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Politik

Wie stiehlt man eine 100-Kilo-Goldmünze?

Richard A. Fuchs
10. Januar 2019

Vier Angeklagte sollen im März 2017 die größte Goldmünze der Welt aus dem Berliner Bode-Museum gestohlen haben. Jetzt begann der Prozess rund um den Diebstahl des 3,7-Millionen-Euro-Unikats. Eindrücke von Richard Fuchs.

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Deutschland Berlin Goldmünze Big Maple Leaf aus Bode Museum gestohlen
Bild: picture-alliance/dpa/M. Mettelsiefen

Es war kein gewöhnlicher Strafprozess, der da am Donnerstag am Landgericht in Berlin begann. Angeklagt sind vier junge Männer, die im März 2017 in spektakulärer Manier ins Berliner Bode-Museum eingebrochen sein sollen. Ihr Ziel: eine 100 Kilo schwere Goldplatte mit dem Bild von Königin Elizabeth II., die auch "Big Maple Leaf" genannt wird. Der Wert des Unikats betrug 3,75 Millionen Euro. Die Polizei vermutet, dass die Autoreifen-große Münze nach dem geglückten Diebstahl zerstückelt, eingeschmolzen und verkauft wurde.

Eine Münze zu viel: Kriminelle Clans als Drahtzieher vermutet   

Jetzt stehen vier junge Männer vor Gericht, die für die Staatsanwaltschaft dringend tatverdächtig sind. Darunter zwei Brüder (20 und 24 Jahre) und ihr Cousin (20), und ein vierter Jugendlicher, der nicht verwandt ist (24). Drei der Angeklagten gehören zu einer Berliner Großfamilie mit arabischen Wurzeln, die in der Vergangenheit immer wieder ins Visier der Polizei geraten ist. Ihnen wird vorgeworfen, dass sie durch das Fenster eines Umkleideraums in das Museum eingestiegen sind. Sie sollen dann gezielt in den Raum mit dem Münzkabinett gegangen sein, um dort eine Vitrine zu zertrümmern und die erbeutete Goldmünze mit einem Rollbrett durch mehrere Räume zum Fenster zurückzufahren.

Prozessauftakt Berlin Diebstahl der Goldmünze Big Maple Leaf
Einer der mutmaßlichen Jugendlichen Straftäter: Dennis W. beim Prozessbeginn am Landgericht in Berlin Bild: picture alliance/dpa/P. Zinken

Als die Täter die Goldmünze aus dem Fenster auf die hochgelegenen Gleise der Berliner S-Bahn gehievt hatten, soll die Beute mit einem Schubkarren abtransportiert worden sein. Das Bode-Museum ist Teil der Museumsinsel, ein eingetragenes UNESCO-Weltkulturerbe, das in Berlin zu den Touristenmagneten zählt. Und es ist von Wasserkanälen umflutet. Die Täter sollen die Münze anschließend über den mit Wasser gefüllten Kanal abgeseilt und in einem nahegelegenen Park weggeschafft haben. Der vierte Angeklagte, Dennis W., jobbte von Zeit zu Zeit als Aufsichtsperson im Museum und soll für die drei mutmaßlichen Täter die Örtlichkeiten ausgekundschaftet haben.

Wenn der mutmaßliche Täter dem Zeugen über die Schulter schaut

Am ersten Verhandlungstag war das Medieninteresse groß, weshalb die Angeklagten an einem Spalier von Journalisten und Kameras entlang in den Gerichtssaal laufen mussten. Die jungen Männer verdeckten ihr Gesicht mit Printmagazinen, einer mit einer Ausgabe des Titels "Wissen & Staunen". Zwei der Angeklagten gaben an, Schüler zu sein. Einer arbeitet nach eigener Aussage als Kurierfahrer, der Vierte gab an, an einer Berliner Privatuniversität zu studieren. Weil drei der Angeklagten zur Tatzeit noch Jugendliche waren, wird das Verfahren vor einer Jugendkammer verhandelt.

