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Programmieren im Paradies

Falko Schütz27. Mai 2002

IT-Spezialisten im Camp: Im Hochland der indonesischen Urlaubsinsel Bali lassen internationale Firmen Computerprogramme schreiben.

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Softwareunternehmen in den balinesischen BergenBild: Falko Schütz

32 Grad schon früh am Morgen. Sutjahyo Budiman verläßt um halb acht seine Familie und steigt in einen der vier alten japanischen Minibusse, die sich jeden Tag aus Balis lauter Hauptstadt Denpasar kämpfen. Die Busse, gefüllt mit jungen indonesischen IT-Spezialisten, sind auf dem Weg in ein Camp nahe des Dörfchens Baturiti, mitten in den Balinesischen Bergen.

Chef in Shorts

Bali: Computeruntenehmen in Baturiti
Bild: Falko Schütz

Budiman, locker in Shorts und Polohemd gekleidet, ist auf den ersten Blick nicht anzusehen, dass er Chef von 120 Programmierern ist. "Ich glaube, dass wir uns in den Bergen viel besser auf unsere Arbeit konzentrieren können", begründet der 33-jährige Familienvater den langen Anfahrtsweg, den er und die meisten seiner Kollegen jeden Tag zurücklegen müssen. "Programmierer brauchen eine Umgebung, in der sie auch wirklich kreativ sein können."

Nach eineinhalb Stunden biegt der Bus von der Hauptstraße ab und erreicht nach wenigen Metern eine Anlage. Sie ähnelt eher einem 5-Sterne-Hotel, als einem Unternehmen für Softwareentwicklung: An ein Haupthaus mit offenem Amphitheater ziehen sich acht, zum Teil zweistöckige Teakbungalows am Swimmingpool vorbei den Hang herunter, umgeben von traumhaften Reisfeldern. In den mit modernsten Computern vollgestopften Bungalows arbeiten jeweils bis zu 15 Programmierer. Ein internes Glasfasernetz und Satellitenschüsseln sichern die High-Speed-Internetanbindung nach Hawaii.

Investition aus der Not heraus

Die Idee für das Camp entstand 1998, aus der Not heraus. Die Asienkrise hatte Indonesien voll erfasst. Das Land wurde von politischen Unruhen erschüttert. Indonesische Programmierer verließen in Scharen das Land, die meisten von ihnen gingen ins benachbarte Singapur.

Auch dem indonesischen SIGMA-Konzern, damals erster Internet-Provider des Landes, liefen die Software-Entwickler davon. Konzernchef Toto Sugiri kaufte auf Bali kurzerhand zwei Hektar Land in nahezu unberührter Wildnis. Drei Millionen Dollar steckte er in die Programmier-Oase. Jetzt kann sich Sugiri über Mangel an Bewerbungen nicht mehr beklagen.

Der Programmierer ist König

Bali: Programmierin in Baturiti
Programmiererin in BaturitiBild: Falko Schütz

Denn wer hier einen Job bekommt, gibt ihn so schnell nicht mehr auf. Die Programmierer werden wie Könige versorgt: Ob eigene Wäscherei, Öko-Verpflegung aus den umliegenden Dörfern, Swimmingpool, Fitneßraum oder Tischtennis-Platte - es soll an nichts fehlen. Murat Erdeviren, Praktikant aus Holland schwärmt: "Es ist wunderbar, ein Paradies - von High-Tech umgeben", während er von seinem Arbeitsplatz auf die sattgrünen Reisterrassen blickt. Allerdings muss er einräumen: "Acht Stunden bleibt hier keiner. Denn das hier ist viel mehr als ein Arbeitsplatz, es ist ein Platz zum Leben."

High-Tech und Räucherstäbchen

Bali: Baturiti
Bild: Falko Schütz

Das sehen auch die indonesischen Programmierer so: Für sie gibt es keinen Unterschied zwischen Job und Hobby. Die 120 Informatiker sind fast alle Singles und im Durchschnitt erst Mitte 20. Gut zwei Drittel dieser neuen indonesischen Elite kommen von der Hauptinsel Java, von den wichtigsten Universitäten in Bandung, Surabaya oder Jakarta. "Mitarbeiter des Balicamps kamen in unsere Universität und machten uns Jobangebote", sagt Silvia Fitriani, während die Moslime ihr Kopftuch zurechtrückt. Die frische Absolventin verdient nun rund 400 Dollar im Monat. In Indonesien fünf mal mehr, als ein Lehrer bekommt.

Der Mix aus balinesischer Tradition und High-Tech ist auch für die eingefleischten indonesischen Programmierer noch immer etwas besonders: Jeden Morgen kommt der Dorf-Priester ins Camp und entzündet Räucherstäbchen an den Altaren.