nicht zur Abstimmung kommen. Das würde Prodis Chancen erhöhen.

Bei einer Niederlage ist Prodi gezwungen, seinen Rücktritt zu erklären. Die Forderung nach einem Rücktritt Prodis bestimmte am Dienstag die Redebeiträge der Opposition in der Debatte im Abgeordnetenhaus. Dort gewann die Regierung die Vertrauensabstimmung klar mit 326 gegen 275 Stimmen. Die Opposition aber fordert Neuwahlen. Medienmagnat Silvio Berlusconi hofft, so wieder zurück an die Macht zu kommen, die er 2006 an Prodi verlor.

Vorgezogene Wahlen wahrscheinlich

Damit droht der 61. Nachkriegsregierung Italiens das Ende. Prodi hatte die Wahlen im Mai 2006 mit nur 25.000 Stimmen Vorsprung, dem knappsten Ergebnis seit dem Zweiten Weltkrieg, für sein Mitte-Links-Bündnis gewonnen. Ein Rücktritt Prodis kann zu raschen vorgezogenen Wahlen führen, wie sie Oppositionschef Silvio Berlusconi fordert, oder zur Bildung einer Übergangsregierung, um erst die geplante Wahlrechtsreform zu bewerkstelligen. Fällt Prodi bei dem Vertrauensvotum durch, bleibt er bis zu Neuwahlen nach dem geltenden Wahlsystem im Amt. Der Staatspräsident, der das Parlament auflösen kann, hatte in der Vergangenheit betont, vor einem Urnengang sei die Wahlrechtsreform nötig. Die Reform soll größeren Parteien stärkeres Gewicht geben.

"Es wird vorgezogene Wahlen geben", meinte der Universitäts- und Bildungsminister Fabio Mussi am Donnerstag. Diese Auffassung teilten auch andere Mitglieder der Regierungskoalition, die von gemäßigten Katholiken bis zu Postkommunisten reicht. Prodi hatte seine Politik angesichts ganz erheblicher Spannungen in dem Bündnis in mehr als 30 Vertrauensvoten durchboxen und stark sinkende Umfragewerte hinnehmen müssen. Im Februar 2007 stürzte Romano Prodi wegen des italienischen Engagements in Afghanistan, kam jedoch rasch wieder ins Amt zurück. (mg)