Polizeiwagen vor dem Bodemuseum
Solch einen Diebstahl hat Deutschland noch nie gesehen: Aus dem Münzkabinett des Berliner Bode-Museums wurde im März 2017 die Goldmünze "Big Maple Leaf" gestohlen Bild: picture alliance/dpa/P. Zinken

So filmreif wie das mutmaßliche Verbrechen, so filmreif zeigte sich dann auch der erste Verhandlungstag. Eine Szene in Saal 700 dürfte dabei allen Besuchern an diesem Tag in Erinnerung bleiben. Die Vorsitzende Richterin hatte den ersten Zeugen geladen, einen Kriminalbeamten, der die Spurenlage am Morgen nach dem Einbruch aus seiner Sicht beschrieb. Er tat dies am Richterpult stehend, mit einem Papierausdruck des Museums-Lageplans vor sich, in dem er den möglichen Fluchtweg mit einem roten Stift nachzeichnete. Die Verteidiger beantragten, dass die Angeklagten dies direkt nachvollziehen können müssen. Und so kam es, dass einer der vier mutmaßlichen Diebe dem Kriminalbeamten über die Schulter schaute, als dieser den aus seiner Sicht plausibelsten Fluchtweg in die Karte einzeichnete. Die Richterin beobachte das Geschehen sichtlich zufrieden. Der Angeklagte, der nach vorne gekommen war, blieb äußerlich regungslos. Die Szene entbehrt nicht einer gewissen Komik, auch wenn es weiter um einen dreisten Fall von Diebstahl in besonders schwerer Form geht.  

Verteidiger zweifeln Beweise der Staatsanwaltschaft an

Die vier Angeklagten schwiegen zum Prozessbeginn. Ihre Verteidiger holten dagegen zum Rundumschlag gegen die Staatsanwaltschaft und die Anklage aus. Die umfangreichen Ermittlungen der Polizei hätten keinen "einzigen durchgreifenden Beweis" für eine Tatbeteiligung der Angeklagten ergeben. Der Verteidiger zählte eine Sonderkommission der Polizei auf,  50 Telefonüberwachungen, 30 Durchsuchungen und den Einsatz von Spürhunden und GPS-Geräten auf. Dennoch sei die Beweislage "dürftig" geblieben, stütze sich auf wissenschaftlich dürftige Gutachten, Videoaufnahmen ohne erkennbare Gesichter und  Indizien, die aufgrund einer medialen Vorverurteilung der Familie R. als krimineller Clan einseitige Ermittlungen zutage befördert hätten. Ein wissenschaftliches Gutachten, das Wayci R., Ahmed R. und Wassim R. auf einem Überwachungsvideo identifiziere, sei haltlos.

Prozessauftakt Berlin Diebstahl der Goldmünze Big Maple Leaf
Ahmed R. ist 1990 geborener Schüler aus Berlin. Zusammen mit mindestens zwei weiteren Tätern soll er die Goldmünze über ein Fenster des Museums gestohlen haben Bild: picture alliance/dpa/P. Zinken

Neuköllns Jugendstadtrat Falko Liecke (CDU) wollte diese Sicht der Dinge nach Prozessbeginn nicht stehenlassen. In einer Mitteilung an die Presse schrieb er. "18 Jugendliche, 218 angeklagte Delikte. Das ist die stadtbekannte Familie R. aus Neukölln". Derzeit sitzt keiner der Angeklagten mehr in Untersuchungshaft. Allerdings wurde gegen zwei der Männer ein sogenannter Vermögensarrest verhängt, so eine Gerichtssprecherin. So versucht die Staatsanwaltschaft Vermögen festzusetzen, um es später unter Umständen einziehen zu können. Ob das Vorgehen Erfolg hat, dürfte vom Urteil in einigen Monaten abhängen. Mindestens zwölf Verhandlungstermine wird es in jedem Fall geben.