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Gesellschaft

Prozess gegen rechtsextreme Propaganda

Werner Radloff
8. Juni 2017

Die rechtsextreme Partei "Der III. Weg" forderte per Postkarte von allen Personen, die sich für Flüchtlinge engagieren, Deutschland zu verlassen. Ein Politiker klagte. Ein Amtsgericht befasst sich jetzt mit dem Fall.

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Teilnehmer eines Aufmarsches der rechtsextremen Gruppierung "Der III.Weg" (2015)
Bild: picture-alliance/dpa

"Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen" - so stand es auf der Vorderseite der Postkarte. Auf ihrer Rückseite wurden mehrere Möglichkeiten angeboten, wie man ausreisen könnte. Zu Fuß, mit dem Schiff oder dem Flugzeug. Die Empfänger sollten das Gewünschte einfach ankreuzen.

Im März 2016 wurden die Postkarten von der Partei "Der III. Weg" verschickt - an Politiker, Gewerkschaftsfunktionäre und Journalisten. Also an "alle Unterstützer der volksfeindlichen Politik der Bundesregierung, die einen systematischen Austausch unseres Volkes mit art- und kulturfremden Ausländern vorantreibt", wie es die rechtsextreme Partei formulierte.

Dem Grünenpolitiker Kai Bitzer verschlug es den Atem, als er diese Provokation in seinem Postfach fand. Dann entdeckte das Mitglied des Stadtrats von Olpe (Nordrhein-Westfalen), dass die Karte auch noch eine Überraschung bereithielt: einen Gutschein für die Ausreise.

"Gutschein" der rechtsextremen Partei der "III. Weg"
Postkarte der rechtsextremen Partei der "III. Weg"Bild: picture alliance/dpa/T.Schüller

Prima, dachte sich Kai Bitzer und nahm das Angebot an. Sein Plan: Er wollte mit einem Frachtschiff nach Afrika reisen - auf Kosten des "III. Weges". Gegenwert der Fahrt: rund 2000 Euro. Die Partei "Der III.Weg" wollte aber den von ihr verteilten Gutschein nicht einlösen und verweigerte eine Geldzahlung. Kai Bitzer ging vor Gericht und klagte auf Erfüllung. "Ich wollte die Absender der menschenverachtenden Aktion mit ihren eigenen Waffen schlagen", sagt der Grünenpolitiker.

Weil die rechtsextreme Partei ihren Sitz in Weidenthal in Rheinland-Pfalz hat, ging jetzt der Fall in erster Instanz vor das zuständige Amtsgericht Neustadt an der Weinstraße. Dort kam es an diesem Donnerstag zur ersten mündlichen Verhandlung. Persönlich anwesend war der Kläger, der seinen Standpunkt ohne einen Anwalt vertreten wollte. Ihm gegenüber stand der Bundesvorsitzende der beklagten Partei, Klaus Armstroff.  "Anfänglich schien mir der noch sehr siegessicher zu sein", schildert Bitzer den Prozessbeginn. "Ich hatte für mich nur mit einer Gewinnchance von 50 Prozent gerechnet."  Dann kommt es im Gerichtssaal zum argumentativen "Schlagabtausch".

Provokation oder Dummheit?

Der Gutschein an der Postkarte sei doch kein "gewerbliches Gewinnversprechen" gewesen, argumentierten Vertreter des "III. Weges". Die Partei legt dar, dass sie keine Reise angeboten habe, sondern den Empfängern nur die dauerhafte Ausreise nahegelegt worden sei. Im Sinne einer politischen Provokation. Kläger Bitzer sieht in dem Gutschein dagegen eine klare Gewinnzusage. Die Anwältin der Partei, Gisa Pahl aus Hamburg, ist nicht persönlich erschienen, sondern legt schriftlich dar, dass die Partei "Der III.Weg" eine dauerhafte Ausreise gefordert hätte, der Kläger aber eine solche gar nicht plane. Daher sei der Wunsch auf Erfüllung des Gutscheins abzulehnen.

Der Richter machte dann deutlich, dass es auf die objektive Wirkung der Karte und des Textes ankomme. Das Ansinnen der beklagten Partei oder die Interpretation des Klägers seien insoweit nicht entscheidend. Für ein Urteil sei auch nicht wichtig, ob an eine dauerhafte Ausreise gedacht wurde.

Nach Paragraf 661 des Bürgerlichen Gesetzbuches könne durchaus ein Zahlungsanspruch für den Kläger bestehen. Voraussetzung sei, dass der Kläger als Verbraucher von einem Unternehmer etwas zugesandt bekam, das den Eindruck erweckte, es sei ein Preis gewonnen worden.

Dass die rechtsextreme Partei die Eigenschaft eines Unternehmens hat, bestritt Anwältin Pahl. Schon gar nicht sei "Der III. Weg" ein Reisebüro. Ein Unternehmer müsse außerdem Umsatzsteuer zahlen. Das sei bei der Partei gar nicht gegeben. Der Richter bringt allerdings zur Sprache, dass die Partei einen Internet-Shop zum "Materialvertrieb" unterhält, bei dessen Preisen Mehrwertsteuer ausgewiesen werde. Das könne auf eine gewerbliche oder selbstständige Tätigkeit hinweisen, so der Richter. "In dem Moment wurden die Blicke des Parteichefs schon sparsamer", schildert Kläger Bitzer seine Eindrücke von der Verhandlung.

Drei Wochen bis zum Urteil

Der Richter warb für eine einvernehmliche Lösung und schlug vor, dass die Partei einen Geldbetrag an eine gemeinnützige Einrichtung zahlt. Der Parteivorsitzende lehnte das ab. Dann müsse das Gericht jetzt alle vorgetragenen Argumente prüfen und zu einem Urteil gelangen. Das soll am 29. Juni um 8.30 Uhr verkündet werden. Auch wenn der Grünenpolitiker Bitzer jetzt noch drei Wochen warten muss, so freut er sich doch, dass seine Klage nicht abgewiesen wurde.

Wenn er diesen Prozess nicht gewinnen sollte, will er in die nächste juristische Instanz gehen. "Kneifen ist nicht! Falls ich doch gewinnen sollte, werde ich auf jeden Fall die Reise auf einem Frachtschiff nach Afrika antreten. Mit einem Koffer voller Bücher. Ohne Internet und ohne Handy." Diese Partei in Erklärungsnöte gebracht zu haben, sei in jedem Fall "eine coole Nummer", sagt der grüne Stadtrat. Und sollten die Rechtsextremisten verurteilt werden, könnte es richtig teuer für den "III. Weg" werden, denn die Partei soll rund 10.000 solcher Postkarten verschickt haben. Kommt es dazu, würden weitere Empfänger ihre Gutscheine einlösen - da ist sich Kai Bitzer sicher.